Montag, Mai 06, 2024

Bahn alt, Bahn neu, Bahn ganz neu und wieder zurück oder irgendwas dazwischen. Wohin die ÖBB tatsächlich steuern, weiß niemand. Was das eigentlich kostet, auch nicht. Die Konstanten sind politische Einflussnahme – und ­Managerboni ohne Ende.

Bittere Pillen: So knapp könnte man den ersten Jahresabschluss umschreiben, den ÖBB-Holdingfinanzer Josef Halbmayr jüngst vorgelegt hat. Knapp eine Milliarde Euro verbuchte er 2008 im Soll, der Löwenanteil resultiert aus dem schweren Erbe der Spekulationsgeschäfte, das Halbmayrs Vorgänger und Parteifreund Erich Söllinger hinterlassen hat. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel kamen die Katastrophenzahlen freilich nicht. Wilhelm Haberzettl etwa prophezeite eine »Blutbilanz« bereits vor einem Jahr, womit der mächtige ÖBB-Gewerkschafter nicht nur als Kassandra, sondern fast schon als Prophet durchgeht. Haberzettl musste lediglich ein bisschen nachjustieren. Seither sickerten im Quartalstakt neue und durch die Finanzkrise noch  befeuerte Horrorzahlen durch. Zahlen, die sich freilich relativieren könnten. Neo-Finanzer Halbmayr nützte die einmalige Gelegenheit zur bilanziellen Tabula Rasa und ließ bei den Abschreibungen kein Auge trocken. Gut möglich, dass er oder sein Nachfolger zukünftig einen warmen Regen an außerordentlichen Erträgen verbuchen kann. Beruflich geschadet hat die desaströse Performance dem ÖVP-Mann Söllinger übrigens in keiner Weise: Seine ÖBB-Boni hat er kassiert, seit März ist er kaufmännischer Geschäftsführer der SAG Group und der SAG Gmbh, eines deutschen Anbieters für energietechnische Infrastruktur.
Den bösen Zahlen entsprechend ging es auch bei den Aufsichtsratssitzungen im April ziemlich hektisch zu. Der Grund dafür war freilich nicht nur die Absegnung der »Blutbilanz«. Aufsichtsrat Eduard Saxinger etwa – der in Bälde ohnehin durch das schwarze Infrastruktur-Urgestein Helmut Kukacka abgelöst werden wird – verließ eine Sitzung gleich mehrmals, um sich politisch abzustimmen. Gerungen wurde an vordester Front um die Struktur der »ÖBB-Neu«, in der die beiden erst 2005 aufgeteilten Infrastrukturgesellschaften wieder zu einer einzigen zusammengelegt werden.
Unter Druck ist vor allem Infrastrukturministerin Doris Bures, die den Rückbau noch vor der parlamentarischen Sommerpause abschließen möchte. Zeitlich eng wird es für Bures’ ambitionierte Planung jedoch schon alleine durch die Begutachtungsfristen der dafür notwendigen Bahngesetz-Novellen.
Neben dem großen Infrastrukturbrocken wird hinter den Kulissen etwa auch um eine Produktionsgesellschaft für Verschub und Traktion verhandelt. Wo so eine projektierte Produktions-GmbH angesiedelt sein wird, ist ebenfalls Gegenstand von Kontroversen zwischen den herrschenden politischen Bahnfraktionen.

Good News
Rot tendiert eher zu einer Ansiedlung unter dem Holding-Dach, Schwarz hingegen sieht eine mögliche neue Gesellschaft bei der Güterverkehrstochter Rail-Cargo besser aufgehoben. Die Grenzen verlaufen freilich fließend. Cargo-Vorstand Ferdinand Schmidt soll etwa intern gedroht haben, Verschub oder Traktion künftig billiger am freien Markt einzukaufen, wenn dieser Bereich künftig bei der Holding angesiedelt sein sollte. Schmidts Idee ist auf den ersten Blick durchaus sexy, weil etwa die Deutsche Bahn krisenbedingt Zugmaschinen und Waggonmaterial unbenützt auf der Halde liegen hat und daher zu Dumpingpreisen anbieten könnte. Umstritten ist freilich, ob die Deutschen auch qualitativ mit dem hauseigenen »Bahnfuhrpark« mithalten könnten. Ebenfalls eine heiße Kartoffel sind die Managerboni, die angesichts des jüngsten dicken Bilanzminus der Öffentlichkeit nur schwer erklärbar sind. Wo­ran eine Kürzung oder eine Anpassung letztendlich scheitert, ist schwer auszumachen, da sich Rot und Schwarz die Schuld dafür gegenseitig in die Schuhe schieben. Gegner oder Verfechter einer Bezügereduktion können daher im Moment nur sehr schwer zuverlässig verortet werden.

Schweigen ist Gold
»Kein Kommentar. Das Thema ist viel zu kontrovers«, lautet der Insider-Tenor, aus der Deckung wagt sich derzeit noch niemand. Wie kolportiert wird, dürfte jedoch eine Gruppe von Töchter-Managern Holding-Boss Peter Klugar vorgeschlagen haben, dass das Management heuer auf 20 Prozent der »Zieleinnahmen« verzichten soll. Wer hinter dieser Initiative steckt, wird jedoch gehütet wie ein Staatsgeheimnis.
Ziemlich schweigsam sind derzeit auch die Kritiker des viel gescholtenen ÖBB-Südosteuropa-Engagements. Der Cargo-Bereich musste im ersten Quartal 2009 einen Rückgang von knapp 20 Prozent verdauen. Klingt nicht toll, grenzt aber fast schon an ein Wunder: Die Deutsche Bahn etwa kämpft mit einem Minus von stolzen 40 Prozent – ganz einfach weil die Schwerindustrie und die Autozulieferer darniederliegen und als Kunden für die nächste Zeit erst einmal ausfallen.
Aber wo nehmen die ÖBB bloß die Fracht her, um solche dramatischen Ausfälle wenigstens teilweise zu kompensieren? Wer jetzt auf Südosteuropa tippt, liegt richtig.  

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