Montag, Mai 20, 2024

Gerhard Hrebicek: ''Mehr Sicherheit für Stakeholder bei Bewertungen.''Zwei neue ÖNORMEN schaffen erstmals einheitliche Standards für immaterielle Unternehmenswerte. Vor allem kleinere Unternehmen dürften von dem Bewertungssystem für Marken und Patente profitieren.

Marken und Patente sind geistiges Kapital, das kaum in Zahlen zu fassen ist – umso schwieriger gestaltet sich die wirtschaftliche Verwertung. »Was man nicht messen kann, kann man nicht managen«, sagt Karl Grün, Leiter des Geschäftsbereichs Development im Austrian Standards Institute, dem früheren Österreichischen Normungsinstitut. Ob neuartiges Produkt oder ein bahnbrechendes technisches Verfahren, Marken und Patente sind mitunter Millionen wert. Diesen Wert messbar und nachvollziehbar festzulegen entpuppte sich bisher bei Unternehmensverkäufen oder Mergers als Problem. Aber auch kleinere Unternehmen sahen sich bisher bei Kreditansuchen damit konfrontiert, dass ihre Innovationen, aber auch Markennamen aus Sicht der Banken kaum Gewicht hatten.

Nach neunjähriger Vorarbeit stehen nun mit den ÖNORMEN A 6800 (Marken) und A 6801 (Patente) zwei Instrumente zur Verfügung, die erstmals die einheitliche Bewertung von Marken und Patenten ermöglichen. »Der Hokuspokus von unterschiedlichen Ansätzen ist jetzt vorbei«, resümiert Gerhard Hrebicek, Vorsitzender des Ausschusses »Marken- und Patentbewertung« bei Austrian Standards und Vorstand des European Brand Institutes.

Hohe Innovationskraft

Neu ist insbesondere der ganzheitliche Ansatz: In die Bewertung fließen rechtliche, finanzielle und marktspezifische Kriterien ein sowie bei Patenten technologische Aspekte und bei Marken verhaltenswissenschaftliche Aspekte. Unter Letzteren sei Marktforschung zu verstehen, so Grün. Allerdings soll eine Marktforschungsstudie nicht zwingend vorzulegen sein, um das Verfahren auch für KMU erschwinglich zu halten. Ein Bewertungsgutachten kostet zwischen 5.000 und 150.000 Euro und wird innerhalb von etwa sechs bis acht Wochen erstellt. Die beiden Normen sind zu jeweils ca. 100 Euro erhältlich.

Es handelt sich laut eigenen Angaben um die weltweit erste Klassifizierung dieser Art, weshalb die Entwickler durchaus Interesse auch jenseits der österreichischen Grenzen erwarten. Bisher war die Einführung einer europäischen Norm gescheitert. Die beiden österreichischen Normen wurden bewusst so formuliert, dass sie international anwendbar sind. »Mit diesen Normen wird ein Beitrag zu mehr Sicherheit für Finanzinstitutionen und sonstige Stakeholder geleistet, denn immaterielle Vermögenswerte sind als Besicherung für Kredite und Ratings besonders wertvoll«, meint Hrebicek.
Entgegen dem europäischen Trend steigt in Österreich die Zahl der Erfindungen stetig. 2009 wurden rund 3.500 Erfindungen (davon 2.500 Patente) und etwa 8.300 Marken bzw. Muster angemeldet. Die aktuellen Zahlen für 2010 werden erst im April veröffentlicht. Friedrich Rödler, Präsident des Österreichischen Patentamtes, ist aber positiv gestimmt: »Es wird nicht schlechter werden.« Obwohl die niedrigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung immer wieder bemängelt werden, sei die Innovationskraft der heimischen Wirtschaft durchaus hoch. »Immaterielle Vermögenswerte werden für Unternehmen immer wichtiger. Durch die ÖNORM-Standards können sie professionell und transparent dargestellt werden«, sagt Rödler. Vor allem in Hinblick auf die starke Konkurrenz aus dem asiatischen Raum müsse das europäische System zum Schutz geistigen Eigentums flexibler und kostengünstiger reagieren. »Patente und Marken sind kein Selbstzweck«, so Rödler, »sie müssen auch wirtschaftlich verwertet werden können.« Oder wie es Karl Grün ausdrückt: »Wer die Norm hat, hat den Markt.«

Meistgelesene BLOGS

Firmen | News
01. März 2024
Unter dem Motto „Mission Zukunft - Transformation der Wirtschafts- und Energiesysteme" veranstalten die Deutsche Handelskammer in Österreich in Kooperation mit Fraunhofer Austria Research das Deutsch-...
Firmen | News
14. März 2024
Bereits zum dritten Mal verleiht die auf Informationssicherheit spezialisierte Zertifizierungsinstanz CIS - Certification & Information Security Services GmbH die begehrte Personenauszeichnung „CI...
Nicole Mayer
26. Jänner 2024
Der Bewerb um die höchste staatliche Auszeichnung für Unternehmensqualität in Österreich ist eröffnet. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) sucht Quality Austria wieder...
Alfons A. Flatscher
26. Jänner 2024
Ganz oben auf der Agenda unserer Leser*innen steht: Neues schaffen! Wir haben gefragt, 150 Leser*innen haben uns qualifizierte Antworten geliefert. (Zum Artikel: Chancen überall, nicht erst ab 2025) D...
Katharina Bisset
07. Februar 2024
Ab 14. Februar 2024 müssen alle Pflichten des Digital Services Act von betroffenen Unternehmen umgesetzt werden – aber was bedeutet dies konkret? Der Umfang der Pflichten hängt davon ab, welche Dienst...
Firmen | News
25. März 2024
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel und Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen weltweit erkennen zunehmend die Bedeutung von KI für ihre Produktivität und W...
Alfons A. Flatscher
21. März 2024
 Mit KI-Technologien bleibt kein Stein auf dem anderen. Ganze Berufsstände, die sich bisher unangreifbar fühlten, geraten plötzlich in eine Krise. Legionen von Programmierern arbeiten gerade an d...
Mario Buchinger
22. Jänner 2024
In der Consulting- und Coaching-Branche gibt es sicher einige Leute, die kompetent Organisationen unterstützen können. Aber viele der Coaches und Consultants nützen meist nur sich selbst. Worauf Unter...

Log in or Sign up