Wednesday, October 15, 2025

Mehrwert für Manager

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Wie innovative Kundenkommunikation die Energiewirtschaft verändert, zeigen Stadtwerke und Energieversorger.

Der Eingangsbereich des Servicepoints in Amstetten.


Er ist auf einer Mission. Amstetten im Südwesten Niederösterreichs, dem Mostviertel, zählt rund 24.000 Einwohner*innen. Die Geschichte ihrer kommunalen Infrastruktur ist vielen Städten in Europa ähnlich: Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein erstes Wasserleitungsnetz gelegt. Mit den Jahrzehnten kamen neue Technologien und Services hinzu. Heute organisieren die gemeindeeigenen Stadtwerke die Strom- und Fernwärmeversorgung, die Gasversorgung, den öffentlichen Personennahverkehr mit Bussen, die Parkraumbewirtschaftung, Elektroinstallationen und auch die Bestattung. Allen voran stehen die Wirtschaftlichkeit von Investitionen, die Versorgungssicherheit für die Menschen und Unternehmen, vor allem aber die Kommunikation und Diskussion all dieser Themen. Die Herausforderungen rund um Klima- und Energiefragen sind die gleichen wie in den Metropolen.

»Wir gehen diese Themen mit einem großen Engagement an, sehen aber auch den Erklärungsbedarf gegenüber der Bevölkerung«, sagt Stadtwerke-Amstetten-Geschäftsführer Jürgen Hürner. Er führt durch den im Sommer eröffneten ­»Service Point« im Stadtzentrum. Der Service Point macht sichtbar, wie ein klimabewusstes Leben im Alltag funktionieren kann. Schon beim Betreten wird klar, dass hier mehr geboten wird als Beratung: Hightech-Showroom, Beratungszentrum, Eventlocation und Klima-Hub in einem – mit vier thematischen Bereichen von Energieberatung über nachhaltige Produkte bis zu interaktiven Themeninseln.

Von Anfang an habe man den Gemeinderat parteiübergreifend ins Boot geholt, mit überwältigender Zustimmung im folgenden Entwicklungsprozess der Schau- und Aktionsräumlichkeiten, erzählt Hürner. Der einen Partei sind die Arbeitsplätze am wichtigsten, anderen der Wirtschaftsstandort, die Klima­frage oder die Regionalität. All das können Projekte wie die Elektrifizierung der Busflotte in Amstetten, die Ablöse eines dieselbetriebenen Notstromgenerators fürs Trinkwasser oder einer lokalen Energieversorgung der bis zu 2.000 Besucher fassenden Mehrzweckhalle erfüllen. Aus der Community kam der Wunsch, den städtischen Event-Ticketshop im Service Point zu betreiben. »Das hat sich als goldrichtig erwiesen. Wir erreichen damit auch Publikum, das eigentlich nicht einen Informationshub für Energie besuchen würde«, berichtet Hürner.

»Alles, was wir heute machen, ist nicht nur für uns, sondern für die nächsten Generationen«, bringt es auch Service-Point-Projektleiter Christoph Sandler auf den Punkt. Jürgen Hürner ergänzt: »Der Service Point macht sichtbar, wie ein klimabewusstes Leben im Alltag funktionieren kann – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern durch Inspiration, Information und Innovation auf Augenhöhe.«

Für Hürner ist der direkte Dialog unverzichtbar: Persönliche Gespräche seien der effektivste Weg, Vertrauen aufzubauen und komplexe Themen wie die Energiewende verständlich zu machen. Digitale Kanäle wie Social Media sieht er als ergänzendes Werkzeug, das Reichweite schafft, aber keine persönliche Beratung ersetzt. Auch wenn die Klimafrage bei vielen vorherrschend ist, am Ende zählen für die Menschen die Auswirkungen auf die Geldbörse. Die Stadtwerke haben da die richtigen Argumente: Der Betrieb der E-Bus-Flotte spart den Stadtbewohner*innen Geld: Zwar kosten die Busse in der Anschaffung mehr, die insgesamt 340.000 km Fahrten pro Jahr werden aber mit erneuerbarem Strom, auch aus Eigenerzeugung, bewerkstelligt. Inklusive Förderung reduziert das die Kosten um 38 %. Ein zentraler Hebel für Veränderungen sind laut Hürner eigene Projekte wie dieses, die greifbare Ergebnisse liefern: »Unsere Kund*innen ermöglichen Investitionen wie den vollelektrischen Stadtbus oder den größten E-Ladepark der Region. Die Gewinne fließen zurück in eine nachhaltige Infrastruktur. So wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen.«

Nähe im Großstadtdschungel
Auch bei anderen Energieunternehmen steht Kundenservice im Mittelpunkt. Karin Hochwimmer, Bereichsleiterin Customer Care bei der Salzburg AG, sieht einen klaren Trend: »Immer mehr Kund*innen schätzen Self-Service-Angebote für die schnelle und unkomplizierte Abwicklung von Standardvorgängen. Trotzdem bleibt der direkte Kontakt gerade bei komplexeren Fragen immens wichtig.« Die Salzburg AG setzt auf eine breite Kommunikationsstrategie – von der rund um die Uhr besetzten Hotline bis zu digitalen Kanälen wie WhatsApp, E-Mail oder Chatbots. Gleichzeitig sollen regionale ­InfoPoints ausgebaut werden, um persönliche Beratung vor Ort sicherzustellen.

Bei Wien Energie stehen Digitalisierung und niederschwellige Zugänge im Vordergrund. Florian Zabransky, Leiter des Kundenservice, beschreibt den Ansatz: »Versorgungssicherheit bedeutet nicht nur die Lieferung von Strom und Wärme, sondern auch verlässliche, transparente und schnelle Betreuung.« Neben einem starken Ausbau digitaler Services wie Selfservice-Portalen und Chatbots setzt Wien Energie auf mobile Servicestationen, die über den Sommer in den Wiener Grätzeln präsent sind. So werden auch jene erreicht, die den persönlichen Kontakt bevorzugen.

Für Zabransky sind klare Sprache und proaktive Kommunikation die Erfolgsfaktoren: »Besonders gut funktionieren eine klare, verständliche Sprache sowie schnelle Reaktionszeiten. Bei komplexen oder sensiblen Themen wird persönliche Nähe sehr geschätzt.« Weniger erfolgreich seien hingegen unpersönliche Botschaften, die nicht auf die Bedürfnisse der Kund*innen eingehen.

Bei der Eröffnung des Service Point in Amstetten appellierte Barbara Schmidt, Generalsekretärin des Branchenverbands Oesterreichs Energie, auch an die Politik: »Wir müssen informieren, mit Fakten entgegnen und klare Regulatorien schaffen.« Uns sie brachte es auf den Punkt: »Österreich muss Amstetten werden, dann schaffen wir das.«

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Drei Experten, vier Fragen

Wie sehen Energieversorger und Stadtwerke das Thema Öffentlichkeitsarbeit und Kundenservice? Report Plus hat bei Jürgen Hürner, Stadtwerke Amstetten und bei den Kundenservice-Leiter*innen Karin Hochwimmer (Salzburg AG) und Florian Zabransky (Wien Energie) nachgefragt.

Wie wichtig ist Kundenservice in der Energiewirtschaft?

Jürgen Hürner, Geschäftsführer ­Stadtwerke Amstetten

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"Kundenservice ist in der Energiewirtschaft von zentraler Bedeutung. Spätestens durch die Energiekrise ist vielen Menschen bewusst geworden, dass Energie kein »nice to have«-Thema ist, sondern dass es sich lohnt, sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Entscheidend ist, die heutigen wie auch die zukünftigen Kund:innen zu verstehen, um maßgeschneiderte Produkte – etwa Stromökosysteme, Tarife oder Services – entwickeln zu können. Dafür braucht es den direkten Austausch und einen Ort, an dem dieser Dialog stattfinden kann."

Karin Hochwimmer, Bereichsleiterin Customer Care Salzburg AG

Salzburg AGFoto: Franz Neumayr     9.4.2014

"Wir stellen fest, dass immer mehr Kund*innen Self-Service-Angebote für die schnelle und unkomplizierte Abwicklung von Standardvorgängen schätzen. Trotzdem bleibt der direkte Kontakt gerade bei komplexeren Fragen immens wichtig. Darum planen wir neben der Ausweitung der digitalen Angebote auch den Ausbau der regionalen InfoPoints. Wir stehen den Kund*innen auch bei Zahlungsschwierigkeiten zur Seite und erarbeiten Lösungen in Form von Ratenplänen und Zahlungsvereinbarungen."

Florian Zabransky, Geschäftsbereichsleiter Kund*innenservice Wien Energie

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"Kund*innenservice ist für uns ein zentraler Aspekt unseres Serviceangebots, weil Energie ein Grundbedürfnis ist. Versorgungssicherheit bedeutet nicht nur die Lieferung von Strom und Wärme, sondern auch die Versorgung mit verlässlicher, transparenter und schneller Betreuung. Wir investieren stark in Digitalisierung, etwa mit unserem Selfservice-Portal oder mit unserem Chatbot. Dennoch bleibt die persönliche Beratung ein wesentlicher Faktor – ob telefonisch, schriftlich oder vor Ort in unseren Servicestellen in Spittelau, Erdberg und Guntramsdorf."

Welche Kundengruppen erreichen Sie mit Ihren Informationen besonders effizient? Welchen Hebel für Veränderungen haben Sie in der Praxis tatsächlich?

Jürgen Hürner
"Wir agieren naturgemäß in einem regionalen Umfeld und erreichen unser Einzugsgebiet über alle Alters- und Bildungsschichten hinweg. Dafür nutzen wir ein breites Spektrum an Kommunikationskanälen: von lokalen Zeitungen über Social Media – von LinkedIn bis Instagram – bis hin zu gezieltem Sponsoring oder eigenen Veranstaltungen. Den größten Hebel für Veränderungen setzen wir über unsere eigenen Projekte. Beispiele sind der Stadtbus, der jährlich rund 320.000 Kilometer vollelektrisch fährt, oder der Bau des größten E-Ladeparks in der Region. So wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen – nach dem Motto: »Willst du Veränderung, sei selbst die Veränderung." 

Karin Hochwimmer
"Wir nutzen ein breites Portfolio an Kommunikationskanälen, um damit auch ein entsprechend breites Publikum zu erreichen. Dabei hat die direkte Ansprache der Kund*innen durch Briefe oder E-Mails eine hohe Bedeutung. Generell lässt sich feststellen, dass digital-affine Kund*innen bei allen Aktionen eine höhere Response-Rate haben."

Florian Zabransky
"Unser Anspruch ist es, alle Kund*innengruppen gleichermaßen anzusprechen. Digital affine Menschen erreichen wir schnell und zielgerichtet über Newsletter und Social Media. Für Kund*innen, die analoge Kommunikation bevorzugen, setzen wir bewusst auf klassische Kanäle wie Briefe oder persönliche Beratung. Wenn es um Verhaltensänderungen wie Energiesparen oder den Umstieg auf erneuerbare Energien geht, wirken konkrete, leicht umsetzbare Tipps und Anreize am stärksten. Hier leisten unsere Energieberatung, die Wien Energie-Erlebniswelt und Veranstaltungen wertvolle Beiträge."

Welche Akzente im Kundenservice und in der Kommunikation zu den Kunden funktionieren gut? Welche weniger?

Jürgen Hürner
"Am besten funktioniert das persönliche Gespräch – hier entsteht Vertrauen und individuelle Anliegen lassen sich direkt klären. Danach folgen das Telefonat und die schriftliche Ansprache per Brief. Newsletter und ähnliche Formate sind nützlich, aber eher ergänzend. Social Media ist ein starkes Instrument, um Sichtbarkeit zu erzeugen und ein breites Publikum zu erreichen. Allerdings können dort nur einfache Botschaften vermittelt werden, da komplexe Themen – wie etwa die Energiewende – schwer darstellbar sind. Die Herausforderung liegt also im Spannungsfeld zwischen persönlicher Tiefe und notwendiger Skalierung." 

Karin Hochwimmer
"Wichtig ist die persönliche Ansprache sowie der freundliche, verständliche und wertschätzende Ton. Wenn einmal etwas nicht klappt, so gilt es proaktiv an der Lösung zu arbeiten und Alternativen aufzuzeigen. Wenn Lösungen nicht sofort greifbar sind, so gilt es zumindest in Kontakt mit dem Kunden zu bleiben und Zwischenstand oder Zeitbedarf zu kommunizieren." 

Florian Zabransky
"Besonders gut funktionieren eine klare, verständliche Sprache sowie schnelle Reaktionszeiten und proaktive Kommunikation – also Kund*innen zu informieren, bevor Fragen entstehen. Bei komplexen oder sensiblen Themen wird persönliche Nähe sehr geschätzt. Weniger erfolgreich sind unpersönliche und komplexe Botschaften, die sich nicht an den Bedürfnissen der Kund*innen orientieren. Hier wollen wir uns immer weiter verbessern, auch wenn rechtliche Rahmenbedingungen oft eine klare und einfache Sprache erschweren."
 

Was sind Ihre persönlichen Tipps generell für den Kundenservice von Unternehmen?

Jürgen Hürner
"Bei wichtigen Themen nie auf den persönlichen Kontakt verzichten und digitale Kanäle bewusst als Ergänzung nutzen." 

Karin Hochwimmer
"Kund*innen wollen gehört werden. Das bedeutet aktives Zuhören und Nachfragen. So entsteht Vertrauen und das Gefühl ernst genommen zu werden. Die meisten erwarten sich eine Lösung, die zu ihrer persönlichen Situation passt. Wir schulen unsere Mitarbeiter*innen darin, auch in stressigen Situationen geduldig und freundlich einen respektvollen Umgang zu pflegen." 

Florian Zabransky
"Guter Service stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Empathie, Transparenz und Verständlichkeit sind entscheidend. Ebenso wichtig sind eine breite Kanalvielfalt, proaktive Kommunikation und ein offenes Ohr für Kritik. Beschwerden sind Chancen, besser zu werden. Darüber hinaus lohnt sich der Austausch mit anderen Unternehmen und ein wacher Blick auf neue Technologien – gerade im Bereich KI und Automatisierung."

 

Partnerschaft für Forschung

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Bild: Mirjam Storim (Siemens), Jens Schneider (TU Wien), Horst Bischof (TU Graz), Peter Moser (Montanuniversität Leoben) und Patricia Neumann (Siemens) präsentieren die erweiterte Forschungspartnerschaft.

Innovation von Graz aus auf Landesebene: Siemens erweitert seine Forschungsinitiative »Research and Innovation Ecosystems (RIE)« zu einem österreichweiten »Siemens RIE AUT«. Die bestehende Partnerschaft mit der TU Graz wird nun um die Montanuniversität Leoben und die TU Wien ergänzt. Die erweiterte strategische Partnerschaft in Österreich wird sich auf Schlüsselthemen wie nachhaltige Mobilität, energieeffiziente Produktion und digitale Transformation konzentrieren. »Um den Technologiestandort Österreich und Europa zu stärken, bedarf es gezielter Maßnahmen, wie den Ausbau strategischer Netzwerke und die Förderung von Schlüsseltechnologien«, erklärt Patricia Neumann, CEO der Siemens AG Österreich.

Die bisherige Zusammenarbeit zwischen Siemens und der TU Graz hat bereits bemerkenswerte Ergebnisse hervorgebracht. So entwickelten die Partner energieeffiziente Leichtbaukomponenten für Züge und integrierten Digital-Twin-Technologien in Materialentwicklungsprozesse. Ein Durchbruch gelang mit einem revolutionären System zur Materialfehlererkennung. Durch den Einsatz von Sinumerik-Werkzeugmaschinensteuerungen als virtuelle Sensoren werden kleinste Materialdefekte während des Fräsprozesses ohne externe Sensoren erkannt – eine Technologie, die sogar einen Weltrekord aufstellte.

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