Sonntag, Mai 05, 2024



Michael Smetana, Managing Director HP, über Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit in der IT und wie sich die Branche wieder auf lokale Wertschöpfungsketten rückbesinnen könnte.

Report: Was bedeutet Nachhaltigkeit für einen Konzern wie HP?

Michael Smetana: Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmenskultur. HP hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 das nachhaltigste und gerechteste Technologieunternehmen der Welt zu werden – das betrifft unsere Organisation, Produkte, alle unsere Wertschöpfungsketten und auch die Menschen. Das schließt die Mitarbeitenden bei Lieferanten und Produzenten mit ein. Wir haben viel Fertigung in Asien und achten sehr genau darauf, dass unsere Vorgaben für menschengerechte Arbeitsplätze auch dort eingehalten werden. Und wir bieten Nachhaltigkeitslösungen für die komplette IT-Infrastruktur bis hin zu innovativen Lösungen im Verpackungsbereich an.

Bei HP verstehen wir unter Nachhaltigkeit nicht nur den Schutz der Umwelt. So investiert HP beispielsweise in Projekte in Afrika und anderen Regionen mit eingeschränktem Zugang zu IT, um die Chancengleichheit durch die Digitalisierung und damit den Zugang zu Arbeitsplätzen zu erleichtern. 

In einem mehrstufigen Plan mit sehr aggressiven Zielen wollen wir bis 2040 komplett klimaneutral wirtschaften. Wir sind eines der wenigen Unternehmen in der IT-Branche, das seit 2001 regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, mit dem wir den konkreten Fortschritt bei allen Nachhaltigkeitsaktivitäten transparent dokumentieren. Als börsennotierter Konzern müssen diese Ziele realistisch sein und natürlich eingehalten werden – gerade deshalb entscheiden sich Investoren auch für HP.

Report: Welchen Spielraum sehen Sie hier bei Ihren Produkten?

Smetana: Wir setzen bereits seit Jahren in der Produktentwicklung auf recycelte Materialien und können das noch weiter verstärken. Ebenso haben wir Nachhaltigkeit bereits im Design unserer Produkte verankert, indem wir Dinge wie die Reparierbarkeit, die eingesetzten Rohstoffen und den Energieverbrauch bereits bei der Konstruktion mitbedenken. 

Wir betrachten den Energiebedarf und die CO2-Bilanz im Computing- und im Printing-Bereich stets von den Lieferketten in der Produktion angefangen bis zur kompletten Lebensdauer der Produkte.

Report: Wie ist der Energiebedarf im Lebenszyklus eines Druckers – seine Produktion und den Betrieb betrachtet?

Smetana:
Durchschnittlich 70 Prozent des Energieverbrauchs fallen beispielsweise bei einem Laserdrucker in der Nutzung an, da der Toner zum Fixieren auf dem Papier stark aufgeheizt werden muss. Uns ist es durch innovative Technologien gelungen, den Schmelzpunkt im Tonerbereich zu senken. Alleine durch diese Verbesserungen am Toner können 15 Prozent der Energie eingespart werden.

Tintenstrahlgeräte sind wesentlich energieeffizienter, da sie diese Heizstation nicht brauchen und auch sonst weniger bewegliche Teile haben. Wir haben diese Technik auch stark im Büroumfeld eingesetzt, aber die Akzeptanz am Markt hat gezeigt, dass unsere Kunden Laserdruckern in den Büros den Vorzug geben.

Report: Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit bei HP-Produkten hinsichtlich Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit aus?

Smetana:
HP garantiert bei professioneller Hardware eine Verfügbarkeit von Ersatzteilen von mindestens fünf Jahren, in der Regel sind es sieben Jahre und länger. Wir verwenden möglichst Standardkomponenten, die länger zugekauft werden können. Dann wollen wir unseren Kunden die Möglichkeit geben, Geräte auch nach der Garantiephase selbst zu reparieren oder wie bei Gamingcomputern selbst mit neuer Hardware zu erweitern.
Bei HP denken wir Nachhaltigkeit über den kompletten Lebenszyklus: Vom nachhaltigen Produktdesign, dem Einsatz von recycelten Materialien, den eingesetzten Verpackungen, Transportwegen bis hin zu Entsorgung. Die Reparierbarkeit ist ein wichtiger Gesichtspunkt von vielen. Wir müssen es schaffen, dass unsere Produkte lange in Verwendung bleiben – auch das trägt wesentlich zur Nachhaltigkeit bei.

Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft setzen die Landesorganisationen von HP auf lokale Partnerschaften, um auch im Recycling von Komponenten und bei der Nachnutzung von Geräten möglichst kurze Wege zu gehen. In Österreich haben wir uns für den strategischen Partner AfB entschieden, der für diese Abläufe sorgt und dazu auch Mitarbeiter*innen mit Beeinträchtigungen beschäftigt. Ebenfalls wird hier die saubere und richtige Entsorgung vorgenommen, wenn Geräte wie etwa Drucker am Ende ihrer Lebensdauer sind. Bei einigen Produkten haben wir bereits 75 Prozent Anteil recyceltes Plastik, bei Aluminiumkomponenten ist es ähnlich. Im Prinzip wird alles in den Kreislauf zurückgeführt, was sich aufbereiten und weiternutzen lässt.

Report: Gibt es eine Nachfrage nach gebrauchten Geräten auch bei Unternehmen?

Smetana: Durchaus, und auch Großkunden können sich mittlerweile vorstellen, Gebrauchtgeräte für konkrete Einsatzbereiche zu verwenden. Das betrifft auch den öffentlichen Bereich. Während bei der vergangenen Schulausschreibung das Thema Nachhaltigkeit aus Dringlichkeitsgründen noch kein zentrales Ausschreibungskriterium war, gehen wir davon aus, dass der Faktor Wiederverwendung von Geräten in die nächste Ausschreibung hinzukommt.

Report: Die Industrie unterliegt ohnehin der Verpflichtung für die Rücknahme von Verpackungen und Altgeräten.

Smetana:
Das ist auch richtig so. Das Thema Nachhaltigkeit begleitet uns bei HP seit vielen Jahrzehnten. In den Sechzigerjahren wurden bei HP schon Lochstreifen recycelt und Müll getrennt. Die Firmengründer hatten nebenbei einen großen Farmbetrieb und auch damit das Thema der Wiederverwendbarkeit bereits in den Anfangsjahren des Unternehmens auf der Agenda. Wir haben damit einen großen Startvorteil. Ich bin seit 1991 bei HP tätig und bereits damals gab es eine Umweltbeauftragte im Haus. Sie hatte die Umweltagenden in Österreich über, von der Trennung von Papier und Restmüll im Büro bis zur Rücknahme von Verpackungen und Hardware bei den Kunden – noch bevor das für Hersteller verpflichtend geregelt wurde.

Report: Erwarten Sie eine weiter steigende Nachfrage nach Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Wirtschaft? Wo sehen Sie hier auch noch Herausforderungen für die Industrie?

Smetana: Bei unseren Kundengesprächen höre ich deutlich, dass alle großen Kunden mittlerweile eigene Nachhaltigkeitsbeauftragte haben und dieses Thema auch in ihrer IT-Landschaft berücksichtigen. Fragen wie zum CO2-Fußabdruck und der Art der Beschaffung, zu Umweltzertifikaten wie Blauer Engel gehören mittlerweile zu fast jedem Verkaufsgespräch. Zusätzlich haben wir gesetzliche Vorschriften in Österreich, die sicherlich höher sind als in anderen Ländern.

Wo man sich noch schwer tut, ist in der Vergleichbarkeit von Maßnahmen. Wir veröffentlichen Daten zum CO2-Verbrauch eines Produkts, allerdings stehen dahinter auch die tatsächlichen Betriebszeiten, die völlig unterschiedlich sein können. Hier braucht es noch eine Norm für Angaben der Industrie. In den nächsten Jahren wird man sich deshalb sicherlich noch mit bestimmten Spielräumen und Bandbreiten behelfen müssen. Wir haben es in unserer Branche mit vergleichsweise langen Lieferketten zu tun. Die ersten und zweiten in dieser Kette kann man noch relativ leicht in die Pflicht nehmen, dann aber wird es schwierig.

Report: Welche Vorteile bietet 3D-Druck für Ressourceneffizienz?

Smetana: Wir selbst haben seit knapp fünf Jahren 3D-Drucker für den kommerziellen Einsatz in der Produktionsindustrie im Angebot. Die Leistungsfähigkeit der Drucker ist mittlerweile sehr beeindruckend. Was fehlt ist ein Umdenken in der Industrie. Es geht darum, die potenziellen Vorteile des 3D-Drucks bereits im Design der Teile zu berücksichtigen. Im 3D-Druck können Kunststoffteile integriert designt und gefertigt werden – verschiedene und sogar bewegliche Teile können so in einem Schritt gedruckt werden. Also müssen auch die Produktentwickler*innen geschult werden – auch auf den entsprechenden Softwaretools. 

War man bei 3D-Druck anfangs völlig auf den Maschinenbau konzentriert – in Österreich haben wir Kunden wie KTM und Rotax –, entstehen nun auch im Gesundheitsbereich ganz neue Zweige. Unser größter Kunde mit mehr als hundert Maschinen in den USA ist ein Hersteller von Zahnspangen und -Schienen. In Europa ist einer der größten Anwendungsbereiche die Orthopädie mit der Anpassung und Fertigung von Prothesen, Schuheinlagen und anderen medizinischen Hilfsmitteln wie Orthesen. 

Man hat bislang oft die Kosten von 3D-Druck mit einer Fertigung in Asien verglichen. Es gibt eine Vielzahl von Einsparungsmöglichkeiten beispielsweise bei Logistik- und Transportwegen. Gleichzeitige reduziert eine lokale Produktion die wirtschaftlichen Risiken der Lieferkette und die Lagerhaltung entfällt. 3D-Druck ist in manchen Bereichen bereits wesentlich günstiger, nachhaltiger und Unternehmen machen sich unabhängiger.


Weltweite Initiative
Der IT-Konzern HP verpflichtet sich in jährlich publizierten Nachhaltigkeitsberichten stufenweise zu unterschiedlichen Zielen, darunter die CO2-Neutralität für Verbrauchsmaterialien, die Reduktion der Treibhausgasemissionen in allen Wertschöpfungsketten, ein Anteil von 75 % aus recycelten oder erneuerbaren Materialien bei Produkten, Aufforstungsprogramme, Gendergerechtigkeit in Führungspositionen und technischen Positionen, Inklusion und Minderheitenschutz sowie Weiterbildung und die digitale Gleichstellung für Millionen Menschen weltweit.

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