Samstag, Mai 18, 2024
Von Klaus Fischer und Werner Wegscheider

Report:Wie sind Sie mit dem Ergebnis des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg zufrieden?
Gürkök: Ich sehe den Gipfel mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit einem weinenden, weil wenige konkrete Ziele vereinbart wurden. Wir wollen den Anteil der erneuerbaren Energieträger an der weltweiten Energieerzeugung erhöhen, sagen aber nicht, um wie viel. Wir wollen die Zahl der Menschen, die mit einem Dollar pro Tag auskommen müssen, um die Hälfte reduzieren, aber es gibt keine konkreten Pläne dafür und vor allem kein Geld. Mit einem lachenden Auge sehe ich den Gipfel, weil erstmals der Zusammenhang zwischen Energieversorgung und Armutsbekämpfung anerkannt wurde. Außerdem haben wir als UNIDO den Start unserer Rural Energy Initiative bekannt gegeben. Dabei fördern wir den Aufbau lokaler Energieversorgungssysteme in der Dritten Welt und schaffen so eine Basis für die Entwicklung gewerblicher Strukturen. In Mali beispielsweise bauen wir mit österreichischer Unterstützung ein Kleinwasserkraftwerk. Der dort erzeugte Strom treibt Wasserpumpen, mit denen Felder bewässert werden. Das kommt der lokalen Lebensmittelindustrie zu Gute.

UNO und UNIDO werden wegen ihrer Schwerfälligkeit und ihres Bürokratismus kritisiert.
Wir reagieren auch nicht langsamer als die Nationalstaaten selbst. Es dauert meistens seine Zeit, bis wir einen Konsens aller Beteiligten hergestellt haben. Aber wenn es einmal einen Beschluss gibt, stehen auch alle dazu.

Wie geht es mit dem Kiotoprotokoll weiter?
Aus Ländern wie Kanada, Russland und China, die sich bisher sträubten, das Protokoll zu ratifizieren, kommen zunehmend positive Signale. Der russische Ministerpräsident Michail Kasjanow sagte in Johannesburg, sein Land werde das Protokoll bald ratifizieren, Präsident Wladimir Putin hat sich ähnlich geäußert. Und wenn die Russen mitmachen, haben mehr als 55 Staaten das Protokoll ratifiziert, die mehr als 55 Prozent der in den Kiotostaaten erzeugten Treibhausgase repräsentieren. Das heißt, das Protokoll tritt in Kraft.

Wie helfen Sie der Wirtschaft, die Kiotoziele zu erfüllen?
Mit einem Dreistufenprogramm. Erstens machen wir Awarenessprogramme samt Workshops und allem drum und dran. Zweitens bilden wir Leute in den Entwicklungsländern aus, damit die Staaten, in denen kiotorelevante Projekte durchgeführt werden könnten, auch entsprechende personelle Kapazitäten haben. Drittens helfen wir, mögliche Projekte zu identifizieren und Partner zusammen zu bringen, die diese gemeinsam umsetzen können. Die UNIDO agiert sozusagen als Project Facilitator.

In diese Richtung geht auch das österreichische Global Forum in Sustainable Energy ...
... das ich für eine sehr begrüßenswerte Einrichtung halte. Zu wünschen wäre eine entsprechende finanzielle Ausstattung seitens der staatlichen Stellen.

Der dänische Statistiker Björn Lomborg hält Kioto für weitgehend nutzlos. Er sagt, die Staatengemeinschaft solle die dafür vorgesehenen Gelder lieber direkt in die Entwicklungshilfe stecken.
Faktum ist, es gibt menschengemachte Probleme mit dem Weltklima. Das bestreitet auch Herr Lomborg nicht. Wenn er eine kostengünstigere Alternative zu Kioto hat, auf den Tisch damit.

In wenigen Wochen findet in Delhi die achte Nachfolgekonferenz zu Kioto statt, die COP8. Was erwarten Sie sich von dieser?
Ich erwarte mir wenig und ich erhoffe mir viel. Wichtig ist, dass das Protokoll möglichst rasch in Kraft tritt und umgesetzt wird. Dafür braucht es nicht nur Geld, sondern auch Idealismus. Eine der größten Herausforderungen ist, den Entwicklungsländern durch geeignete Energieversorgung wirtschaftliche Prosperität zu ermöglichen, ohne die Umwelt weiter zu schädigen. Darauf müssen wir uns konzentrieren.

Meistgelesene BLOGS

Firmen | News
01. März 2024
Unter dem Motto „Mission Zukunft - Transformation der Wirtschafts- und Energiesysteme" veranstalten die Deutsche Handelskammer in Österreich in Kooperation mit Fraunhofer Austria Research das Deutsch-...
Firmen | News
14. März 2024
Bereits zum dritten Mal verleiht die auf Informationssicherheit spezialisierte Zertifizierungsinstanz CIS - Certification & Information Security Services GmbH die begehrte Personenauszeichnung „CI...
Nicole Mayer
26. Jänner 2024
Der Bewerb um die höchste staatliche Auszeichnung für Unternehmensqualität in Österreich ist eröffnet. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) sucht Quality Austria wieder...
Alfons A. Flatscher
26. Jänner 2024
Ganz oben auf der Agenda unserer Leser*innen steht: Neues schaffen! Wir haben gefragt, 150 Leser*innen haben uns qualifizierte Antworten geliefert. (Zum Artikel: Chancen überall, nicht erst ab 2025) D...
Katharina Bisset
07. Februar 2024
Ab 14. Februar 2024 müssen alle Pflichten des Digital Services Act von betroffenen Unternehmen umgesetzt werden – aber was bedeutet dies konkret? Der Umfang der Pflichten hängt davon ab, welche Dienst...
Firmen | News
25. März 2024
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel und Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen weltweit erkennen zunehmend die Bedeutung von KI für ihre Produktivität und W...
Alfons A. Flatscher
21. März 2024
 Mit KI-Technologien bleibt kein Stein auf dem anderen. Ganze Berufsstände, die sich bisher unangreifbar fühlten, geraten plötzlich in eine Krise. Legionen von Programmierern arbeiten gerade an d...
Mario Buchinger
22. Jänner 2024
In der Consulting- und Coaching-Branche gibt es sicher einige Leute, die kompetent Organisationen unterstützen können. Aber viele der Coaches und Consultants nützen meist nur sich selbst. Worauf Unter...

Log in or Sign up