Thursday, November 20, 2025

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Microsoft Copilot, Kontrollinstrumente und Datenanalysen: Rechtsanwalt Rainer Knyrim berichtet in diesem Kommentar über Transparenz, Vertrauen und Kompromisse bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen in Unternehmen.

Bild: iStock

Eine Betriebsvereinbarung ist im Grunde ein Vertrag zwischen der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat – also zwischen Arbeitgeber und Belegschaftsvertretung. Sie regelt, unter welchen Bedingungen ein bestimmtes System eingesetzt werden kann, das Mitarbeiterdaten verarbeitet oder Kontrollmaßnahmen ermöglicht. Das kann eine Videoüberwachungssystem sein, ein neues CRM, eine Videokonferenzplattform oder eine KI-Anwendung wie Microsoft Copilot. Überall dort, wo personenbezogene Daten entstehen oder technische Kontrolle möglich ist, braucht es klare Regeln.

In der Betriebsvereinbarung wird festgelegt, welche Daten verarbeitet werden dürfen, wie lange sie gespeichert bleiben, wer darauf zugreifen darf und was ausdrücklich nicht passieren darf – etwa eine Leistungsüberwachung einzelner Mitarbeiter. Oft arbeiten wir mit dem Prinzip der sogenannten „stufenweisen Kontrollverdichtung“: Erst wird technisch überprüft, ob etwas auffällig ist – etwa eine ungewöhnlich hohe Internetnutzung –, dann wird auf technischer Ebene nachgeforscht, ob es dafür eine Ursache gibt, und erst wenn sich ein konkreter Verdacht ergibt, kann man auf Personenebene nachsehen. Solche Modelle schaffen Sicherheit für beide Seiten: Der Arbeitgeber hat seine Kontrollmechanismen, der Betriebsrat weiß, dass sie nicht missbraucht werden.

Unterschiedliche Betriebsvereinbarungen
Entweder wird für jedes System eine eigene Vereinbarung abgeschlossen, das sind Einzelbetriebsvereinbarungen, oder man legt in einer Rahmenbetriebsvereinbarung einmal grundsätzlich fest, wie das Unternehmen mit Mitarbeiterdaten und neuen Tools umgeht. Letzteres ist effizienter, wenn bei neuen Systemen nur noch die Details ergänzt werden müssen. Aber Achtung: In vielen Rahmenvereinbarungen steht, dass künftig über jedes System, das Mitarbeiterdaten verarbeitet, verhandelt werden muss – selbst über Systeme, die gesetzlich vorgeschrieben sind, wie etwa die Personalverrechnung oder Krankenstandsdokumentation. Das führt in der Praxis auch zu absurden Situationen, in denen Unternehmen nicht einmal mehr ein Softwareupdate installieren können, ohne vorher eine Sitzung mit dem Betriebsrat einzuberufen. Das bremst Innovation und kann die Wettbewerbsfähigkeit massiv beeinträchtigen. Es ist also wichtig, den Geltungsbereich solcher Vereinbarungen präzise zu formulieren und auf das Wesentliche zu beschränken.

Das Arbeitsverfassungsgesetz unterscheidet hier auch in Sachen Betriebsgröße. Wenn es keinen Betriebsrat gibt, muss der Arbeitgeber bei Überwachungsmaßnahmen mit jedem einzelnen Mitarbeiter eine Vereinbarung treffen. Das betrifft aber nur echte Kontrollmaßnahmen, also zum Beispiel Videoüberwachung, GPS-Tracking oder Softwaresysteme, die Leistungsdaten einzelner Mitarbeiter auswerten können.

Ein klassisches Beispiel ist die Logistik: Wenn die Daten zu einzelnen Fahrern oder Zustellern zurückverfolgbar sind, ist das eine Überwachungsmaßnahme – und damit zustimmungspflichtig. In der Praxis bedeutet das, dass jedes Unternehmen, das so etwas einführt, sich mit Datenschutz und Mitbestimmung auseinandersetzen muss. Das ist kein Selbstzweck, sondern dient letztlich dem fairen Ausgleich zwischen Effizienz und Persönlichkeitsrechten.

Hindernisse
Wir werden oft gerufen, wenn Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung über IT-Systeme festgefahren sind. In sehr vielen Fällen liegt der Grund schlicht darin, dass auf beiden Seiten zu wenig Information vorhanden ist. Unternehmen, vor allem wenn sie Teil internationaler Konzerne sind, wissen oft selbst nicht im Detail, was ein neues System tatsächlich macht. Sie bekommen von der Konzernzentrale mitgeteilt: „Ab dem 1. Juli geht dieses Tool live“ – und niemand in der Geschäftsführung, in der Personalabteilung oder in der IT kann genau sagen, welche Daten verarbeitet werden, wer darauf Zugriff hat und welche Auswertungen möglich sind. Der Betriebsrat will aber genau das wissen – und zwar völlig zu Recht. Wenn die Geschäftsführung diese Fragen nicht beantworten kann, entsteht Misstrauen. So entsteht eine Pattsituation: Der Betriebsrat blockiert, das Management fühlt sich ausgebremst, und die Verhandlungen geraten ins Stocken.

In unserer Rolle als Rechtsanwälte mit dem Schwerpunkt auf Datenschutz und Informationssicherheit bringen wir das Fachwissen für Gesetze ebenso wie für die Technik mit. Wir können gezielt nachfragen, sind frei von internen Hierarchien und Befindlichkeiten. Wir dürfen „lästig“ sein, ohne dass jemand sein Gesicht verliert. Das ist ein entscheidender Vorteil – gerade in großen Organisationen, in denen Kommunikation über Grenzen und Zeitzonen hinweg ohnehin schon schwierig ist.

Typische Stolpersteine in Verhandlungen sind neben dem Informationsdefizit vor allem zwischenmenschliche Faktoren. Oft sind Betriebsrat und Geschäftsführung zwei sehr starke Persönlichkeiten, die seit Jahren aufeinanderprallen. Da geht es dann gar nicht mehr um Technik, sondern ums Prinzip – wer gewinnt. In solchen Situationen braucht es manchmal einen Dritten mit Distanz. Ich habe erlebt, dass Verhandlungen über Jahre blockiert waren, bis eine Mediatorin ins Spiel kam. Es wurde dann einfach mit Stellvertretern verhandelt – mit einem positiven Ergebnis.

Ich habe auch gelernt: Je kleiner und ausgewogener die Verhandlungsteams, desto besser. Zwei Leute auf jeder Seite, die wissen, worum es geht, bringen mehr zustande als zehn, die sich gegenseitig „belauern“. Und wenn alle Beteiligten verstehen, dass eine Betriebsvereinbarung kein Kampf ist, sondern eine gemeinsame Verständigung, kommt man meist zu sehr vernünftigen Ergebnissen.

Typische Verhandlungssituation
Ein besonders anschaulicher Fall war die Diskussion um ein System, das automatisch Warnmeldungen an Mitarbeiter verschickt, wenn das Datenvolumen eines Mobilfunkvertrags überschritten wird. Die Mitarbeiter fühlten sich überwacht, weil sie plötzlich diese Nachrichten bekamen. In Wahrheit ging es um ein wenige Euro. Mein Rat war, diese Funktion abzuschalten oder zumindest die Häufigkeit zu reduzieren – es war also auch für das Unternehmen relativ leicht zu lösen. Oft sind es genau solche Kleinigkeiten, die das Betriebsklima vergiften. Manchmal genügt ein Gespräch, um sie aus der Welt zu schaffen.

Viele Konflikte entstehen aus Angst oder Unwissenheit. Gerade bei neuen Technologien, Stichwort KI, sind die Unsicherheiten groß. Wenn ein Unternehmen ein Tool wie Microsoft Copilot einführt, weiß oft niemand genau, welche Module aktiv sind, welche Daten verarbeitet werden oder ob Informationen an Dritte weitergehen. Dann kursieren Gerüchte, und plötzlich gibt es eine Blockade in der Organisation. Unternehmen holen uns hier an Bord, um die datenschutzfreundlichen Einstellungen in den Modulen zu prüfen. Wir erstellen detaillierte Kataloge: welche Daten lokal bleiben, welche an Microsoft gesendet werden, welche Funktionen deaktiviert werden sollten. Das ist organisatorisch und juristisch aufwendig, aber notwendig. Denn sobald ein System Mitarbeiterleistungen bewertet oder Arbeitsverhalten analysiert, ist das Unternehmen schnell im Hochrisikobereich der EU-KI-Verordnung, der meist auch zwingend eine Betriebsvereinbarung erfordert. Viele unterschätzen, wie schnell man hier in einen Überwachungszusammenhang gerät.

Wir empfehlen, den Betriebsräten die Systeme zu zeigen und Ihnen zu erklären, welche Daten tatsächlich genutzt werden. Es sollte offenlegt werden, was technisch möglich, aber ausdrücklich nicht erlaubt ist. Auch die beste Vereinbarung funktioniert nur, wenn sie verstanden wird. Menschen brauchen Zeit, um Neues zu akzeptieren. In der Regel braucht es dazu mehrere Gespräche: Erst beim dritten oder vierten Mal merkt man, dass sich die Angst legt und Vertrauen entsteht. Kommunikation ist ein Prozess, der sich (wieder) entwickeln muss.

Rolle der Gewerkschaft
Die Gewerkschaften haben eine große und kompetente Rolle beim Thema Betriebsvereinbarungen. Vor allem die GPA ist gut informiert, mit Abteilungen, die sich ausschließlich mit neuen Technologien und Betriebsvereinbarungen beschäftigen. Es gibt Handbücher, Checklisten, sogar Fragekataloge für KI-Systeme. Viele Betriebsräte sind dadurch hervorragend vorbereitet – oft besser als die Unternehmensleitung selbst. Das ist eigentlich ein Vorteil, denn es zwingt die Unternehmen, sich ernsthaft mit der Materie auseinanderzusetzen, statt die IT-Abteilung allein zu lassen. Wenn beide Seiten auf Augenhöhe verhandeln, kommt meist etwas Gutes heraus.


Die wichtigsten Punkte: Was bei Betriebsvereinbarungen am digitalisierten Arbeitsplatz zu beachten ist.

Transparenz
Unternehmen müssen offenlegen, was ein neues System tatsächlich kann, welche Daten verarbeitet werden und wer Zugriff hat. Nur wenn alle Informationen auf dem Tisch liegen, entsteht Vertrauen und eine faire Grundlage für Verhandlungen mit dem Betriebsrat.

Kommunikation
Betriebsvereinbarungen scheitern selten an der Technik, sondern meist an fehlender Kommunikation. Frühzeitige Gespräche und regelmäßiger Austausch nehmen Ängste, schaffen Verständnis – und verhindern, dass Misstrauen oder Gerüchte die Zusammenarbeit blockieren.

Verlässlichkeit
Eine Betriebsvereinbarung ist kein Sieg, sondern ein Ausgleich der Interessen. Wer ehrlich verhandelt, Kompromisse eingeht und sich an getroffene Zusagen hält, schafft Vertrauen für künftige Projekte – und sorgt dafür, dass technologische Entwicklung nicht an formalen Hürden scheitert.

 

Über den Autor
Dr. Rainer Knyrim ist Gründer und Partner bei Knyrim Trieb Rechtsanwälte, Chefredakteur der Zeitschrift Datenschutz konkret, Herausgeber des Datenschutz Kommentars »Der DatKomm« und des Praxishandbuch Datenschutzrecht im Verlag Manz. Er ist von der International Association of Privacy Professionals geprüfter Certified Information Privacy Professional Europe, Certified Information Privacy Manager, Certified Information Privacy Technologist und von dieser als Fellow of Information Privacy ausgezeichnet. https://www.kt.at/

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