Sonntag, Mai 19, 2024

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht der seit Jahresanfang alleinverantwortliche Geschäftsführer von Austrotherm, Gerald Prinzhorn, über die Auswirkungen von Negativkampagnen auf die Dämmstoffbranche, einen härter werdenden Wettbewerb und wie man sich gegen Billig­importe aus dem Osten schützen will.

(+) plus: Wie ist 2015 für die heimische Dämmstoffbranche bzw. für Austrotherm gelaufen?

Gerald Prinzhorn: Das abgelaufene Jahr hinterlässt gemischte Gefühle, weil es national ganz anders gelaufen ist als international. National ist der Markt sehr schwierig, das gilt für die gesamte Bauwirtschaft. Unsere Branche leidet derzeit auch unter einer Negativkampagne, die in Deutschland lanciert wurde und die leider auch auf Österreich überschwappt. International tut sich durch verschiedene Konjunkturpakete vor allem im Osten einiges. Da haben wir in einzelnen Ländern wirklich schöne Zuwachsraten.

(+) plus: Die angesprochene Negativkampagne – Stichwort: die »große Lüge von der Wärmedämmung« – ist aber nicht neu.

Prinzhorn: Wir spüren das auch schon seit einigen Jahren. Die ist zwar eigentlich gegen eine bestimmte Materialgruppe in der Branche gerichtet, trifft aber natürlich die gesamte Dämmstoffindustrie.

(+) plus: Wie zeigen sich die Auswirkungen?

Prinzhorn: Es gibt schon deutlich mehr Anfragen, weil eine gewisse Skepsis spürbar ist. Die Leute stellen sich die Frage, ob Dämmen überhaupt richtig und sinnvoll ist. Das Ganze wird natürlich auch noch durch den derzeit niedrigen Energiepreis und milden Wintern angeheizt. Ich bin aber überzeugt, dass das Dämmen in den nächsten zehn bis 20 Jahren ein noch wichtigeres Thema werden wird. Denn ein behagliches Klima, sowohl im Sommer als auch im Winter, schafft man nur durch Dämmung.

(+) plus: Was setzen Sie diesen Negativkampagnen entgegen?

Prinzhorn: Das Problem ist, dass Negativmeldungen von der Bevölkerung viel stärker angenommen werden. Ist eine Negativmeldung erst einmal platziert, setzt sie sich in den Köpfen der Menschen fest. Dagegen anzukommen, ist sehr schwierig. Wir haben aber gute Argumente und Studien von unabhängigen Wissenschaftern, die belegen, dass wir einen sehr nachhaltigen und umweltfreundlichen Luftdämmstoff erzeugen, der sogar atmungsaktiv ist.

(+) plus: Kritisch betrachtet wird beim Styropor auch das Thema Rückbau und Recycling. Mit welchen Argumenten begegnen Sie hier verunsicherten Kunden?

Prinzhorn: Auch hier haben wir gute Argumente. Es besteht die Möglichkeit der stofflichen Wiederverwertung und, was noch viel sinnvoller ist, die Möglichkeit der thermischen Verwertung.  

(+) plus: Die Branche hat seit Jahren mit rückläufigen Märkten zu kämpfen. Wie will sich Austrotherm im härter werdenden Wettbewerb behaupten?

Prinzhorn: Das geht nur über Qualität und über neue Produkte sowie die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden.

(+) plus: Welche politischen Maßnahmen würden Sie sich wünschen, um den Markt anzukurbeln?

Prinzhorn: Wir versuchen immer wieder, den Verantwortlichen zu vermitteln, dass sich Sanierungsmaßnahmen in vielerlei Hinsicht rechnen. Wir zahlen weniger Strafzahlungen nach Brüssel und stecken das Geld dafür in die heimische Wirtschaft. Sanierte Wohnungen und Häuser sind höherwertiger und verursachen geringere Energiekosten.
Außerdem ist ja auch nachgewiesen, dass etwa der Sanierungsscheck einen enormen Beschäftigungsimpuls hat und das eingesetzte Geld vielfach in Form von Steuern wieder zurückfließt. Deshalb müssen derartige Maßnahmen fortgeführt werden und dürfen nicht laufend gekürzt werden. Ganz wesentlich wäre auch eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung.

(+) plus: Von der geplanten Wohnbauoffensive wird auch die Dämmstoffindustrie profitieren.

Prinzhorn: Auf jeden Fall. Dämmen ist auch ein ganz wesentliches Thema, wenn es um leistbares Wohnen geht. Denn damit verringern sich die Energiekosten für die Bewohner.

(+) plus: Geht es nach den Lobbyisten der Dämmstoffindustrie, soll die Dämmung immer dicker werden. Kritiker sehen darin aber keinen signifikanten Mehrwert für Umwelt und Bewohner. Bei welcher Dämmstärke ist aus Ihrer Sicht das Optimum erreicht?

Prinzhorn: Das ist sehr schwer dies pauschal zu beantworten. Je nach gewünschtem Gebäudestandard – Stichwort Heizwärmebedarf – sind verschiedene Wandaufbauten mit verschiedenen Dämmstärken möglich. Wir haben hier auch Produkte mit besserer Dämmwirkung entwickelt, welche dünnere Aufbauten zulassen. Austrotherm Resolution beispielsweise dämmt fast doppelt so gut wie herkömmliches Styropor.
Umlagert wird alles von der Erreichung der Klimaziele, welche wir uns gesetzt haben. Deswegen sind hohe energetische Standards bei Gebäuden sehr sinnvoll. Hier ist Dämmung ein wesentlicher Baustein, um Energie und damit CO2-Emissionen zu sparen. Die Vorgabe der EU, ab 2020 Fast-Nullenergie-Häuser verpflichtend einzuführen, geht genau in diese Richtung. 

(+) plus: Immer wieder ist vor allem in Ostösterreich von Billigimporten aus der Slowakei und z.T. Ungarn zu hören. Wie groß sind die Auswirkungen auf die Branche tatsächlich und wie kann man sich dagegen wappnen?

Prinzhorn: Das Problem gibt es schon länger, hat in den letzten Jahren aber noch einmal dramatisch zugenommen. Hier ist auch die öffentliche Hand gefordert. Wir können nicht immer strengere Normen und Vorschriften haben, die dann aber nur für heimische Unternehmen gelten. Da muss man auch sicherstellen, dass die Kontrollen funktionieren.
Uns sind hohe Qualitätsstandards ein Bedürfnis, das kann aber auch zu einem echten Wettbewerbsnachteil werden, wenn in großen Mengen ausländisches Material mit geringerer Qualität hereinkommt.

(+) plus: Die klassische Dämmung ist ja keine Raketenwissenschat. Wo liegen die großen qualitativen Unterschiede?

Prinzhorn: Neben einer gleichbleibend hohen Produktqualität geht es vor allem darum, ein verlässlicher Partner für den Handel zu sein. Das gesamte Leistungspaket muss passen, dazu zählen auch Beratung und Service. Das wird zum Glück immer wichtiger. Die Zeit auf der Baustelle ist kostbar, deshalb muss alles just-in-time geliefert werden. Da hat ein heimisches Unternehmen, das im Land produziert, natürlich Vorteile. 

(+) plus: Lassen sich diese Dienstleis­tungen einpreisen oder handelt es sich um eine Commodity, die erwartet wird?

Prinzhorn: Das wird heute einfach erwartet. Aber wir können uns damit natürlich vom Mitbewerb differenzieren.

(+) plus: In Deutschland haben Konflikte zwischen Herstellern von organischen und anorganischen Dämmstoffen zur Auflösung des Gesamtverbandes Dämmstoffindus­trie GDI geführt. Wie funktioniert das Neben- und Miteinander in Österreich?

Prinzhorn: Das stimmt. In Deutschland haben die Stoffgruppenkämpfe zur Auflösung des GDI geführt. Jetzt soll ein neuer Verband »Effiziente Gebäudehülle« gegründet werden. Da sollen dann auch andere Branchen wie Fenster- und Putzhersteller mit dabei sein. Das ist aus meiner Sicht auch sinnvoll. Auch in Österreich versucht man jetzt die Gemeinschaft Dämmstoff Industrie GDI neu aufzustellen und andere Branchen mit an Bord zu holen, um ein starker Verband zu sein, der sich auch gegenüber der Politik Gehör verschaffen kann.
Diese Stoffgruppenkämpfe, wo ein Material gegen das andere ausgespielt wird, helfen auf Dauer keinem. Viel wichtiger ist es, als gesamte Branche die Vorteile der Dämmung zu kommunizieren und sich nicht in internen Grabenkämpfen zu verzetteln.

(+) plus: Sie sind seit Anfang des Jahres alleiniger Austrotherm Geschäftsführer. Was haben Sie sich mittel- und langfristig vorgenommen?

Prinzhorn: Mir geht es vor allem darum, die Marke Austrotherm als österreichisches Familienunternehmen weiter zu stärken, die Marktposition auszubauen und sich als verlässlicher Partner des Handels zu positionieren. Mein Ziel ist es, Austrotherm noch breiter aufzustellen, um der kompetente Dämmstoffpartner in Österreich zu sein. 

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