Montag, April 29, 2024
Von Kreativen und Piraten
Patente schützen neue technische Lösungen, die auf einer erfinderischen Leistung beruhen. (Fotocredit: iStock)

Erfinden ist schwierig, kopieren ist leicht. Deshalb braucht es den Schutz durch Patente. Sie sichern geistiges Eigentum und verteidigen den Vorsprung. 

Text: Angela Heissenberger

Das Technologieunternehmen AVL ist Österreichs Innovationsführer Nr. 1. Mit 189 angemeldeten Erfindungen führte das Unternehmen 2022 erneut das Ranking des Österreichischen Patentamts mit deutlichem Vorsprung an. Der Spezialist für Mobilitätslösungen ist bestrebt, sein Portfolio in Richtung neuer Antriebssysteme und Energieträger stetig zu erweitern. »Die große Stärke von AVL war schon immer, ihrer Zeit einen Schritt voraus zu sein. So haben wir uns schon vor mehr als 20 Jahren mit der Entwicklung des E-Antriebes beschäftigt«, erzählte Gründer und CEO Helmut List anlässlich des 75-jährigen Firmenjubiläums im Oktober. Die herausragende globale Marktposition ist auch der anhaltenden Investitionstätigkeit geschuldet: Elf Prozent des Jahresumsatzes fließen in Forschung und Entwicklung.

Doch Erfinden allein reicht nicht. Schon frühzeitig im Entwicklungsprozess sollte ein Unternehmen prüfen, ob der geplanten technischen Lösung etwaige bestehende Patente im Wege stehen. Nur Erfindungen, die tatsächlich neu sind – also nicht dem gegenwärtigen Stand der Technik entsprechen – können patentiert werden. Andernfalls muss das Unternehmen Lizenzen für die Nutzung erwerben oder ein anderes Verfahren bzw. Produkt entwickeln.


Zum Glossar: Patent, Gebrauchsmuster, Marke - für was gilt was?


»Eine Patentanmeldung muss unbedingt bereits zu einem Zeitpunkt eingereicht werden, bevor die Erfindung an die Öffentlichkeit gelangt. Man kann also nicht Testverkäufe machen, auf Messen ausstellen oder schauen, wie sich die Erfindung am Markt entwickelt«, erklärt Andreas Wildhack von der Kanzlei Wildhack & Jellinek Patentanwälte. »Ob sich der Aufwand lohnt, ist schlussendlich eine Kosten-Nutzen-Rechnung, das heißt man muss die nicht unerheblichen Kosten für das Patent in Relation zu den potenziellen Gewinnen des Produkts setzen – dies zu einem sehr frühen Zeitpunkt, zu dem das Produkt noch gar nicht auf dem Markt ist.«

Patentanwalt Andreas Wildhack rät Unternehmen vor der Patentanmeldung zu einer Kosten-Nutzen-Rechnung. (Foto: Wildhack & Jellinek Patentanwälte)


Grundsätzlich ist das Patentsystem national gestaltet. Unternehmer*innen müssen sich also überlegen, in welchen Ländern der Patentschutz sinnvoll ist und diesen dort beantragen. Um es kostengünstiger zu machen, gibt es zentralisierte Anmeldungs-, Prüfungs- und Erteilungsverfahren. »Dennoch ist das Erwerben von Patenten in mehreren Ländern ein recht kostspieliges Projekt«, meint Patentanwalt Wildhack. Seit Juni 2023 ist das Europäische Einheitspatent verfügbar. Mit nur einer Anmeldung, einer Gebühr, einer Übersetzung beim Europäischen Patentamt können Unternehmen den Schutz in 17 Mitgliedsstaaten der EU erlangen. Wird das Patent in Österreich angemeldet, hilft das Österreichische Patentamt zudem mit einer kostenlosen Recherche, die Zeit und Geld spart. 


Der Weg zum Patent

  1. Unterlagen: Die Erfindung darf zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht veröffentlicht sein und muss auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Dem Antrag sind unter anderem eine genaue Beschreibung und etwaige Abbildungen anzuschließen. Die Anmeldung ist online, per Post oder persönlicher Abgabe im Patentamt möglich.

  2. Verfahrensablauf: Das Patentamt prüft die Anmeldung und die Erfindung. Werden Mängel trotz Aufforderung nicht behoben oder ist die Erfindung aus anderen Gründen nicht patentierbar, wird die Anmeldung zurückgewiesen. Der Patentschutz beginnt mit der Registrierung des Patents und der Veröffentlichung im Patentblatt. 

  3. Kosten: Die Kosten für eine Patentanmeldung inklusive Erteilung und Veröffentlichung betragen mindestens 550 Euro. Innerhalb von etwa zwei Wochen erhalten Anmelder*innen einen Zahlschein mit ihrem Aktenzeichen. Für die Aufrechterhaltung des Patents muss ab dem sechsten Jahr eine Jahresgebühr bezahlt werden, die von 104 Euro bis 1.775 Euro im 20. und damit letzten Jahr steigt.

Was empfiehlt der Profi? Zum Interview mit Stefan Harasek,Präsident des Österreichischen Patentamts: »Erst zum Patentamt, dann an die Öffentlichkeit!«


Schutz vor Plagiaten

Für Unternehmen, die viel Zeit und Geld, mitunter Millionenbeträge, in F&E-Aktivitäten stecken, bedeuten Patente einen wichtigen Schutz ihres geistigen Eigentums. Branchenmessen gelten geradezu als Tummelplatz für mögliche Nachahmer von Marken und Produkten. Obwohl es gerade im Ausland schwierig und langwierig ist, gegen Plagiate und Fälschungen juristisch vorzugehen, bietet das Patentrecht doch einen grundlegenden Schutz.

Auch der Leiterplattenhersteller AT&S sichert seine Innovationen ab. Rund 1.400 aktive Patente hält das Unternehmen derzeit, aufgegliedert in etwa 500 Patentfamilien. Das ist für einen Technologieanbieter eine Notwendigkeit, um Betriebsgeheimnisse zu schützen. Aus gutem Grund: In den 2000er-Jahren hatte das Unternehmen eine neue Generation von Leiterplatten in Mobiltelefonen entwickelt – ein mitwirkendes Forschungsinstitut meldete diese Idee schließlich selbst zum Patent an. Künftig will man bei AT&S aus Erfindungen auch finanziellen Profit generieren, indem Prozesstechnologien, etwa zur Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe, im Rahmen von Lizenzvergaben auch anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.

Der Negativpreis »Plagiarius« stellt besonders dreiste Plagiate und Fälschungen an den Pranger. Auch das Fahrzeugdiagnosesystem »Xentry Diagnosis« von Mercedes-Benz wurde gefälscht – links das Original, rechts das Plagiat. (Foto: Foto: Aktion Plagiarius e.V.j)


Für Start-ups hängt der wirtschaftliche Erfolg maßgeblich von bereits vorhandenen Patent- und Markenrechten ab. Einer Studie des Europäischen Patentamts zufolge haben junge Unternehmen zehnmal so große Chancen bei der Kapitalbeschaffung, wenn sie über entsprechende Schutzrechte verfügen. Das gilt besonders für forschungsintensive Bereiche wie Biotechnologie, heißt es in der Analyse: »Die Entwicklung bahnbrechender Technologien erfordert oftmals hohe Investitionen und lange Vorlaufzeiten – so können die Unternehmen Patente und Marken nutzen, um ›geduldige‹ Investoren anzuziehen.« Stefan Harasek, Präsident des Österreichischen Patentamts, rät zur Vorsicht, etwa vor einem Pitch: »Wenn Sie die technischen Details einer Erfindung verraten, ist womöglich auch der Patentschutz verspielt. Mit einer provisorischen Patentanmeldung gehen Sie auf Nummer sicher.«

Das Grazer Start-up Enzyan Biocatalysis holte sich bei der Erstellung des Patentantrags Unterstützung vom Austria Wirtschaftsservice (aws). »Der Antragsprozess war sehr herausfordernd, aber das ist gut. So werden wirklich nur Projekte gefördert, die auch gut evaluierbar sind«, erklärt Firmengründer Stefan Payer. Er entwickelte ein Verfahren, das mithilfe von Enzymen die Herstellung von Molekülen für die chemische und pharmazeutische Industrie deutlich vereinfacht. Die Biokatalyse funktioniert bei niedrigeren Temperaturen und verursacht weniger Abfall – ein wichtiger Schritt für energieintensive Industriezweige auf dem Weg zur Klimaneutralität. 

Geringer Frauenanteil

Obwohl die österreichischen Unternehmen mit ihren Erfindungen international in den Bereichen KI, 3D-Druck und Robotik reüssieren, gibt es einen Wermutstropfen: In keinem anderen europäischen Land ist der Frauenanteil bei Patenten so gering wie in Österreich. Mit nur acht Prozent liegen die heimischen Erfinderinnen deutlich abgeschlagen hinter Leader Lettland (30,6 Prozent), der EU-Schnitt bei Patentanmeldungen von Frauen beträgt 13 Prozent.

Frauenanteil bei Erfindungen in Europa

(Quelle: Österreichisches Patentamt)


Die Ursachen dafür sind vielfältig. Zum einen sind Frauen gerade in technischen Branchen stark unterrepräsentiert, zum anderen machen sie ihre Erfindungen eher in einem universitären Umfeld und reichen Patente im Team ein, meint Raphaela Tiefenbacher, Leiterin der Stabsstelle für Strategie im Österreichischen Patentamt. Mit einem Mentorinnenprogramm will sie für mehr Chancengleichheit sorgen: »Die Förderung von Frauen im Bereich geistiges Eigentum ist nicht nur eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch eine Investition in die Wirtschaft und Innovationskraft Österreichs.« 


Mehr zum Thema: Die Verpackungsindustrie ist - dank Nachhaltigkeitsbestrebungen - eine innovative Branche. Report (+) stellt drei neue Verfahren aus Österreich vor, die für weniger Müll und mehr Kreislaufwirtschaft sorgen: Zukunftsfähig verpackt


Glossar: Gut Geschützt

Patente schützen neue technische Lösungen, die auf einer erfinderischen Leistung beruhen und gewerblich anwendbar sind. Um eine Erfindung als Patent zu schützen, muss eine Patentanmeldung beim Österreichischen Patentamt (ÖPA) durchgeführt werden. Die Schutzdauer eines Patentes beträgt maximal 20 Jahre ab dem Anmeldetag.

Gebrauchsmuster sind neben dem Patent die zweite Möglichkeit, für eine technische Erfindung Schutz zu erhalten. Der Unterschied besteht darin, dass jede formal einwandfreie Anmeldung registriert wird, ohne dass die Erfindung neu sein muss, solange sie nicht länger als sechs Monate vor der Anmeldung veröffentlicht wurde. Das hat den Vorteil, dass das Verfahren kürzer ist und sich Erfinder*innen rasch gegen Nachahmung schützen können.

Marken sind Unternehmenskennzeichen, die helfen, Waren oder Dienstleistungen voneinander zu unterscheiden. Sie ermöglichen den Konsument*innen zu erkennen, aus welcher Quelle das Angebot stammt. Um ihre Marke zu schützen, müssen Unternehmen diese beim Patentamt anmelden und in das Markenregister eintragen lassen. Das Markenrecht endet nach zehn Jahren und kann unbegrenzt immer für weitere zehn Jahre verlängert werden.

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