Dienstag, Mai 14, 2024
Börsenblick 2021

Die Covid-Pandemie brachte viele Verlierer, aber auch eine Reihe von Gewinnern hervor. AnlegerInnen brauchen weiterhin gute Nerven. Wo sich Investments lohnen, hat Report(+)PLUS bei Österreichs Top-AnalystInnen nachgefragt.

Das Börsenjahr 2020 war von Panik, hoher Volatilität und Hoffnung geprägt. Auf massive Kursverluste im ersten Quartal folgten satte Gewinne im zweiten Halbjahr. Mangels Alternativen – das Nullzinsniveau bleibt uns erhalten – sind Aktien weiterhin die erste Wahl für AnlegerInnen. Zu den Profiteuren der Pandemie zählen vor allem Pharmakonzerne und IT-Unternehmen.

Am Branchenmix liegt es wohl auch, dass die Wiener Börse die Turbulenzen weniger gut verkraftete. Während andere Finanzplätze die Kurseinbrüche recht bald ausbügelten, schloss der Leitindex ATX sein 30-Jahr-Jubilläum mit einem Minus von 12,8 % ab. ExpertInnen sehen jedoch gerade in der chronischen Unterbewertung besonders günstige Einstiegschancen mit klarem Aufwärtspotenzial, zumal sich der CEE-Raum, an den viele österreichische Unternehmen geknüpft sind, trotz Rezession recht robust präsentiert.

Neben der globalen wirtschaftlichen Situation sollten auch die geopolitischen Entwicklungen in die Anlageentscheidungen einfließen. Brexit, der Machtwechsel in den USA und die Energiewende werden uns abseits von Corona noch länger beschäftigen. Auch mit Totgesagten ist weiter zu rechnen: China erzielte als einziger G20-Staat 2020 ein Wachstum.


1. Was hat Sie im turbulenten Börsenjahr 2020 am meisten überrascht?

2. Welche Faktoren sollten Anleger heuer besonders im Blick behalten?

3. Wie schätzen Sie die Zukunft von Bitcoin und Gold ein?

Plus: Mein persönlicher Anlagetipp


Friedrich Mostböck, Head of Group Research, Erste Group Bank AG

Mein Tipp: Österreichische Post: Defensiver Wert mit stabilem Cashflow. Als infrastruktur-relevantes Unternehmen in der Covid-Pandemie profitierte die Post vor allem im Paketversand und vom Online-Handel. Dividendenrendite von über 5 %.

1. Das wirtschaftlich extrem negative Ausmaß der Covid-Krise und die lange »globale Machtlosigkeit« gegenüber dem Virus, welches uns auch noch 2021 beschäftigen wird. Zweifelsohne war auch die schnelle Erholung der Aktienmärkte ab Mai in dem Ausmaß vielleicht überraschend, obwohl die volkswirtschaftlichen Auswirkungen enorm sind. Aber die Niedrigst-/Nullzinsen machen Aktien alternativlos.

2. Zum einen wie lange uns mögliche Lockdowns auch noch 2021 beschäftigen, zweitens ob die Impfung auf globaler Basis wirklich effektiv greifen wird und drittens mögliche politische oder geopolitische Konfliktherde (siehe aktuell USA).

3. Die niedrigen und in manchen Ländern negativen Renditen von Staatsanleihen haben negative Realrenditen in vielen entwickelten Ländern zur Folge. Diese Situation sollte langfristig andauern. Gold ist folglich in Unsicherheitsphasen attraktiv und der Goldpreis sollte mittelfristig moderat ansteigen.

Eine treffsichere Prognose zu Bitcoin ist schwierig, da der Kurs sehr volatil ist. In dem unsicheren Umfeld (Pandemie, Rezession, Niedrigstzinsen, geopolitische Unsicherheiten, etc.) setzen aber offensichtlich viele Anleger auf die Währung. Wer gute Nerven hat, für den kann – in dem Umfeld – Bitcoin als weltweit führende Krypto-Währung eine mögliche Alternative sein.


Herta Stockbauer, Vorstandsvorsitzende BKS Bank

Mein Tipp: Veranlagen Sie nachhaltig! Die Erreichung der Klimaziele ist unsere größte Herausforderung und kann durch nachhaltige Veranlagungen unterstützt werden. Die BKS Bank bietet dafür viele Möglichkeiten, wie z.B. unsere Green- und Sozial Bonds, nachhaltige Investmentfonds oder unsere Portfolio-Strategie nachhaltig – die Vermögensverwaltung mit dem österreichischen Umweltzeichen.

1. Trotz der weltweiten Ereignisse rund um Covid-19 hat sich der Kapitalmarkt nach anfänglichen Talfahrten rasch wieder stabilisiert. Das Börsenjahr 2020 endete so, wie es begann, mit Höchstständen der Aktienkurse. Der vollzogene Brexit, die weltweiten Hilfsprogramme und die rasche Zulassung von Impfstoffen sorgten für Aufwind. Überraschend waren für uns die Schwankungen des Ölpreises (WTI), der am 5.3. bei USD 50 lag, am 9.3. auf USD 35 sank, aufgrund übervoller Öllager bis 21.4. auf USD 18 abstürzte und zeitweise sogar noch tiefer lag. 

2. Nachhaltige Veranlagungen und deren ausgezeichnete Entwicklung 2020, sowie den globalen Aktienmarkt, der mit einer durchschnittlichen Dividendenrendite von ca. 2 % bei einem allgemeinen Zinsniveau um 0 % eine gute Ergänzung im Gesamtvermögen darstellt.

3.  Gold bleibt ein wichtiger Baustein in einem breit diversifizierten Gesamtvermögen. Wesentlich ist ein langfristiger Anlagehorizont, da auch Gold Kursschwankungen ausgesetzt ist. Bitcoin und andere Kryptowährungen bergen ein extrem großes Risiko aufgrund ungenügender gesetzlicher Regelungen und des nicht kontrollierbaren Transaktionsgeschehens. 


Nils Kottke, Vorstand Bankhaus Spängler

Mein Tipp: Im aktuellen Marktumfeld sind Aktien und Gold zwei wesentliche Bestandteile eines guten Anlagemixes. Auch wenn die Bewertungen von Aktien im historischen Vergleich hoch sind, gibt es kaum Anlagealternativen, die Renditen abwerfen und vor Inflation schützen. Gold weist im Gegensatz zu Staatsanleihen keine negative Rendite auf und ist zudem ein Risikopuffer in unsicheren Zeiten.

1. Die Geschwindigkeit. Das unglaubliche Tempo der Erholung nach dem Markteinbruch hätte ich nie für möglich gehalten. 

2. Ein starkes Augenmerk sollte in diesem Marktumfeld auf Stimmungsindikatoren gelegt werden. Bewertungen hingegen sollten in diesem Umfeld nicht zu stark in den Vordergrund gerückt werden. Aus Mangel an Alternativen sind unseres Erachtens langfristig höhere KGVs und niedrigere Risikoprämien zu erwarten. 

3. Es gibt die Meinung, Bitcoin könnte langfristig zum »digitalen Gold« der Zukunft werden. Diese Meinung teile ich nicht. Die aktuelle Bitcoin-Rallye resultiert daraus, dass eine globale Nachfrage auf ein begrenztes Angebot stößt. Es wird sich zeigen, wie nachhaltig dies ist, wenn die ersten Notenbanken ernsthaft mit eigenen Digitalwährungen beginnen. Gold hingegen wird seine Rolle als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten behaupten. 


1. Was hat Sie im turbulenten Börsenjahr 2020 am meisten überrascht?

2. Welche Faktoren sollten Anleger heuer besonders im Blick behalten?

3. Wie schätzen Sie die Zukunft von Bitcoin und Gold ein?

Plus: Mein persönlicher Anlagetipp


Erich Stadlberger, Leiter Private Banking & Asset Management, Oberbank AG

Mein Tipp: Eine breite Streuung wird auch 2021 von hoher Bedeutung bleiben. Mein persönlicher Anlagetipp ist daher eine diversifizierte Veranlagung über mehrere Anlageklassen. Große Einzeltitelwetten mache ich nicht.

Nach den Erfahrungen aus den Krisen im Anschluss an die Lehman-Pleite bzw. im Zusammenhang mit Griechenland war das beherzte und rasche Eingreifen von Regierungen, Notenbanken und Institutionen wie der EU für mich die absolut positive Überraschung. Das war auch klar der Katalysator für die rasche Erholung der Märkte im zweiten Quartal. »Whatever it takes« hat wiederum gut funktioniert.

2. Der Verlauf der Pandemie wird auch im Jahr 2021 die Kapitalmärkte prägen. Die Inflation bleibt höher als das Zinsniveau (negative Realzinsen). Dieser Umstand, in Kombination mit der weiter vorhandenen expansiven Geldpolitik und der erwarteten Konjunkturentwicklung verlangt eine pro-risikoreiche Veranlagung, um die Chance zu wahren, Kapital langfristig real erhalten zu können. Ein aktuelles Aktienwelt-Portfolio nach Marktkapitalisierung liegt zu 57 % in den USA und zu 92 % außerhalb der Eurozone. Hier fahren wir mit etwas mehr Home Bias (Europagewichtung).

3. Das Szenario negativer Realzinsen sollte den Goldpreis weiter unterstützen. Ebenfalls schätzen wir den Versicherungscharakter. Somit bleiben wir investiert. Bitcoin bleibt eine Wette mit höchst ungewissem Ausgang. Die bisherige Kursentwicklung ähnelt durchaus historischen Spekulationsblasen, das kann aber auch noch lange dauern. Wir engagieren uns nicht.


Monika Rosen, Chefanalystin UniCredit Bank Austria Premium Banking

1. Überraschend war wohl die Geschwindigkeit, mit der die Börsen ihren »Corona-Schock« überwunden haben. Während die Realwirtschaft noch schwer mit den Auswirkungen der Pandemie kämpfte, blickten die Märkte nach vorn und begannen, sich auf die Wiedereröffnung zu konzentrieren. Diese Bewegung bekam mit den konkreten Nachrichten zum Impfstoff von Pfizer und Moderna im November zusätzliche Nahrung. Ansonsten war es das Jahr der US-Tech-Aktien, was aber weniger überraschend war, da diese Unternehmen in der Krise zentral für die Aufrechterhaltung einer Art Normalität wurden.

2. Wir sind bei Aktien insgesamt und bei europäischen Börsen im Speziellen übergewichtet. Die Kombination aus massiven finanz- und geldpolitischen Maßnahmen und der Hoffnung auf eine weltweite Erholung ab dem zweiten Quartal 2021 (angetrieben durch die Einführung wirksamer Impfstoffe) stützt Aktien – trotz der hohen Unsicherheit aufgrund des Wiederauflebens von Corona in Europa und den USA. Vom Wiederhochfahren der Konjunktur profitieren besonders zyklische, also konjunktur-sensitive Werte, die in Europa stark gewichtet sind.

3. Wir erwarten, dass der Goldpreis vor dem Hintergrund niedriger Zinssätze und der monetären Reflationierung der Zentralbanken gut unterstützt bleibt. Darüber hinaus sollte er seine Rolle als »sicherer Hafen« immer wieder entfalten können, insbesondere im derzeit unsicheren Umfeld der zweiten Corona-Welle.


Peter Brezinschek, Chefanalyst Raiffeisen Bank International

Mein Tipp: Da die Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren hinsichtlich Konjunktur und Geldpolitik sehr günstig bleiben, dürften Aktien auf absehbare Zeit trotz temporärer Rückschläge eine lohnende Veranlagung bleiben. Nachhaltige Aktienfonds sind langfristig die geeignete Form, von Investitionen in den Klimaschutz zu profitieren. Daher ist ein regelmäßiger monatlicher Ansparplan die vernünftigste Variante. Aber auch Aktienindexzertifikate können als Alternative ins Spiel gebracht werden.

1.  Nachdem die Börsenindizes mit dem Ausbruch von Covid-19 bis zu 50 % eingebrochen waren und dann sensationell aufgeholt hatten, dominierte die Hoffnung auf Impferfolge im 4. Quartal. Allerdings setzte ab November ein signifikanter Wechsel bei den Investmentstilen ein, der eine Ablöse der bisherigen Tech-und Healthcare-Favoriten einleitete. Dagegen war die Vorrangstellung der technologiegeprägten US-Indizes aufgrund der Unternehmensergebnisse rational und nachvollziehbar.

2.  Es sind schon große Erwartungen hinsichtlich der Impferfolge an den Börsen eingepreist. Etwaige Rückschläge bei Verzögerungen oder Enttäuschungen sind Einstiegsgelegenheiten. Im Jahresverlauf sollte sich die Konjunktur global beleben, wovon besonders die stark gebeutelten zyklischen Branchen profitieren sollten. Grundstoffe, Industrie, zyklischer Konsum und Energie sollten bei den Gewinnern sein. Prinzipiell sehen wir im ersten Halbjahr die größeren Kurschancen.

3. Die Überschwemmung der Märkte durch extrem expansive Geld- und Fiskalpolitik seit März 2020 war der Startschuss für die Wiederkehr von Bitcoin. Dieses Medium zeichnet sich im Gegensatz zur Geldflutung der Notenbanken durch ein limitiertes Angebot aus. Da durch den geldpolitischen Weg eine gewisse Inflationsangst ausgelöst wird, profitieren knappe Güter wie Gold und Kryptowährungen. Mit zunehmender Nachfrage führt das zu beschleunigtem Kursanstieg. Die bisherige Entwicklung von Bitcoin zeigt aber auch die Anfälligkeit für Rückschläge. Im Gegensatz zu Gold ist ein innerer Wert schwer zu ermitteln. Es ist folglich mehr Spekulationsobjekt denn Finanzanlage. Gold ist dagegen seit Jahrtausenden als Wertanlage bewährt.

 

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