Tuesday, October 14, 2025

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Der Ausblick auf 2026/27 verspricht Stabilisierung, doch günstige Strompreise sind nicht in Sicht. Ein Expertinnen-Kommentar von Cornelia Daniel.

Bild: iStock

Der Blick in die Zukunft des Strommarktes ist für viele Unternehmen von zentraler Bedeutung, insbesondere für jene, die auf stabile und planbare Energiekosten angewiesen sind. Doch der Umgang mit dem Thema Stromeinkauf könnte unterschiedlicher kaum sein: Während einige Firmen hochprofessionell agieren und sich tiefgehend mit Marktmechanismen auseinandersetzen, lagern andere diese Aufgabe an Dienstleister aus. Wieder andere wissen kaum, wie viel sie überhaupt für ihren Strom bezahlen – was es erschwert, über Alternativen wie Photovoltaik zu sprechen. Denn ohne eine klare Vorstellung der aktuellen Kosten bleibt unklar, ob 5 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) für Solarstrom über die nächsten 30 Jahre günstig oder teuer sind.

Die zentrale Frage lautet daher: Was würde Strom kosten, wenn ein Unternehmen heute zu den aktuellen Preisen der European Energy Exchange (EEX) für das kommende Jahr einkaufen würde? Die aktuellen Futures für 2026 liegen (Stand 16. 9.) bei etwa 9,3 ct/kWh (Base) und 9,8 ct/kWh (Peak). Für 2027 bewegen sich die Preise rund 0,4 ct/kWh darunter. Rechnet man Netzgebühren, Abgaben und die Marge der Energieversorger hinzu, ergeben sich für große Industriekunden in niedrigeren Netzebenen planbare Gesamtpreise zwischen 12 und ­13 ­ct/kWh netto. Mittelgroße Betriebe zahlen dagegen häufig zwischen 16 und 20 ct/kWh auf Netzebene 7. Besonders interessant ist dabei die Rolle der eigenen Energieerzeugung. Gut geplante Photovoltaikprojekte können Strom oft zu Kosten von 5 ct/kWh oder weniger über 25 bis 30 Jahre bereitstellen. Damit wird Solarstrom zu einem stabilen Kostendeckel, der unabhängig von Marktschwankungen funktioniert. Da die Prognosen zeigen, dass die Marktpreise langfristig nicht unter 10 ct/kWh fallen werden, bleibt die Eigenproduktion eine attraktive Ergänzung jeder Einkaufsstrategie.

Die Terminpreise spiegeln die Erwartungen des Marktes wider: Gas- und CO₂-Kosten, den Ausbau erneuerbarer Energien, konjunkturelle Entwicklungen und Wetterrisiken. Während die Preise für 2026 und 2027 deutlich unter den Extremen der Energiekrise von 2022 liegen, bleiben sie weiterhin über dem Vorkrisenniveau, das für Industriekunden oft bei 4 bis 6 Cent pro kWh lag. Unternehmen können diese Terminpreise als verlässliche Basis für ihre Budgetierung nutzen, auch wenn sie keine Garantie für spätere Spotmarktpreise darstellen.

Profil entscheidend
Ein zentrales Konzept für den Einkauf ist der Unterschied zwischen Base- und Peak-Preisen. Base steht für die Grundlast – also ein konstantes 24/7-Lieferprodukt. Peak dagegen deckt die Zeiten hoher Nachfrage ab, werktags zwischen 8 und 20 Uhr, und ist daher teurer. Für Unternehmen mit gleichmäßigem Verbrauch, etwa in einem Dreischichtbetrieb, ist der Base-Preis entscheidend. Bei einem taglastigen Verbrauchsprofil, wie es bei Ein-Schicht-Betrieben üblich ist, gewinnt der Peak-Anteil an Bedeutung. Optimale Verträge berücksichtigen daher den individuellen Verbrauch und kombinieren Base- und Peak-Produkte, oft im Verhältnis von etwa 70 zu 30. Von den reinen Großhandelspreisen bis zum Endpreis auf der Rechnung ist es ein weiter Weg. Neben dem eigentlichen Energiepreis schlagen Risikokosten, Marge des Energieversorgers, Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben zu Buche.

Strategie gefragt
Der Ausblick auf 2026/27 verspricht zwar eine gewisse Stabilisierung, doch günstige Strompreise sind nicht in Sicht. Mehr Photovoltaik- und Windkapazitäten sorgen zwar für sinkende Durchschnittspreise und mehr günstige Stunden im Jahr, gleichzeitig bleiben Gaspreise und CO₂-Kosten über dem Vorkrisenniveau. In den Wintermonaten, besonders an wind- und sonnenarmen Abenden, kommt es daher weiterhin zu hohen Spitzenpreisen. Unternehmen sollten deshalb mit stabilen bis leicht sinkenden Durchschnittspreisen rechnen, gleichzeitig aber Strategien zur Flexibilisierung und Lastverschiebung entwickeln, um von günstigen Stunden profitieren zu können.

Eine effektive Einkaufsstrategie basiert auf einem durchdachten Produktdesign. Statt ausschließlich Base-Produkte zu kaufen, sollten Unternehmen ihr Lastprofil spiegeln und auch Quartals- oder Monatsprodukte einbeziehen, um saisonale Schwankungen zu berücksichtigen. Besonders sinnvoll ist der Einkauf in Tranchen. Statt auf den »perfekten Moment« zu warten, können 40 bis 60 Prozent des Bedarfs frühzeitig abgesichert werden, während der Rest schrittweise bis zum Jahresende hinzugekauft wird.

Zusätzlich lassen sich Energiekosten durch Maßnahmen jenseits des reinen Einkaufspreises senken. Ein gezieltes Lastmanagement kann die Benutzungsstunden erhöhen und gleichzeitig Lastspitzen reduzieren, was wiederum bessere Netztarife ermöglicht. Unternehmen können prüfen, ob eine atypische Netznutzung ihre Gebühren senkt, oder ob sich Prozesse und Speicherlösungen nutzen lassen, um Strom in besonders günstigen Stunden zu verbrauchen. Auch Power Purchase Agreements (PPAs) bieten eine interessante Möglichkeit, Stromkosten langfristig abzusichern und die CO₂-Bilanz zu verbessern.

Preissenke Eigenerzeugung
Besondere Bedeutung kommt der Photovoltaik zu. Sie ist kein bloßes »Add-on«, sondern ein strategisches Instrument zur Absicherung der Stromkosten. Jedes selbst erzeugte Kilowatt senkt nicht nur den Bedarf am teuren Markt, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von volatilen Preisen. Mit Speichern und Flexibilitätsmaßnahmen lässt sich der Eigenverbrauchsanteil weiter steigern. Während Marktpreise schwanken, bleibt der Preis des selbst erzeugten Solarstroms über Jahrzehnte stabil – ein klarer Vorteil für langfristige Planungssicherheit. Ein Beispiel verdeutlicht das Potenzial: Ein Unternehmen mit einem jährlichen Tagesverbrauch von 10 GWh installiert eine PV-Anlage mit 6 MWp Leistung. Bei einem Eigenverbrauch von 80 Prozent ersetzt es 4,8 GWh teuren Tagesbezugsstrom und spart damit jährlich im hohen sechsstelligen Bereich.

Die Jahre 2026 und 2027 bieten die Chance, stabile Rahmenbedingungen für den Stromeinkauf zu schaffen. Wer jetzt strukturiert vorgeht, kann den Einkauf seiner Energie mit kalkulierbarem Risiko bewerkstelligen. Besonders wichtig ist dabei die Kombination aus Tranchenbeschaffung, einem auf das Lastprofil abgestimmten Produktmix sowie auch die Integration eigener Erzeugung. Die letzte Chance für die Förderung von PV-Anlagen bis 1.000 kW ist von 8. bis 22. Oktober. Es kann sein, dass weitere Förder-Calls wie dieser nicht vor Mitte 2026 zu erwarten sind. Unternehmen sollten also jetzt zugreifen.

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Stromeinkauf: Strategien für die Zukunft – die drei wichtigsten Punkte

Marktpreisentwicklung. Die Strompreise werden bis 2027 stabil bleiben, aber nicht auf Vorkrisenniveau sinken. Durchschnittspreise bewegen sich für große Industriekunden zwischen 12 und 13 ct/kWh, für mittelgroße Betriebe zwischen 16 und 20 ct/kWh.

Einkaufsstrategie. Erfolgreiche Unternehmen setzen auf eine strukturierte Beschaffung mit Tranchen, individuell abgestimmten Base- und Peak-Produkten sowie klaren Preisformeln, um Risiken zu minimieren.

Photovoltaik als Kostendeckel. Eigenproduktion durch PV-Anlagen reduziert die Abhängigkeit vom Markt und sichert langfristig niedrige Stromgestehungskosten von etwa 5 ct/kWh – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Zukunft.

 

Über die Autorin

Tausendundeindach_Interspot-Film-GmbH_227.jpg

Cornelia Daniel begleitet Unternehmen bei der Umsetzung von PV-Projekten. Ihre Initiative Tausendundein Dach ist ein One-Stop-Shop von der Erstberatung bis zur schlüsselfertigen Inbetriebnahme. Hinter dem Projekt steht die Solarberatung Dachgold und der Photovoltaikspezialist 10hoch4.

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