Sonntag, Mai 05, 2024

Im Ranking der »Besten Arbeitgeber Österreichs« finden sich Jahr für Jahr nahezu dieselben Unternehmen. Was für die prämierten Betriebe schon lange selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur ist, findet das Gros der österreichischen Firmen offenbar nicht nachahmenswert.

Zugegeben: 2.000 Mitarbeiter zu kennen, ist fast unmöglich. Wim Roelandts, Vorstandsvorsitzender von Xilinx, einem der größten Halbleiterhersteller der USA, versucht es trotzdem. Über ein eigenes »Ask Wim«-Programm – der Chef besteht darauf, von allen mit Wim, nie als »Mr. Roelandts« angesprochen zu werden – kann jeder Mitarbeiter Fragen mailen. Und Wim antwortet. Einmal monatlich werden die aktuellen Fragen und Antworten veröffentlicht; zusätzlich schickt er regelmäßig »Wim’s Fireside Chats«, in denen die Mitarbeiter über allfällige Geschäftsneuigkeiten informiert oder ihnen auch Dank für ihren Einsatz ausgesprochen wird.
Zum Mittagessen lädt der ungewöhnliche Firmenboss immer zwölf Mitarbeiter an seinen Tisch ein – das er selbstverständlich in der normalen Betriebskantine einnimmt. Die während dieser »Wim’s Employees Lunches« diskutierten Probleme werden später an die anderen Mitarbeiter gemailt. Einmal jährlich übersiedelt er sein Büro in einen anderen Teil des Areals, um mit unterschiedlichen Leuten in Kontakt zu kommen und auf diese Weise annähernd alle Mitarbeiter kennen zu lernen.

Fünf Prinzipien
Was im großen Rahmen funktioniert, sollte auch im kleinen möglich sein – möchte man meinen. Dennoch sind unter »Österreichs Besten Arbeitgebern«, die das Great Place to Work-Institute jährlich prämiert, in schöner Regelmäßigkeit immer wieder dieselben Unternehmen unter den Top-Platzierten zu finden. Grundlage der Bewertung ist die ausführliche, anonyme Befragung von mehr 14.000 Mitarbeitern zum Führungsstil des Managements, zum Arbeitsklima, zur beruflichen Entwicklung, zur Wertschätzung der geleisteten Arbeit und zur allgemeinen Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz. Zusätzlich werden die Maßnahmen und Angebote im Personalbereich der teilnehmenden Unternehmen genau unter die Lupe genommen. Die Erhebung erfolgt in derzeit 40 Ländern weltweit nach einheitlichen qualitativen Bewertungsstandards. Jeweils die Siegerunternehmen qualifizieren sich automatisch für den Wettbewerb »Europas Beste Arbeitgeber«, an dem über 1.300 Unternehmen aus 17 Ländern teilnehmen.
Nach 20-jähriger Forschungstätigkeit kristallisieren sich für das Institut einige Parameter heraus, die einen »Great Place to Work« auszeichnen. Entscheidend für die Qualität der Arbeitsplätze sind die Beziehung zwischen Mitarbeitern und Management, zwischen den Mitarbeitern und ihrer Arbeit sowie dem Unternehmen und der Beziehung zwischen Mitarbeitern untereinander. Jede Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb des Betriebes sollte von den Prinzipien Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Teamorientierung geprägt sein – allesamt Werte, die ohnehin selbstverständlich sein sollten.

Besondere Bedürfnisse
In den preisgekrönten Unternehmen sind sie es auch. Und ebenfalls bezeichnend ist, dass sie diesen Umstand meist gar nicht an die große Glocke hängen wollen. »Wir wollten mit der Teilnahme nur eine Benchmark, um zu sehen, wo wir stehen«, sagt Christoph Winder, Personalmanager bei Haberkorn Ulmer, dem größten technischen Handelsunternehmen Österreichs. »Für uns ist eine wertschätzende Grundhaltung vorrangig. Unser Leitbild existiert aber nicht nur auf dem Papier. Der Vorstand kann nicht beschließen, ab morgen üben wir Offenheit, das muss vorgelebt werden.« Regelmäßige Mitarbeitergespräche, Weiterbildungsangebote, Kantinenessen seien nichts Besonderes; eine freiwillige Gewinnbeteiligung, die an die Mitarbeiter ausgezahlt wird, ist Winder eine knappe Erwähnung wert.
2006 wurde das Vorarlberger Unternehmen auf eine harte Probe gestellt, als Ha­berkorn und Ulmer zu einem gemeinsamen Konzern fusionierten. Nicht zuletzt wegen der guten Vertrauensbasis konnte der Merger während einer dreijährigen Integrationsphase erfolgreich über die Bühne gebracht werden. »Wir haben nicht gesagt, wir kaufen euch jetzt, sondern wir schaffen ein gemeinsames drittes Unternehmen«, erzählt Winder.  Mit 728 Mitarbeitern in Österreich belegte Haberkorn Ulmer bei »Great Place to Work«  in der Kategorie Großbetriebe (über 250 Mitarbeiter) den elften Platz, einen Sonderpreis erhielt das Unternehmen aber auch als »Bester Arbeitgeber für Menschen mit Behinderung«. 13 Mitarbeiter mit besonderen Bedürfnissen beschäftigt der Großhandel für technische Produkte und Schutzausrüstung. Hier bemüht sich das Unternehmen um individuelle Lösungen – teilweise können die Arbeitszeiten, je nach momentaner psychischer und physischer Verfassung der Mitarbeiter, flexibel gestaltet werden; in anderen Fällen kommt der betreuende Pflegeverein bei Bedarf während der Arbeitszeit und hilft Mitarbeitern mit Handicap diskret bei der Körperpflege.

Wertvolles Kapital
Für das oberösterreichische Unternehmen Trodat, Weltmarktführer in der Stempelproduktion, steht Kommunikation mit den Mitarbeitern im Mittelpunkt. »Die Mitarbeiter sind unser Kapital«, sagt Konzernsprecherin Alexandra Kutos. Auf Verantwortung, Weiterbildung und Förderung wird deshalb großer Wert gelegt. »Es ist gut, wenn man von den Mitarbeitern einen Spiegel vorgehalten bekommt«, meint Kutos. Trodat ist deshalb Veteran unter den »Great Place to Work«-Teilnehmern, mehrmals platzierte sich das Unternehmen unter den Top 100 der »Best Workplaces in Europe«. Gerade in Großbetrieben sei es wichtig, so Kutos, die Leitprinzipien in allen Führungsebenen mitzutragen und vorzuleben.  Laut »Great Place to Work«-Institute hat ein gutes Arbeitsklima aber auch direkte Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg eines Unternehmens. In jährlichen Vergleichen der Fortune-Magazine-Bestenliste (»100 Best Companies to Work for in America«) mit den größten Aktienindizes schnitten Firmen mit fortschrittlichen mitarbeiterorientierten Maßnahmen auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Ergebnisse durchwegs besser ab. Die Experten wundert das nicht: Eine hohe Arbeitsplatzqualität weckt die Motivation unter den Mitarbeitern, die Übertragung von Verantwortung fördert zusätzlich Stolz auf die eigene Leistung und das Unternehmen.
Für die 60 österreichischen Teilnehmer am Wettbewerb ist jedoch die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter vorrangig, denn eine starke Fluktuation beim Personal verursacht hohe Kosten und bremst die Produktivität und den Arbeitsfluss. Zudem sind vor allem gut qualifizierte Facharbeiter derzeit rar – fähige Leute sollten deshalb mit positiven Anreizen im Unternehmen gehalten werden. Eine faire, teamorientierte Führungskultur kann allerdings nicht über Nacht Einzug halten, vor allem wenn das Unternehmen bisher streng hierarchisch strukturiert war. Von oben verordnete Prinzipien fruchten kaum, wenn diese nicht von der Geschäftsleitung ebenfalls beherzigt werden.

Chancengleichheit
Der wichtige Stellenwert der Kommunikation spricht für sich, sind doch unter den prämierten Firmen auffallend viele IT-Unternehmen zu finden. In der Kategorie »50 bis 250 Mitarbeiter« gewann der Netzwerkspezialist Cisco; aber auch Microsoft, Hewlett-Packard, T-Systems, mobilkom Austria und TechData machten ihrem Kerngeschäft, der Kommunikation, alle Ehre. Bei den Österreich-Ablegern diverser US-Konzerne fällt zudem auf, dass die amerikanische Unternehmenskultur gegenüber so manchen europäischen Unsitten die Nase vorn hat. Während etwa Frauen in rein österreichischen Unternehmen noch immer kaum in Führungspositionen zu finden sind, ist Chancengleichheit in internationalen Konzernen meist schon selbstverständlich.
Microsoft Österreich etwa entwickelte ein eigenes Diversity-Programm und wurde damit, neben dem vierten Platz in der Kategorie Großbetriebe, wieder zum »Besten Arbeitgeber für Frauen« gekürt. »Die erneute Prämierung ist uns Ansporn, diese Bemühungen weiter auszubauen«, sagte Petra Jenner, neue Geschäftsführerin von Microsoft Österreich. Neben eigenen Woman-Mentorings und Coachings für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden beispielsweise auch moderierte Diskussionsrunden zum Thema Diversity statt, um das Bewusstsein hinsichtlich der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu schärfen. Rollenbilder sollen dabei hinterfragt, mögliche Karrierehürden aus dem Weg geräumt werden. Einmal pro Quartal trifft sich das »Diversity-Board«, bestehend aus der Geschäftsleitung und dem Human Resources-Bereich, um die Aktivitäten und Maßnahmen zu optimieren.
In regelmäßigen »Stay-Connected-Breakfasts« werden karenzierte Mütter und Väter informell auf dem Laufenden gehalten, um den späteren Wiedereinstieg zu erleichtern. Alle technischen Geräte und Zugänge stehen auch karenzierten MitarbeiterInnen zur Verfügung, diese sind somit weiterhin im Unternehmen integriert. Flexible Arbeitszeitmodelle unterstützen die Work-Life-Balance, auch Job Sharing oder Arbeit von zuhause aus sind möglich.
Mit kreativen Projekten zum Wiener Töchtertag, an dem Schülerinnen in IT-Berufe hineinschnuppern können, versucht Microsoft bereits die nächste Generation für technische Berufe zu gewinnen. Bei dem Software-Riesen hätten sie beste Zukunfts­chancen und einen begehrten Arbeitsplatz gleichzeitig: 2008 wurde Microsoft zum »Besten Arbeitgeber Europas« gekürt.

Österreichs beste Arbeitgeber 2009

Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern:
1.     Trodat
2.     Worthington Cylinders
3.     Danube Hotel-Betriebsgesellschaft/Hotel Intercontinental
4.     Microsoft Österreich
5.     Basler Versicherungen
6.     Hewlett-Packard
7.     Philips Austria
8.     Magna Powertrain
9.     Eduscho
10.      Mars Austria


Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitern:
1.     Cisco Systems
2.     Ford Motor Company
3.     Mundipharma
4.     Sparkasse Bregenz
5.     Skandia Austria
6.     USG People Austria
7.     Danone
8.     Natürlich fühlen
9.     Tech Data Österreich
10.      die berater

Sonderpreise:
Bester Arbeitgeber für Frauen: Microsoft
Bester Arbeitgeber für Lehrlinge: Philips
Bester Arbeitgeber für ältere Mitarbeiter: s Bausparkasse
Bester Arbeitgeber für Menschen mit Behinderung: Haberkorn Ulmer
 

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