Donnerstag, Dezember 05, 2024

Mit einer »Mittelstandsmilliarde« wollen SPÖ und ÖVP die heimischen Klein- und Mittelbetriebe vor der Finanzkrise schützen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Konjunktur anzukurbeln, ist fraglich.

Als erste krachen die Banken. Dann kommt die Automobilindustrie zusehends ins Schleudern und die Bauwirtschaft klagt über leere Auftragsbücher für den Frühling. Große Konzerne wie Magna, Swarovski, Wienerberger, Henkel, Siemens oder SAP verschieben bereits Projekte, bauen Personal ab oder stellen auf Kurzarbeit um. Spätestens nächstes Jahr werden kleine und mittelständische Unternehmen aller Branchen die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren bekommen.

Die Prognosen der Experten sind düster: Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) revidierten ihre Berechnungen vom Juni. Österreichs Wirtschaft wird demnach 2009 deutlich weniger stark wachsen, die Arbeitslosigkeit erstmals seit Jahren wieder steigen. Das IHS nahm seine Prognose um 0,7 Prozentpunkte auf magere 1,2 Prozent zurück. In der WIFO-Berechnung rutscht die Wachstumsprognose mit 0,9 Prozent plus sogar unter die heikle Ein-Prozent-Marke, was laut Wirtschaftsminister Martin Bartenstein »Alarmstufe eins« bedeutet.

Die Wirtschaftsprognose der Europäischen Kommission sieht noch trister aus: Statt zuvor angenommener 1,5 Prozent Wachstum erwartet sie für die Euro-Zone mit nur noch 0,1 Prozent plus Stagnation. Erst 2010 soll die Konjunktur wieder leicht anspringen und auf durchschnittlich 0,9 Prozent klettern. Deutschland wird stagnieren, Irland und Großbritannien schlittern in eine Rezession, so die Vorhersage aus Brüssel. Österreich liegt in dieser Berechnung mit 0,6 Prozent Wachstum sogar deutlich unter den heimischen Prognosen.

Leere Kassen
Flugs beschloss der neu konstituierte Nationalrat deshalb in seiner ersten regulären Sitzung mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und BZÖ ein Konjunkturpaket, das die Folgen der internationalen Krise für Österreich zumindest mildern soll. Doch die Kassen sind leer, nicht zuletzt wegen der eifrig im Wahlkampf versprochenen Geschenke: Abschaffung der Studiengebühren, Mehrwertsteuersenkung, Pensionserhöhung. Langfristige Konjunkturfolgen – weniger Konsum, niedrigere Steuereinnahmen und Beschäftigungsrückgang – ziehen das Budget zusätzlich in den Abgrund. Mit bis zu 80.000 Arbeitslosen zusätzlich rechnet Wirtschaftsforscher Markus Marterbauer in den nächsten beiden Jahren, was sich mit geschätzten zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen wird.

Mehr als eine Milliarde Euro ist momentan nicht drin. »Ein Tropfen auf den heißen Stein«, meint der Budget- und Finanzsprecher der Grünen, Bruno Rossmann. »Notwendig wäre ein Konjunkturpaket in der Höhe von drei bis sechs Milliarden Euro«, was etwa ein bis zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspräche. »Davon ist die Regierung meilenweit entfernt«, so Rossmann.

Tatsächlich entpuppt sich das so ambitioniert geschnürte Paket als Mogelpackung. Wirklich neu ist keine der Maßnahmen, unter dem Druck der angespannten wirtschaftlichen Lage konnte sich die Regierung aber offenbar rascher zu einem Beschluss durchringen. Die Finanzkrise macht’s möglich: Mit einer »Mittelstandsmilliarde« soll der heimischen Wirtschaft in den nächsten beiden Jahren unter die Arme gegriffen werden. Direkt aus dem Budget kommen 2009 nur 105 Millionen Euro, bei 500 Millionen handelt es sich um Aufstockungen von Kreditrahmen und bei 400 Millionen Euro um zusätzliche Haftungen. Für 2010 ist eine ähnliche Aufteilung zu erwarten.

Der Spielraum ist entsprechend klein. Zum einen zieht man bereits im Vorjahr vereinbarte Investitionen vor. Konkret sollen bis 2012 rund 700 Millionen Euro in den Ausbau von Schiene und Straße fließen. Beschäftigungsintensive Pläne, wie Sanierung und Neubau einzelner Bahnhöfe, werden schon jetzt umgesetzt. Kleinere und mittlere Stationen wie Bruck an der Mur, Attnang-Puchheim, Melk und Lauterach dürfen sich über diese Infrastrukturmaßnahme freuen. Ein Viertel des Investitionsvolumens ist für Autobahnbauprojekte vorgesehen, wovon in erster Linie die Asfinag profitiert.

Um die Vergabe von Eigenheimkrediten zu erleichtern und der Bauwirtschaft zusätzliche Impulse zu geben, wird angesichts stagnierender Einlagen die Bausparförderung angehoben. Der Höchstbetrag für die prämienbegünstigte Einzahlung pro Person und Jahr wird von derzeit 1.000 auf 1.200 Euro erhöht, was sich im Budget mit 20 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Schwachstelle Eigenkapital
Der Schwerpunkt der Maßnahmen konzentriert sich aber auf die Sicherstellung liquider Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Neuinvestitionen und Innovationen sollen für die von den Banken ausgehungerten Betriebe wieder finanzierbar werden. Zunächst wird ein beim Austria Wirtschaftsservice (aws) angesiedelter Mittelstandsfonds für zwei Jahre mit 80 Millionen Euro dotiert, der den Betrieben Eigenkapital in Form von stillen Beteiligungen zur Verfügung stellt. Der Fonds beteiligt sich über eine Laufzeit von zehn Jahren mit Summen zwischen 300.000 Euro und einer Million Euro an Unternehmen. Im Gegenzug nimmt der aws Mitsprache-, Gestaltungs-, Einsichts- und Gewinnbeteiligungsrechte wahr.

Weitere 200 Millionen Euro sollen aus dem KMU-Förderungsprogramm der Europäischen Investitionsbank (EIB) mobilisiert werden. Zusätzliche 200 Millionen fließen aus dem ERP-Fonds an die KMU. Davon sind 20 Millionen Euro jährlich für ein Kleinkreditprogramm reserviert, das den Unternehmen günstige Darlehen bis zu 30.000 Euro gewährt.
Zur Finanzierung von Forschungs- und Technologieprojekten wird der aws ermächtigt, bei der EIB jährlich 100 Millionen Euro an Darlehen aufzunehmen und als langfristige Kredite an Unternehmen weiterzureichen. Gleichzeitig wird der Haftungsrahmen des aws um rund 2,5 Milliarden Euro auf insgesamt 5,225 Milliarden Euro erhöht. Auf die KMU-Haftungen entfallen davon 1.500 Millionen Euro (derzeit 725 Mio. Euro).

Zwar hat sich die Eigenkapitalausstattung der KMU in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Trotzdem müsse man »das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft« weiter stärken, so Peter Voithofer, stellvertretender Direktor der KMU Forschung Austria. Die strengeren Eigenkapitalvorschriften infolge des Basel-II-Abkommens haben die Kreditvergabe besonders für kleine Unternehmen erschwert. Kleinstbetriebe verfügen im Durchschnitt nur über rund neun Prozent Eigenmittel, bei Kleinbetrieben liegt die Quote bei 20 Prozent und bei Mittelbetrieben bei rund 28 Prozent. Die Banken deckten schon bisher das größere Risiko mit höheren Kreditzinsen ab – oder gewährten in vielen Fällen überhaupt kein Darlehen.

»Gerade in der momentanen Finanzkrise und der angespannten Liquidität der Banken nimmt die Bedeutung von Förderinstrumenten für die Wirtschaft zu«, schlagen die Geschäftsführer von aws und ERP, Johann Moser und Peter Takacs, in dieselbe Kerbe. Fast jede zweite Förderung aus den Mitteln des ERP-Fonds kommt KMU zugute, wobei Projekten in wirtschaftsschwachen Grenzregionen besondere Beachtung geschenkt wird. Heuer wurden bereits 214 ERP-Kredite in Höhe von 403,8 Millionen Euro vergeben. Dieses Geld löst Investitionen von 1,075 Milliarden Euro aus und schafft mehr als 3.000 neue Arbeitsplätze, so Moser.

Vorbild Kreisky
Am schwächelnden Inlandskonsum ändert jedoch auch das präsentierte Maßnahmenbündel wenig. Eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen wäre durch Steuersenkungen, für die sich ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer stark macht, oder Freibeträge in der Sozialversicherung, wie sie u.a. die Grünen fordern, wohl am effektivsten zu bewerkstelligen. Wäre da nicht das Budgetdefizit. Schulden sind nur in der Höhe von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt. In Ausnahmesituationen ist eine Überschreitung dieser Grenze erlaubt – »und wann ist eine Ausnahmesituation, wenn nicht jetzt?«, fragt Hundstorfer.

Maastricht-Limit hin oder her, kritische Beobachter beschwören mit etwas verklärtem Blick in die Vergangenheit bereits die Ära Kreisky. Da sich Grassers Nulldefizit letztlich als Märchen herausstellte, könne man nun – mit gebührendem Abstand – doch durchaus Anleihen an der Kreisky’schen Reformpolitik nehmen. Der Gedanke ist nicht so abwegig: Tatsächlich hatte der als »Schuldenmacher« verunglimpfte Sonnenkönig zu Amtsende ein geringeres Defizit angehäuft als später die rot-schwarze Koalition. Vor allem aber war Kreiskys Wirtschaftsplan hinsichtlich der nachhaltigen Investitionen in Infrastruktur, Wohnbau und vor allem Bildung von Weitsicht geprägt, von der Österreich noch lange zehrte.

Finanzspritzen auf Pump kann auch Martin Zagler, Volkswirt an der Wirtschaftsuniversität Wien, etwas abgewinnen. In schlechten Zeiten Schulden machen, in guten Zeiten sparen – das sei antizyklische Konjunkturpolitik. »Die Schulden, die wir unseren Kindern überlassen, überlassen wir ihnen auch mit einer wesentlich heileren Wirtschaft«, meint Zagler. Werde jetzt richtig und mit Bedacht gehandelt, könnte die Krise nach zwei mageren Jahren vorbei sein.

Einen ähnlich großen Wurf wie zu Kreiskys Zeiten wünschen sich hinter vorgehaltener Hand auch in ÖVP-Kreisen viele. Schwierige Zeiten verlangen mutige Entscheidungen, lautet der Grundtenor in den Regierungsparteien. An Vorschlägen mangelt es nicht. Ein Maßnahmenpaket für die Sanierung und den Neubau von Bundesschulen, insgesamt 1,664 Milliarden Euro schwer, harrt dennoch seiner Absegnung. Reformen im Bildungssystem, die der Wirtschaft gut qualifizierte Arbeitskräfte sichern könnten, rechnen sich erst auf lange Sicht, sind aber trotzdem längst überfällig. Dazu reichte der Mut bisher nicht.

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