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Mehr China in Europa
Chinesische Investoren sichern sich gezielt Anteile an Europas Schlüsselindustrien – von Batteriefabriken in Deutschland bis hin zu Start-ups für Quantentechnologie in Wien. Was nach normalem Kapitalfluss aussieht, folgt einer klaren geopolitischen Strategie. Europa diskutiert noch über Regeln. China handelt längst.

Im Februar 2025 kündigt der chinesische Batteriehersteller CATL eine vertiefte strategische Partnerschaft mit ZF Friedrichshafen an – fokussiert auf Aftermarket-Services für E-Mobilität und Batteriesysteme. Offiziell geht es um Schulungskooperationen, Second-Life-Konzepte und die Etablierung gemeinsamer Standards für Werkstätten im Umgang mit Hochvoltbatterien. Ein Joint Venture ist es nicht – doch die Partnerschaft hat Signalwirkung. In Branchenkreisen wird diskutiert, ob es dabei auch um technologische Lernprozesse geht – etwa bei Zellchemie, Konnektivitätslösungen oder Batterieintegration in Fahrzeugsysteme. CATL-Manager Jiang Li kommentiert: »Wir stehen vor geopolitischen Herausforderungen, sind aber weiterhin offen für Kooperationen – insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung.« Die Botschaft: Auch unter Druck bleibt China wirtschaftlich aktiv – und nutzt die Offenheit europäischer Märkte für seine industriepolitischen Ziele. Stefan Scherer, CEO von AMG Lithium, formuliert es im Juli 2025 gegenüber dem Guardian deutlich: »Die EU könnte zur Provinz Chinas werden, wenn sie weiter so abhängig bleibt von chinesischen Zulieferketten für kritische Rohstoffe.«
Ökonomie als geopolitisches Werkzeug
Chinas internationale Industriepolitik hat sich gewandelt. Die Belt and Road Initiative verliert an Gewicht – statt großer Infrastrukturprojekte dominieren gezielte Minderheitsbeteiligungen an Tech-Firmen, Energiekonzernen und strategischen Infrastrukturen. In Portugal etwa erhöhte China Three Gorges 2025 seine Anteile am Energieversorger EDP. In Frankreich hält State Grid Beteiligungen am Stromnetzbetreiber RTE. In Osteuropa entstehen Produktionsanlagen chinesischer Elektroautohersteller. Laut Rhodium Group flossen allein im Jahr 2024 rund 5,2 Milliarden Euro in neue Werke – vielfach als sogenannte Greenfield-Investitionen. Die Analyst:innen stellen nüchtern fest: »Chinesische Investitionen in E-Fahrzeuge bestehen vielfach aus reinen Montagebetrieben, deren Ziel es ist, Handelsbarrieren zu umgehen.«
Auch Europas digitale Infrastruktur rückt ins Visier: Laut einer MERICS-Studie vom Juni 2025 investieren chinesische Technologieunternehmen gezielt in europäische Cloud- und Plattformanbieter – oft über Beteiligungen, die unterhalb der Schwellenwerte für eine regulatorische Überprüfung liegen. Österreich präsentiert sich als innovationsfreundlicher Standort – zeigt sich bei strategischen Investitionen aber zurückhaltend. Während Deutschland und Frankreich die FDI-Prüfverfahren ausgeweitet haben, bleibt Wien passiv. Dabei sind die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China längst Realität.
Ein Beispiel ist die langjährige Partnerschaft zwischen dem chinesischen Unternehmen Weichai Power und dem Grazer Technologieanbieter AVL List. In einer Pressemitteilung vom September 2023 erklärte Weichai-CEO Tan Xuguang: »Seit fast 20 Jahren arbeiten wir mit AVL zusammen und entwickeln gemeinsam Kerntechnologien im Bereich neuer Energien.« AVL ist zudem Mitglied im EU-Projekt »European Battery Innovation« – einem Schlüsselvorhaben für Europas technologische Souveränität. Das Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES) warnt in einer Analyse vom Februar 2024: »Der Technologietransfer nach China stellt eine zunehmende Bedrohung für die Sicherheits- und Verteidigungsposition Österreichs und der EU dar.« Die Industriellenvereinigung bewertet das Engagement chinesischer Investoren differenziert. In einer Stellungnahme gegenüber Report(+) heißt es: »Chinesische Investitionen in Österreich (inkl. Hongkong) betragen mehr als vier Milliarden Euro – das ist nicht unwesentlich. [...] Wichtig wäre aus Sicht der Industrie primär ein sogenanntes ›Level-Playing-Field‹ – damit heimische Unternehmen im Verhältnis gleiche Standards bei Investitionen in China vorfinden wie umgekehrt.«
Was passiert, wenn Taiwan eskaliert?
Ein militärischer Konflikt mit Taiwan ist nicht mehr ausgeschlossen. Das International Institute for Strategic Studies (IISS) sieht 2025 ein steigendes Risiko. Sollte es – ähnlich wie im Fall Russland – zu Sanktionen gegen China kommen, droht Europa ein geopolitischer Schock. Die Frage stellt sich: Wie abhängig sind europäische Industrien und Netzwerke von chinesischem Kapital? In Italien zog die Regierung Meloni im Jahr 2025 die Reißleine: Der offizielle Ausstieg aus der Belt and Road Initiative erfolgte mit der Begründung, viele der versprochenen Projekte seien nie realisiert worden.
Seit 2020 existiert ein EU-weites Regelwerk zur Investitionskontrolle. Doch die Umsetzung liegt bei den Mitgliedsstaaten. Frankreich nutzte es zur Blockade eines chinesischen Einstiegs in das Satellitenkonsortium Eutelsat im Jahr 2021. Deutschland genehmigte 2024 hingegen eine chinesische Minderheitsbeteiligung an einem Halbleiterwerk – trotz sicherheitspolitischer Bedenken.
In Österreich wird das Investitionskontrollgesetz laut einer Analyse des Brüsseler Thinktanks Bruegel »faktisch kaum in angewendet«. Zentral ist nicht der Kapitalfluss, sondern der Zugang zu Wissen. Über Forschungspartnerschaften, Lizenzverträge oder Minderheitsbeteiligungen gelangen technologische Schlüsselkompetenzen in chinesische Hände – ohne systematische Kontrolle oder Folgenabschätzung. Besonders kritisch wird es, wenn EU-Gelder im Spiel sind: Der österreichische Leiterplattenhersteller AT&S erhält 146 Millionen Euro aus dem europäischen IPCEI-Fonds zur Förderung der Mikroelektronik. Zugleich betreibt das Unternehmen Entwicklungsstandorte in China. Die Trennung zwischen ziviler Förderung und möglichem sicherheitspolitischem Know-how-Transfer bleibt oft vage.
Die Industriellenvereinigung betont: »Allein in Österreich belaufen sich ausländische Direktinvestitionen auf 212 Milliarden Euro und sichern dabei mehr als 262.000 Arbeitsplätze. Dies gilt es auch bei der Gestaltung von Investitionskontrollregelungen im Auge zu behalten. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass in den Schlüsseltechnologien der Zukunft, wie beispielsweise in den Quantentechnologien, nicht zu einem Abwandern und Know-how, Talenten und Unternehmen kommt.« Die Sorge der Industrie betrifft nicht nur Investitionen – auch digitale Infrastruktur wird zunehmend zur geopolitischen Frontlinie, selbst dort, wo kein chinesisches Kapital fließt.
Digitale Souveränität unter Beschuss
Die wirtschaftliche Verwobenheit mit China ist nur eine Dimension – eine weitere ist der digitale Raum. Im Mai 2025 erhob die tschechische Regierung offiziell den Vorwurf, dass chinesische Hacker der Gruppe APT31, die dem chinesischen Ministerium für Staatssicherheit zugeordnet wird, über Monate hinweg die IT-Infrastruktur des Außenministeriums infiltriert hätten. Ziel: diplomatische Kommunikation während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft 2022. Tschechiens Außenminister Jan Lipavský sprach von einem »direkten Angriff auf unsere Souveränität« und kündigte an, die chinesische Botschafterin einzubestellen. Wörtlich sagte er: »Durch Cyberangriffe, Informationsmanipulation und Propaganda greift China in unsere Gesellschaft ein, und wir müssen uns dagegen verteidigen.« Auch international fand der Vorfall Resonanz: Die NATO verurteilte den Angriff in einer gemeinsamen Erklärung als Teil eines »wachsenden Musters böswilliger Cyberaktivitäten aus der Volksrepublik China«. NATO-Generalsekretär Mark Rutte erklärt: »Die NATO-Mitgliedsstaaten stehen heute in Solidarität mit der Tschechischen Republik.« Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas warnt, dass dieser Angriff »eine inakzeptable Verletzung internationaler Normen« darstelle – und betonte, die EU sei »bereit, Kosten zu verhängen«.
Diese Eskalation macht deutlich: Technologietransfer erfolgt nicht nur über Forschungspartnerschaften oder Kapitalbeteiligungen – sondern zunehmend auch durch digitale Operationen im Graubereich zwischen Spionage und wirtschaftlicher Einflussnahme.
Die Chinesische Botschaft in Wien betont den beidseitigen Nutzen wirtschaftlicher Kooperation: »Bis heute haben über 650 österreichische Unternehmen in China investiert mit mehr als 1.600 Kooperationsprojekte initiiert. Zugleich haben rund 50 chinesische Unternehmen durch Investitionen, Kapitalbeteiligung, die Gründungvon Tochtergesellschaften oder Aufbau von Vertriebs- und Kooperationsprojekten sowie Servicenetzwerken in Österreich Fuß fassen können – und darüber hinaus Österreich auf Drehscheibe Zusammenarbeit inverschiedenen Formen mit anderen europäischen Ländern aufgenommen. Diese chinesischen Unternehmen sind in Österreich registriert, zahlen Steuern, schaffen zahlreiche Arbeitsplätze vor Ort und leisten damit einen aktiven Beitrag sowohl zur wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs als auch zur Vertiefung der freundschaftlichen strategischen Partnerschaft zwischen China und Österreich.«
Hier geht es zu einem schriftlich geführten Interview mit Mei Qi, chinesische Botschafterin in Österreich: https://www.report.at/markt/komplementaere-vorteile
Auch bei langfristigen Technologiepartnerschaften sieht man große Chancen: »China misst dem Austausch und der Zusammenarbeit mit Ländern weltweit im Bereich Innovation und Forschung große Bedeutung bei und pflegt seit Langem auch mit europäischen Ländern –darunter Österreich – eine gute, gegenseitig vorteilhafte Partnerschaft. Angesichts der anhaltenden weltwirtschaftlichen Schwäche, des zunehmenden Unilateralismus, des wachsenden Protektionismus und zahlreicher globaler Herausforderungen liegt es im gemeinsamen Interesse Chinas und Österreichs, ihre jeweiligen Stärken zu nutzen und die Zusammenarbeit im Bereich Innovation und Forschung weiter zu vertiefen.«
Es geht nicht um Alarmismus, sondern um strategische Realität. Offene Märkte sind ein Fundament für Innovation – jedoch nur unter klaren Spielregeln. Der Schutz technologischer Souveränität in Schlüsselindustrien erfordert eine differenzierte, faktenbasierte Bewertung ausländischer Investitionen. Denn, wie Philipp Ruggi, Analyst am European Council on Foreign Relations, im Mai 2025 betont: »Europa darf sich nicht der Illusion hingeben, dass Technologiepolitik ohne Geopolitik funktioniert.« Europas Einfluss entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Handeln.
Interview: »Den Spagat schaffen«
Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, plädiert für innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, um den Wirtschafts- und Forschungsstandort Österreich zu stärken.
Wie bewerten Sie die zunehmende Präsenz chinesischer Unternehmen in strategisch relevanten Bereichen der österreichischen Industrie?
Christoph Neumayer: Die Industriellenvereinigung (IV) bekennt sich klar zu offenen Märkten. Sie sind zentrale Treiber von Innovation, Wohlstand und Beschäftigung. Chinesische Investitionen in Österreich (inkl. Hongkong) betragen mehr als vier Milliarden Euro – das ist nicht unwesentlich. Sofern drittstaatliche und somit auch chinesische Beteiligungen oder Investitionen Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unter bestimmten Voraussetzungen tangieren, unterliegen sie den österreichischen Investitionskontrollbestimmungen und sind somit genehmigungspflichtig. Wichtig wäre aus Sicht der Industrie primär ein sogenanntes »Level-Playing-Field« – damit heimische Unternehmen im Verhältnis gleiche Standards bei Investitionen in China vorfinden wie umgekehrt.
Wo sehen Sie die Balance zwischen einem attraktiven Investitionsklima und dem Schutz technologischer Souveränität?
Neumayer: Österreich muss im Wettbewerb um Investitionen durch klare, stabile und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen überzeugen: Das betrifft die Senkung der Lohnnebenkosten, wettbewerbsfähige Energiepreise sowie den Abbau von Bürokratie. Dazu braucht es klare rechtliche Rahmenbedingungen, verstärkte Kooperationen zwischen Industrie und Wissenschaft in Europa und eine ambitionierte Forschungs- und Entwicklungspolitik. Entscheidend ist es, den Spagat zu schaffen zwischen den europäischen und österreichischen Sicherheitsbedürfnissen und der Aufrechterhaltung Europas als attraktive Destination für Investitionen. Allein in Österreich belaufen sich ausländische Direktinvestitionen auf 212 Milliarden Euro und sichern dabei mehr als 262.000 Arbeitsplätze. Dies gilt es auch bei der Gestaltung von Investitionskontrollregelungen im Auge zu behalten. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass in den Schlüsseltechnologien der Zukunft, wie beispielsweise in den Quantentechnologien, nicht zu einem Abwandern und Know-how, Talenten und Unternehmen kommt. Daher ist auch der notwendige Ausbau des Marktes für Risiko- und Wachstumskapital in Europa und Österreich von enormer Bedeutung.
Welche Rahmenbedingungen wären erforderlich, um den Standort Österreich resilienter zu machen?
Neumayer: Es geht dabei im Wesentlichen um zwei Bereiche: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen bei den Lohnnebenkosten, den Energiekosten und der Bürokratie wieder auf ein wettbewerbsfähiges Maß gebracht werden. Zum anderen müssen wir den Forschungsstandort ausbauen: Das bedeutet, dass wir das Forschungsquotenziel von vier Prozent konsequent verfolgen. Dafür ist es essenziell, bei den im Herbst anstehenden Verhandlungen zum FTI-Pakt 2027–2029 den langfristig vorgesehenen Wachstumspfad konsequent fortführen und den Fonds Zukunft Österreich abzusichern. Auf Ebene der EU setzen wir uns für ein neues eigenständiges Forschungsrahmenprogramm mit einem zweckgebundenen Budget von mindestens 200 Milliarden Euro ein. Dabei muss insbesondere die kollaborative Forschung und Technologieentwicklung von Industrieunternehmen umfasst sein, damit unsere Leitbetriebe auch weiterhin bestmöglich unterstützt werden. China ist uns in vielen Bereichen weit voraus, auch dank unserer Technologien. Wir müssen wieder zurück an die Spitze.
Glossar
- Belt and Road Initiative (BRI): Chinas globales Infrastruktur- und Investitionsprogramm seit 2013.
- Made in China 2025: Strategie der chinesischen Regierung zur technologischen Führungsrolle in High-Tech-Branchen.
- Investitionskontrolle (EU): Seit 2020 geltender Rechtsrahmen zur Prüfung ausländischer Direktinvestitionen in sicherheitsrelevanten Bereichen. Umsetzung erfolgt national.
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