Freitag, Mai 03, 2024
Die arrogante Nummer der »Projektmacher« wird schwieriger. Den Scherbenhaufen unzähliger der selbst zugeflüsterten Projekte bei einer Vielzahl an Companies wieder zu kitten - das verlangt schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein. Consulting ist also im Umbruch. Bereitschaft zur Risikoteilung und wirkliche Expertise - stimmt schon, eigentlich die basics dieser Gilde - werden zu überlebenskriterien. Konkrete Ansagen werden nicht gemacht, Diskretion wird vorgespielt und die Konkurrenz sorgsam belauscht.

Für manche zu spät: Einzige Rettung vor dem Konkurs ist nur noch der geschwinde Verkauf. A. D. Little hat seine sieben Geschäftsbereiche um 96 Millionen Dollar entsorgt. Andersen steht ebenso in Verkaufsverhandlungen, um in anderen Beratungsunternehmen aufzugehen. Der Andersen-Mantel, unter dem sich die für das Enron-Debakel zuständige Wirtschaftsprüfung sowie Steuerberatung und Consulting verbergen, scheint vor allem für die restlichen »Top Five« der Beratungsbranche lukrativ zu sein. Die 20 Köpfe zählende Mannschaft von Arthur Andersen Business Consulting, die zwar nur als Franchisenehmer mit Andersen in den USA verbunden ist, wird mit »eigenem neuem«, dem bisherigen Namen oder vielleicht doch unter die Haube eines der verbliebenen Großen der »Big Five« kommen, wie Geschäftsführer Christoph Feuchtinger bestätigt. »Business as usual«, mit ein wenig Erklärungsbedarf beim Kunden, wie es denn weiter gehe, sei derzeit angesagt. Weltweit wird bei Andersen nun länderweise zerstückelt, was nicht mehr zusammengehören soll. Gustostückerl werden heraus gebrochen und an den Meistbieter verscherbelt. Aus Big Five wird somit »Fat Four« mit Price Waterhouse Coopers, KPMG, Deloitte und Cap Gemini Ernst & Young.

Keine Anzeichen für echten Umschwung. A.D. Little hat seinen Verkauf an fünf neue Eigentümer hinter sich. Die IT- und Telekom-Sparte geht dabei zum französischen Technologiekonzern Altrans und erhält dadurch wertvolles Software- und Implementierungs-Knowhow. »Mitte 2003 wird es in der IT- und Telco-Branche wieder aufwärts gehen«, sagt Georg Serentschy, ADL-Chef in österreich. Noch gebe es keine Anzeichen für einen »echten« Umschwung im heurigen Jahr. Zu bedenken gibt er jedenfalls: »Abgestraft wurde pauschal eine gesamte Branche, auch Firmen, die ordentlich wirtschaften.«

Kosteneinsparung wird groß geschrieben, Investitionen seien vielfach auf Eis gelegt. Den Turnaround wollen die IT-Consulter indes mit probaten, bereits erprobten Patentrezepten schaffen, die bisher immer Wirkung erzielten: Reorganisation, Konsolidierung bestehender Systeme, Integration sowie Outsourcing sind die Themen, die künftig als IT-Dienstleistung den Großteil der Beraterhonorare ausmachen werden. »Nicht nur Consulter, sondern auch Dienstleister sind wir«, hält Wolfgang Gattermayer die Fahne für Accenture in österreich hoch. Das 1989 aus dem Andersen-Konglomerat entstandene und börsenotierte Unternehmen rangiert mit 75.000 Mitarbeitern in 47 Ländern hinter IBM auf dem zweiten Platz. Die Mischkulanz aus Dienstleister mit Rechenzentrum sowie Beratung, das Strategie und Umsetzung am Reißbrett entwirft und implementiert, soll auch weiterhin das große Geschäft bringen. Bedarf an IT-Beratung gibt es immer noch genug, so in der Telekomindustrie, im Gesundheitswesen, bei Gas- und Stromversorgern, in der Biotechnologie sowie in der Goldgrube der Beratung: im öffentlichen Bereich, der permanenten Bedarf an Reorganisation und Erweiterung der IT zu haben scheint. Accenture-Consulter Helmut Byloff sieht in der Telekombranche und dem Medienbusiness großen Beratungsbedarf, nicht zuletzt aufgrund der stärker werdenden Verknüpfung beider Branchen. Speziallösungen, die schnell umgesetzt werden müssen, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, zählen auch künftig zu den Beratungsschwerpunkten bei Mobilfunkanbietern.

Reorganisation alle fünf Jahre. Selbst Unternehmen, die in den vergangnen fünf bis zehn Jahren reorganisiert wurden, sollen bereits wieder reif sein für eine erneute Umstrukturierung. »Fünf Jahre sind nicht viel, weil sich die Marktbedingungen beträchtlich geändert haben«, erklärt Peter Lackner, Geschäftsführer von Cap Gemini Ernst & Young (CGEY). Das Internet habe die Bedingungen so stark verändert, dass gerade Telekoms, Banken und Versicherungen sowie der öffentliche Bereich weitere Marktanpassungen vornehmen müssen. »Profite schützen, Umsätze halten« - so die derzeitige Devise. Nicht mehr das »nice-to-have«, vielmehr Konsolidierung und Optimierung in der Organisation und IT mit dem Ziel der Kostensenkung sollen die Effizienz verbessern, glaubt Peter Sturz, Geschäftsführer bei CSC Ploenzke. Wesentlicher Grund dafür, dass bereits nach wenigen Jahren erneute Reorganisationen anstünden, seien die »Vielzahl an Baustellen«, die mit dem Internethype eröffnet, aber nie zu Ende abgewickelt wurden. Firmen hätten häufig kein Gesamtkonzept in der IT verfolgt. Supply Chain Management und CRM, eingebettet in eine E-Business-Strategie, zählt Sturz zu den derzeitigen Top-IT-Themen. Weiterhin ist auch die Integration von Unternehmenssoftware wie SAP ein Thema, ist zudem Plaut-Sprecher Herbert Brauneis überzeugt. Viele Firmen hätten zwar bereits eine ERP-Software, die Anbindung an Lieferanten oder Kunden sei aber noch nicht vollzogen. Geteiltes Leid, doppeltes Leid. Nicht mehr so ungeschoren wie in den vergangenen Jahren werden Berater künftig davon kommen, wenn Projekte schief laufen, Projektlaufzeiten ausgedehnt werden oder Beratungsfehler unterlaufen. »Beim Reden sind Consulter ja nicht mehr zu stoppen, schon deswegen, weil sie ja nach Stunden abrechnen und knallhart abkassieren«, kritisiert ein Treuhänder eines der Top Five-Unternehmen die Beraterszene. Erst wenn man sie unterbrechen würde, hörten sie auf zu reden. Und dennoch werde »munter« weiterverrechnet. Seriöse Beratung hieße, auch einmal dem Kunden zu sagen, dass bestimmte Vorstellungen nicht umzusetzen sind oder auch keinen Sinn ergeben. Kolportierte Einsparungen von bis zu 30 Prozent hätten sich in vielen Fällen auch als Rohrkrepierer erwiesen und weitere, zusätzliche Kosten generiert.

Consulting auch für KMU. »Einfach Papier abzuliefern und schon vor der Umsetzung zu verschwinden genügt nicht mehr«, schießt Marcel Greutmann, Leiter von IBM Global Services österreich, Richtung Berater. Eine Rundumbetreuung mit Risikoübernahme sei mehr denn je gefragt. Big Blue, das seit 1992 auf die Dienstleistungsschiene setzt, will künftig auch mit IT-Versorgung aus dem Netz in Form von Outsourcing und Outtasking punkten. Bei Letzterem werden nur die Ausgliederung einzelner Teile der IT angeboten, was insbesondere für KMUs angeboten werden soll. Gefertigt in den IBM-Werkstätten sollen künftig auch für KMUs Buchhaltungssoftware, Hosting des Webauftritts oder E-Business-Anwendungen leistbar werden. Dass der Wettbewerb schärfer wird, der Kunde auch seine Ansprüche erhöht, bestätigen die Berater unisono. Zuwachsraten von 30 Prozent und mehr dürften in der klassischen Beratung oder bei der klassischen IT-Beratung vorerst Vergangenheit sein. Die internationale Forschungsgruppe IDC prognostiziert in seiner neuesten Studie von Mai 2002 in den beiden Bereichen ein Wachstum von elf bzw. neun Prozent bis 2006.

Allerdings unter geänderten Rahmenbedingungen. Einerseits zieht es die IT-Hersteller, neben IBM auch die neue Hewlett-Packard oder Dell in Kooperation mit Unisys, ins Beratungsgeschäft, um neben Hardware und EDV-Lösungen auch die klassische Beratung anzubieten, die bisher in erster Linie nur von Consultingfirmen angeboten wurde. Andererseits ist der Ruf der Kunden nach Risikobeteiligung und Erfolgsgarantie unüberhörbar.

Risk-sharing. »Der Kunde verlangt nach Risikobeteiligung«, sagt CGEY-Chef Lackner. Vorbei die Zeit, in der Berater mit schnellen Konzepten glänzen konnten. In Form eines Joint Ventures, einer Risikobeteiligung bei einem Projekt oder auch der Komplettübernahme des Risikos, indem der IT-Dienstleister für den Erfolg eines Projektes haftet, wolle man auch künftig den Anforderungen Rechnung tragen. »Wir können Ergebnisgarantien übernehmen«, sagt Accenture-Chef Gattermayer. Was nicht zur Kernkompetenz gehöre, wie etwa Supply Chain Management, Rechnungswesen oder Human Resources, wollen die Consulter auch als Outsourcer künftig übernehmen. Was allerdings auch seinen Preis haben wird. Mit langfristigen Vertragslaufzeiten sollen diese Zweck-Ehen abgesichert werden.

Eine schrittweise Annäherung der beiden Parteien sei unvermeidlich. »übernehmen wir das Risiko, so wollen wir auch mehr bestimmen können«, sagt Lackner. Mittlere und kleinere Consulter hätten in Zukunft nur noch Chancen im Nischenbereich oder als klassischer Strategieconsulter.

Juniors im Out. Gravierende änderungen wird es künftig auch in der Zusammensetzung der Beratungsteams geben. Vorbei scheint die Zeit, in der Consulterteams etwa mit einem Senior und drei Junior Consultants, die frisch von der Universität Unternehmen auf Vordermann bringen sollten, ausströmten und nach Schema F Beratungskonzepte für teures Geld abspulten. »Mehrjährige Branchenerfahrung ist Voraussetzung, um in der Beratung tätig zu werden«, sagt Josef Matulka, Leiter Financial Services bei CGEY. Junge Leute direkt von der Universität ran zu holen sei schwierig, insbesondere für die Beratung bei Banken. Entwicklung des Expertentums in den Unternehmen selbst lautet die Devise. Zentrale Aufgabe des Beraters sei daher jene geworden, die Mitarbeiter in die Lage zu bringen, interne Projektteams selbst - und somit kostengünstiger - weiter zu schulen.

Der Wanderzirkus. ältere Mitarbeiter werden - weil zu teuer geworden - zu den Opfern der Reorganisationen zählen. Vorruhestand oder Arbeitslosigkeit ist die Folge, meint ein Consulter. Chancen bestünden in »neuen« Branchen wie der Gaswirtschaft oder Biotechnologie, wo es einen Bedarf an IT-Experten gibt. Laut CGEY sollen allein im deutschsprachigen Raum im Bereich der Biotechnologie rund 700 IT-Experten benötigt werden, um in den kommenden zwei Jahren das hohe Wachstum halten zu können. Vor allzu großen Erwartungen warnt IBM-Service-Chef Greutmann, der keinen Mangel mehr an IT-Fachkräften sieht: »Die Nachfrage nach Fachkräften ist noch immer gegeben.« Auf eine Bewerbung kommen derzeit 15 bis 20 Bewerber...

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