Monday, November 17, 2025

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Bau | Immobilien

Viele Jahre wurde für das Bestbieterprinzip gekämpft. Jetzt droht im Zuge der Vergaberechtsnovelle das Aus durch die Hintertür. Der Bau & Immobilien Report hat mit dem Vergaberechtsexperten Stephan Heid und prominenten Branchenvertretern über die möglichen Konsequenzen gesprochen.

Die österreichische Bundesregierung plant für das Jahr 2026 eine umfassende Novellierung des Bundesvergabegesetzes (BVergG). Der Begutachtungsentwurf zur geplanten Gesetzesänderung endete am 7. November, am 11. November folgte die Übermittlung der Stellungnahmen ins Justizministerium. Der Gesetzesbeschluss soll zeitnah erfolgen. Wird das Gesetz in der vorliegenden Fassung beschlossen, könnte das weitreichende Konsequenzen für das Bestbieterprinzip haben. De facto könnte das Bestbieterprinzip damit Geschichte sein, ist Vergaberechtsexperte Stephan Heid von Heid und Partner Rechtsanwälte überzeugt. Auch bei vielen Branchenvertretern läuten die Alarmglocken.

Die Ausgangssituation
Das aktuelle Bundesvergabegesetz sieht bei Bauaufträgen über 1 Mio. Euro zwingend vor, dass dem „technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot“ (= „Bestangebot“) zugeschlagen werden muss. Es ist festgelegt, dass dies „anhand von bekannt gegebenen Zuschlagskriterien“ zu erfolgen hat. Damit ist laut Heid klar, dass bei hohen Bauauftragswerten neben dem Preis zumindest ein zweites (qualitatives) Zuschlagskriterium erforderlich ist.

Im Entwurf der Vergaberechtsnovelle 2026 wird diese Pflicht zum Bestbieter laut Heid aufgegeben. „Anstelle dessen soll ein „horizontaler Bestbieter“ ausreichend sein, der nach Wahl des Auftraggebers auch der Billigstbieter sein kann, wenn er nur ökologische, soziale, innovative etc. Mindestvorgaben in der Ausschreibung einhält“, so Heid. Da helfe es auch nicht, dass nunmehr vorgesehen ist, dass bei Bauaufträgen, deren geschätzter Auftragswert mindestens 1,5 Mio. Euro beträgt (…) jedenfalls ökologische Aspekte zu berücksichtigen sind. „Denn diesem Gebot kann der Auftraggeber wiederum z. B. nur durch Mindestvorgaben in der Leistungsbeschreibung wie etwa „grüne Baustoffe“ nachkommen. Also ohne zweites Zuschlagskriterium neben dem Preis“, so Heid.

Die Conclusio von Heid: „Wenn die Novelle so kommt, wird es für viele Baufirmen keine Möglichkeit mehr geben, nicht nur mit einem guten Preis, sondern auch mit der besonderen Qualität ihres Angebots im Vergabewettbewerb zu siegen?“

Der Bau & Immobilien Report hat sich bei prominenten Branchenvertretern umgehört, wie sie die geplante Novelle einschätzen und mit welchen faktischen Folgen sie rechnen.

Die Stellungnahmen in alphabetischer Reihenfolge:

Markus Engerth, Unternehmensbereichsleitung Österreich & Vorstandsmitglied Strabag: „Der aktuelle Entwurf stellt einen deutlichen Rückschritt im Vergabeprinzip dar. Wenn das Bestbieterprinzip aufgegeben wird, verlieren wir die Chance, Qualität und Innovation im Wettbewerb zu fördern. Ein Verfahren, das sich primär am niedrigsten Preis orientiert, öffnet Tür und Tor für Dumpingangebote, die später über Nachträge und Claims kompensiert werden. Wir brauchen ein Bestbieterverfahren, das auf objektiven und transparenten Kriterien basiert. Im Mittelpunkt sollte das beste Produkt für den Kunden stehen. Gerade jetzt wäre Value Engineering entscheidend, um nachhaltige und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu sichern – doch dieser Aspekt kommt im Entwurf viel zu kurz.“

Andreas Fromm, Geschäftsführer Asfinag Bau Management: „Wir als ASFINAG vergeben bereits seit sehr vielen Jahren, auch schon vor dem BVergG 2018, unsere Bauleistungen in der Regel nach dem Bestbieterprinzip. Dies einerseits, um die entsprechende Qualität unserer Bauwerke und deren Herstellung weiter zu erhöhen bzw. auch um Anreize für Weiterentwicklungen wie etwa im Bereich der Digitalisierung, ökologischen Nachhaltigkeit oder erhöhten Arbeitssicherheit bei größtmöglichem Wettbewerb zu schaffen, und andererseits auch, um die Innovation der Baufirmen, Stichwort Alternativangebote, zuzulassen und zu fördern. Für uns als Auftraggeber wird diese Änderung des BVergG, sofern sie so verabschiedet wird, an der Vergabe der Bauleistungen nach dem Bestbieterprinzip im Wesentlichen nichts ändern.“

Peter Krammer, CEO Swietelsky und Obmann des Fachverbands der Bauindustrie der WKO: „Die geplante Novelle des Bundesvergabegesetzes 2026 bringt eine Reihe von Änderungen mit sich, die aus Sicht der Bauwirtschaft differenziert zu betrachten sind.
Positiv hervorzuheben ist die Anhebung des Schwellenwerts auf 1,5 Mio. Euro, ab dem ökologische Aspekte verpflichtend zu berücksichtigen sind. Diese Maßnahme ist keineswegs ein Schritt zu weniger Nachhaltigkeit, sondern vor allem ein Beitrag zur Vereinfachung der Vergabeverfahren. Die dauerhafte Überführung der bisherigen Schwellenwerteverordnung in das Gesetz reduziert den administrativen Aufwand erheblich und schafft mehr Flexibilität für Auftraggeber und Bieter. Das ist ein klarer Gewinn für die Praxis – insbesondere für kleinere und mittlere Bauunternehmen.
Gleichzeitig bleibt festzuhalten: Die Qualität eines Vergabeverfahrens hängt nicht allein von gesetzlichen Vorgaben ab, sondern maßgeblich von der Haltung des öffentlichen Auftraggebers. Wer kooperativ, strategisch und zukunftsorientiert agiert, wird auch unter den neuen Rahmenbedingungen ein echtes Bestbieterverfahren durchführen – idealerweise im Sinne eines Allianzmodells, das auf partnerschaftliche Zusammenarbeit und gemeinsame Zielerreichung setzt.
Wer hingegen in traditionellen Mustern verharrt und qualitative Aspekte wie Ökologie, Erfahrung oder Innovationskraft nur formal berücksichtigt, wird dies auch künftig tun – unabhängig davon, wie scharf oder weich die gesetzlichen Vorgaben formuliert sind.“

Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz: „Der vorliegende Entwurf geht leider in die falsche Richtung. Statt Qualität, regionale Wertschöpfung und faire Arbeitsbedingungen zu stärken, würde er den Weg zurück zum reinen Billigstbieter freimachen. Genau das steht im Widerspruch zu allem, was die Bauwirtschaft als Konjunkturmotor der gesamten Wirtschaft jetzt braucht.
Wenn Preis plötzlich wieder allein ausschlaggebend sein kann, verlieren heimische Unternehmen ihren Wettbewerbsvorteil: Qualität, Fachkräfte, Ausbildung, sichere Arbeitsplätze und saubere Produktionsbedingungen wären im Vergabeverfahren kaum mehr etwas wert. Das würde Dumpingmodelle und Subunternehmerketten weiter befeuern – und genau das sollte ein modernes Vergaberecht eigentlich verhindern.
Wir brauchen endlich einen echten Paradigmenwechsel: Qualität vor Preis, verpflichtende soziale und ökologische Kriterien, klare Regeln gegen ausufernde Subvergabe, strengere Ausschlussmechanismen für schwarze Schafe und mehr regionale Wertschöpfung. Fast 70 Milliarden Euro öffentliche Aufträge pro Jahr sind ein gewaltiges wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument und dieses Instrument darf nicht noch weiter in Richtung Billigstbieter ausgehöhlt werden.
Sollte der Entwurf in dieser Form beschlossen werden, hätte das spürbare Folgen: weniger Transparenz, mehr Risiko für Lohn- und Sozialdumping, ein sinkender Qualitätsanspruch und ein massiver Wettbewerbsnachteil für österreichische Betriebe, die ordentlich ausbilden, fair zahlen und Qualität liefern.
Österreich kann rot-weiß-rot vergeben – EU-konform, wirtschaftlich klug und im Interesse unserer Beschäftigten. Der Gesetzgeber muss diese Chance jetzt nutzen, statt sie zu verspielen.“

Karl-Heinz Strauss, CEO Porr: „Der neue Entwurf zum Vergabegesetz sieht vor, dass der Auftraggeber alternativ auch andere Aspekte anstelle qualitativer Zuschlagskriterien festlegen kann. Dennoch ist zu erwarten, dass sich an der bisherigen Praxis wenig ändern wird. Diejenigen Auftraggeber, die den Wert echter Qualitätskriterien kennen, werden diese auch weiterhin einsetzen.

Hubert Wetschnig, CEO Habau Group: „Der aktuelle Entwurf zur BVergG-Novelle 2026 stellt aus meiner Sicht einen klaren Rückschritt dar. Die geplante Abkehr vom Bestbieterprinzip bei Bauaufträgen widerspricht nicht nur der bisherigen Gesetzeslogik, sondern auch der gelebten Ausschreibungspraxis unserer öffentlichen Infrastrukturauftraggeber. Wenn künftig der Zuschlag auch an den Billigstbieter erfolgen kann – allein unter der Bedingung, dass Mindestvorgaben erfüllt werden – droht eine systematische Entwertung qualitativer Angebotsmerkmale. Das gefährdet die Bauqualität, schwächt Innovationsanreize und erhöht das Risiko von Nachträgen und Bauverzögerungen. Die Entwicklung kommt überraschend und ohne breite Konsultation der Branche. Sollte der Entwurf in dieser Form umgesetzt werden, rechnen wir mit einem spürbaren Rückgang des Qualitätswettbewerbs, einer Verschärfung des Preisdrucks und mittel- bis langfristig einer Schwächung der industriellen Bauwirtschaft und damit einhergehend der öffentlichen Bauinfrastruktur. Wir plädieren daher klar für die Beibehaltung des Bestbieterprinzips – als Garant für nachhaltige, wirtschaftlich sinnvolle und technisch hochwertige Bauprojekte.

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