Sonntag, Mai 19, 2024
Börsenblick 2018

Das hatte niemand zu hoffen gewagt: 2017 war letztlich ein überraschend gutes Jahr für Anleger. Aktien gewannen deutlich an Wert. Der ATX – seit der Finanzkrise immer mit ein wenig verhaltener Performance – glänzte mit einem Plus von rund 30 % als einer der weltweit besten Indizes. An vielen Börsen sorgten Neueinstiege für frischen Wind, seit 2007 gab es nicht mehr so viele Emissionen. Mit einem Volumen von zwei Milliarden Dollar lieferte die Bawag Group AG gar das weltweit achtgrößte IPO des Jahres. Ob es in diesem Tempo heuer weitergeht und was von dem Hype um Bitcoin & Co zu halten ist, hat Report(+)PLUS bei Österreichs Top-AnalystInnen nachgefragt.

1. Welche Faktoren sollten 2018 bei der Geldanlage berücksichtigt werden?
2. Wird sich die Outperformance der Wiener Börse fortsetzen?
3. Wie schätzen Sie die Zukunft der Kryptowährungen ein?

Plus: Mein persönlicher Anlagetipp


Friedrich Mostböck, Head of Group Research der Erste Group Bank AG

1. Infolge des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes bleiben risikoreichere Anlageklassen wie Aktien interessant, wenngleich die starke Performance vom letzten Jahr in 2018 moderater ausfallen wird. Europa (inkl. CEE) und viele Emerging Markets besitzen infolge der Bewertung und Konjunkturaussichten weiterhin gute Chancen. Geopolitische Risiken werden phasenweise zu höheren Volatilitäten führen. Auch Konjunkturaussichten könnten sich längerfristig wieder etwas abschwächen, weshalb eine Mischung aus zyklischen, aber auch defensiven (Dividenden-)Werten anzuraten wäre.

2. Aktien bleiben prinzipiell im aktuellen positiven Umfeld weiterhin attraktiv, Wirtschafts- und Gewinnwachstum sowie niedrige Zinsen unterstützen diesen Trend. Anziehende Handelsvolumina bestätigen ein verstärktes Interesse an der Wiener Börse. Die überproportional gute Entwicklung der Wirtschaft in Zentral- und Osteuropa und der Börse in 2017 werden im Jahr 2018 schwer zu übertreffen sein, dennoch lässt sich aus heutiger Sicht weiteres Kurspotenzial ausmachen, wenn auch deutlich moderater.

3. Mit den Kryptowährungen ist das so eine Sache. Sicher kann man im Nachhinein sagen, etwas versäumt zu haben. Eine wirkliche Fundamentalanalyse ist aber nicht möglich. Bei den meis-ten tritt ein »Währungsaspekt« in den Hintergrund, Spekulation über eine zukünftige Bedeutung scheint die treibende Kraft hinter der (letzten) Wert-entwicklung zu sein. Einige Technologien scheinen offensichtlich in Bezug auf Transaktionsvolumen, Transaktionsgeschwindigkeit und sehr hohen Energieverbrauch noch nicht ausgereift. Gerade unter dem letztgenannten Aspekt müssten eigentlich gerade Investoren der jüngeren Generation unter nachhaltigen Gesichtspunkten ein Investment ablehnen. Auch eine zukünftige Bedeutung und Verwendung erscheint offen. Die (beinahe täglich) steigende Zahl von sogenannten »Kyptowährungen« macht die Situation nicht übersichtlicher, weswegen wir von einer seriösen Empfehlung Abstand nehmen wollen.

Mein Tipp: STRABAG: weiterhin solide Konjunkturaussichten, führende Position in Österreich und Zentral- und Osteuropa, erfahrenes Management, anziehende Gewinne, attraktive Bewertung und Dividendenrendite über 3 %.


Herta Stockbauer, Vorstandsvorsitzende der BKS Bank AG

1. Grundsätzlich ist das globale wirtschaftliche Umfeld sehr freundlich. Die Bewertung des Aktienmarktes kann als durchaus fair bezeichnet werden. Der Markt ist nicht mehr billig, aber auch nicht teuer. Das spricht grundsätzlich für Aktieninvestments und Anlagebausteine mit erhöhtem Risiko. Dies aber nur unter der Voraussetzung einer dementsprechenden Risikobereitschaft der Kunden.  Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Schwankungsintensität im Jahr 2018 zunehmen wird. In einem gut diversifizierten Portfolio sollten solide nationale und internationale Aktien nicht fehlen. Bei Anleihen sollte man bei Staatsanleihen vorsichtig sein. Wenn die EZB ihr Ankaufprogramm beendet, ist mit steigenden Zinsen zu rechnen, was Kursverluste zur Folge hat. Auch hier gilt: Eine breite Streuung mit einer Beimischung von Unternehmensanleihen, Schwellenländeranleihen und Wandelanleihen erscheint aus heutiger Sicht sinnvoll.

2. Die Wertentwicklung der Wiener Börse von über 30 % im Jahr 2017 war wirklich sehr dynamisch. Ein solcher Anstieg ist für das Jahr 2018 eher nicht zu erwarten. Die Bewertungen sind aber immer noch vergleichsweise attraktiv. Wir sind für den Wiener Aktienmarkt weiterhin optimistisch.

3. Kryptowährungen sind keine Anlageklasse. Diese gehören nicht in unser Anlagespektrum. Die Kursentwicklung deutet auf eine spekulative Blase hin. Wir raten zur Vorsicht!

Mein Tipp: Man sollte in jedem Fall im Kapitalmarkt inves­tiert sein. Wer noch nicht investiert ist, kann das ja schrittweise tun. Wer schon inves­tiert ist, sollte auf eine gute Mischung achten. Eine gewisse Cash-Reserve ist immer sinnvoll, damit man bei Rücksetzern an der Börse güns­tig nachkaufen kann.


Erich Stadlberger, Leiter Private Banking & Asset Management der Oberbank AG

1. Wir gehen davon aus, dass mit konservativen Veranlagungen, insbesondere Spareinlagen und Anleihen mit sehr guten Bonitäten auch 2018 ein realer Geldwertverlust entstehen wird. Insofern ist die Ausgangslage ident mit dem Vorjahr. Wir halten damit eine Beimischung von Aktien nach wie vor für sinnvoll. Je nach Risikoappetit und Ertragsanspruch natürlich in unterschiedlichen Dosierungen.

2. Die Wiener Börse hat 2017 eine starke Entwicklung gezeigt. Wir sehen auch für 2018 gute Chancen, dass sich die Börse zumindest so gut entwickelt wie die europäischen Börsen insgesamt. Die Wirtschaftslage im Land und in den wesentlichen Exportmärkten unserer Konzerne ist sehr gut und wird Umsatz- und Gewinnsteigerungen ermöglichen.

3. Eine seriöse Einschätzung zur Entwicklung im Allgemeinen bzw. in Bezug auf die Kurse im Speziellen ist nach unserer Meinung nicht möglich. Die letzten Wochen zeigen, dass es sich vor allem um Spekulationsobjekte mit ­enormen Schwankungen handelt, damit sind die Kryptowährungen für uns kein geeignetes Anlagevehikel.

Mein Tipp: Beteiligungen an Unternehmen in unterschiedlichen Regionen und Branchen sind ein wichtiger Bestandteil der Anlagestrategie. Gemeinsam mit Unternehmensanleihen, Emerging-Markets-Anleihen und einer Beimischung von Gold und Rohstoffen entsteht ein breit diversifiziertes Portfolio, das es möglich macht, dem realen Geldwertverlust entgegen zu wirken. Der Anlagehorizont eines solchen Portfolios sollte aber mindestens fünf Jahre aufwärts sein.


Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin der UniCredit Bank Austria

1. Wir sind für 2018 vorsichtig optimistisch, was die Entwicklung an den internationalen Börsen betrifft. Viele positive Faktoren sind schon eingepreist, auch die Bewertung erscheint mancherorts ambitioniert. Wir sind daher bei Aktien neutral gewichtet, halten sie aber auf lange Sicht weiterhin für ein attraktives Anlagesegment, speziell auch im Vergleich zu anderen Anlageklassen. Sollte es zu Kursrückgängen an den Börsen kommen, hätten wir einen ausreichend hohen Barbestand, um die Aktienquote wieder zu erhöhen.  Da wir mit einem weiterhin freundlichen Konjunkturumfeld und daher mit leicht steigenden Renditen rechnen, gewichten wir Renten in Summe bzw. Euro Staatsanleihen unter. Bei Unternehmensanleihen gehen wir selektiv vor, da wir diese nur bedingt für attraktiv erachten. Äußerste Vorsicht lassen wir bei Hochzinsanleihen walten. Hingegen bieten globale inflationsindexierte Staatsanleihen im Zuge langsam anziehender Verbraucherpreise Opportunitäten. Auch Schwellenländeranleihen weisen langfris-tig Potenzial auf und bleiben übergewichtet, zeigen sich doch die Fundamentaldaten in vielen Fällen verbessert. Ein Barbestand als taktische Eingreifreserve und alternative Veranlagungen (u.a. Rohstoffe) runden das Portfolio ab.

2. Keine Angaben

3. Unserer Einschätzung nach sind diese eigentlich kein Thema für Privatanleger; es gibt keine Anhaltspunkte, wie sie zu bewerten wären, Risiko und Schwankungsanfälligkeit sind extrem hoch! Man könnte auch sagen, für den Privatanleger zu hoch.

Mein Tipp: Im Rahmen unserer Anlagestrategie sind wir bei Aktien derzeit neutral gewichtet, da wir viele positive Faktoren bereits für eingepreist erachten. Innerhalb des Aktien-Anteils haben wir allerdings eine Übergewichtung in europäischen Aktien. Die Konjunkturdaten sind nach wie vor äußerst robust: Die Einkaufsmanagerindizes befinden sich auf Rekordhöchstständen, und die Arbeitslosigkeit sinkt seit einiger Zeit stetig und kommt dem Vorkrisenniveau näher. Überdies sorgt die Geldpolitik der EZB vorerst noch für Unterstützung. Daher rechnen wir heuer mit einer soliden Performance der europäischen Aktienmärkte, obwohl man kurzfristige Rückschläge aufgrund der teilweise bereits hohen Bewertung nicht ausschließen darf.


Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International AG

1. Wir berücksichtigen, dass einerseits die Wirtschaft in de facto allen relevanten Regionen auf Hochtouren läuft und die Zinsen sich weiter auf sehr tiefen Niveaus befinden, nehmen andererseits aber auch zur Kenntnis, dass die Kapitalmärkte dies nunmehr schon zu einem guten Teil eingepreist haben. Auf den Anleihemärkten steigen die Renditen bereits tendenziell an. Das dürfte  sich 2018 im Lichte von Zinserhöhungen der US-Fed und Spekulationen über QE-Anpassungen der EZB weiter fortsetzen. Die Aktienmärkte werden trotz reichlich vorhandener Liquidität und gutem Gewinnmomentum nicht mehr in der gleichen Geschwindigkeit weiter steigen können wie 2017. Das bereits erhöhte Bewertungsniveau und die schrittweise Rücknahme der geldpolitischen Lockerung können im Jahresverlauf 2018 zu zunehmenden Kursschwankungen führen. Zwischenzeitig werden aber dennoch immer wieder auch Indexrekordstände erreicht werden.

2. Ja. In Anbetracht der guten wirtschaftlichen Verfassung nicht nur der westlichen, sondern nunmehr noch stärker der östlichen Nachbarn können Österreichs Unternehmen wieder an ihr historisches Ertragspotenzial anknüpfen. Die Bewertungen im ATX sind auch 2017 noch nicht aus dem Ruder gelaufen. Zumindest eine leichte Outperformance zu den Pendants im westlichen Ausland ist da noch drinnen.

3. Langfristig können private Kryptowährungen durchaus als »Nischenprodukt« – selbst nach denkbarer Einführung von Zentralbankkryptowährungen – weiter existieren. Was wir 2017 auf diesem Gebiet gesehen haben, war aber sicher mehr Hype als Investition oder Währung. Die zentrale Frage ist, ob und wann hier die Notenbanken das Steuer übernehmen.

Mein Tipp: Wir behalten Aktien weiter übergewichtet und setzen insbesondere auf Emerging Markets – Aktienmärkte, die im Durchschnitt noch nicht allzu hoch bewertet sind. Staatsanleihen sehen wir vorrangig als Diversifikationskomponente; der reale Ertrag wird hier auch 2018 überwiegend negativ sein. Für Gold sind wir auf den aktuellen Niveaus auf Jahressicht pessimistisch. Anleger werden weiterhin etwas Risiko nehmen müssen, um abzüglich der ohnehin moderaten Inflation realen Ertrag zu erwirtschaften.

 

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