Monday, November 17, 2025

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Über KI-Lösungen, die auf den Menschen fokussieren sollten und den Trend zur Konvergenz von Technologien.

Fotos: Wolfgang R. Fürst


Report:
Was sind derzeit zentrale Forschungsthemen im Center for Technology Experience des AIT Austrian Institute of Technology?

Manfred Tscheligi: Wir beschäftigen uns sehr stark mit der Schnittstelle im Zusammenspiel zwischen Mensch und Technologie – mit der Frage, wie Technologie erlebt, verstanden und akzeptiert wird. Wie kann der Mensch sinnvoll unterstützt und wie können seine Fähigkeiten ergänzt werden? Mich interessiert die Co-Experience – das gemeinsame Erleben von Mensch und System. Wenn diese Erfahrung positiv ist, entsteht Akzeptanz. Wenn nicht, kommt es zu Ablehnung. User-Experience bedeutet daher, Beziehungen zwischen intelligenten Systemen und intelligenten Menschen zu gestalten – auf Augenhöhe und auch mit unterschiedlichen Nutzerperspektiven hinsichtlich Alter, Herkunft oder Bildung, einer physischen und kognitiven Vielfalt.

Report: Neue Technologien entwickeln sich rasant, etwa KI. Wo bleibt da der Mensch?

Tscheligi: Der Mensch soll verstehen, was die KI tut, ihr vertrauen können und erkennen, wo ihre Grenzen liegen. Transparenz ist entscheidend. Wenn ich nicht weiß, was ein System kann oder nicht kann, entsteht Misstrauen oder falsches Vertrauen – das berühmte „Overtrust“-Problem. Systeme sollten daher auch sagen: Das kann ich nicht zuverlässig. Diese Ehrlichkeit macht sie menschlicher. Vertrauen ist kein technischer Parameter, sondern eine psychologische Größe. Und genau dort setzt Human-Centered AI an. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt, aber nicht als Gegenspieler der Maschine, sondern als Partner.

Report: Sie sprechen auch von einer Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine. Was läuft hier derzeit noch schief?

Tscheligi: Oft wird Technik eingeführt, ohne die Nutzer*innen mitzunehmen. Es ist nicht klar, welchen Nutzen neue Technologien bringen oder wie sie funktionieren. Die Menschen werden zu Nutzer*innen einer Blackbox. Dabei ist das Verstehen zentral: Ich muss wissen, wo meine Rolle liegt, was ich darf und was das System übernimmt. Sonst funktioniert die gemeinsame Erfahrung nicht. Wir wissen aus Studien, das schlechte erste Erfahrungen mit KI fast immer zu einer dauerhaft niedrigen Akzeptanz führen. Gute Nutzungserfahrungen dagegen schaffen Vertrauen und Offenheit für Neues.

Report: Ein Forschungsschwerpunkt liegt bei ihnen auf Extended Reality, kurz XR. Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie hier?

Tscheligi: Extended Reality ist ein Sammelbegriff für Technologien, die die reale Welt mit virtuellen Umgebungen verbinden. Sie ist längst aus dem Hype-Stadium heraus, denn wir arbeiten bereits an konkreten Anwendungen, etwa in Training, Ausbildung oder Industrieprozessen. Die Stärke von XR liegt in der Erweiterung der Realität – nicht im Ersatz. Ich muss nicht acht Stunden am Tag eine VR-Brille tragen, aber ich kann in bestimmten Phasen Wissen auf neue Weise vermitteln oder komplexe Situationen trainieren. XR-Systeme erlauben auch Performanceanalysen, Lernunterstützung und Simulationen. Und durch die Kombination mit KI können Szenen automatisch generiert oder Lernprozesse personalisiert werden. Wir sprechen hier von konvergenten Interfaces, die verschiedene Technologien verschmelzen.

Report: Wo stehen wir aktuell bei Industrie 5.0?

Tscheligi: Industrie 5.0 steht für die nächste Entwicklungsstufe einer Industrie, die nicht nur automatisiert, sondern intelligent, nachhaltig und menschzentriert ist. In der Praxis geht es um Synergien: KI, Robotik, Extended Reality und Datenanalyse dienen dem Menschen, aber ersetzen ihn nicht. Hier sehen wir großes Potenzial und entwickeln und evaluieren Lösungen mit der Industrie. Spannend ist etwa die Qualitätskontrolle mit XR-gestützten Verfahren, bei der Mitarbeitende in Echtzeit Zusatzinformationen erhalten oder Fehlerquellen erkennen. Auch das Wissensmanagement spielt eine Rolle: Wie bleibt Erfahrungswissen erhalten, wenn erfahrene Kräfte ausscheiden? Hier können KI und XR helfen, Prozesse automatisch zu dokumentieren und Wissen zu sichern.

Report: Sehen Sie generell eine bestimmte Richtung, in der sich Technologien in den kommenden Jahren entwickeln werden?

Tscheligi: Ich bin überzeugt, dass wir uns auf eine Ära der Konvergenz zubewegen. Einzeltechnologien werden immer weniger isoliert betrachtet. KI, XR, Sensorik, Datenanalyse – sie greifen ineinander. Die Zukunft liegt in Systemen, die flexibel kombinierbar sind, sich an den Kontext anpassen und den Menschen nicht überfordern, sondern unterstützen. Die größte Herausforderung bleibt, dieses Zusammenspiel so zu gestalten, dass der Mensch sich verstanden und eingebunden fühlt. Nur dann werden Technologielösungen auch erfolgreich sein.

 

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Über die Person
Manfred Tscheligi ist Professor für Human-Computer Interaction an der Universität Salzburg und Head of Center for Technology Experience im Austrian Institute of Technology (AIT). Er ist seit Jahren in den Bereichen Interaktiver Systeme, Human-Computer Interaction, Experience Engineering und User Interface Design tätig. Er gilt als Pionier dieses Gebietes in Österreich innerhalb der Ausbildung, in der Forschung sowie in der industriellen Anwendung. In der Universität Salzburg leitet Manfred Tscheligi den Fachbereich Artificial Intelligence and Human Interfaces bzw. den Bereich Human-Computer Interaction. Er zeichnet für die erfolgreiche Durchführung zahlreicher Forschungs- und Industriekooperationen wie auch für die erfolgreiche Etablierung nationaler und internationaler Initiativen verantwortlich. Er verfügt über zahlreiche Publikationen in unterschiedlichen Teilbereichen von Human-Computer Interaction und User Experience Research.

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