Montag, April 29, 2024
Führungskräfte in der Bredouille
Foto: Thinkstock

Psychisch belastete Mitarbeiter sind für Führungskräfte eine große Herausforderung. Wegschauen ist meist die schlechteste Lösung, wenn Anzeichen dafür sprechen, dass ein Mitarbeiter überlastet oder psychisch erkrankt ist. Dann sollten Führungskräfte sich ein Herz fassen und aktiv werden.

Wenn ein und derselbe Mitarbeiter immer wieder krank ist, wenn er unkonzentriert oder gereizt wirkt, stellen sich für Führungskräfte zahlreiche Fragen. Hat er einfach keine Lust zu arbeiten? Belastet ihn etwas? Soll oder muss ich ihn darauf ansprechen? Doch was dann tun? Denn ihm zu nahe treten und sich eventuell sogar in sein Privatleben einmischen, das will man als Führungskraft nicht. Also vielleicht doch besser, über das Beobachtete hinwegsehen und nichts tun? Vielleicht verschlimmert sich die Situation ja sogar noch, wenn man sie anspricht?

Diese Fragen zu beantworten, ist für Führungskräfte nicht leicht. Denn ihre Wahrnehmung ist stets subjektiv. Was für den einen normal ist, ist für den anderen auffällig. Verändert sich das Verhalten eines Mitarbeiters merk- und spürbar, kann eine psychische Belastung der Person die Ursache hierfür sein. Doch genau solche Themen anzusprechen, ruft bei den meisten Führungskräften (aber auch Mitarbeitern) eine große Unsicherheit hervor.

Immer noch tabu

Viele Studien belegen die Zunahme der psychischen Belastungen und Erkrankungen von Mitarbeitern – auch aufgrund des gestiegenen Stresses in vielen Unternehmen, doch nicht nur. Und die Führungskräfte? Sie sehen sich mit einer steigenden Zahl von Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen konfrontiert. Trotzdem ist das Thema im Betriebsalltag vieler Unternehmen noch weitgehend tabuisiert. 

Belastungen erkennen

Es ist die Aufgabe einer Führungskraft, dauerhafte Verhaltens- und Einstellungsveränderungen – sofern diese für die Arbeit relevant sind – bei Mitarbeitern zu erkennen. Das setzt voraus, dass sie in einem regelmäßigen Kontakt mit den Mitarbeitern stehen. Anhaltende Veränderungen bei einem Mitarbeiter sollten Anlass sein, genauer hinzuschauen.
Diese Veränderungen können sich auf unterschiedliche Arten zeigen: Die Fehlzeiten steigen, die Mitarbeiter reagieren schnell gereizt oder wirken ausgelaugt, Alltagsaufgaben dauern deutlich länger, es passieren Konzentrations- und Leichtsinnsfehler oder die Mitarbeiter ziehen sich sozial zurück.

Aktiv werden statt wegschauen

Wenn Führungskräfte solche Veränderungen bei einem Mitarbeiter feststellen, geht es nicht darum, eine medizinische oder psychologische Diagnose zu stellen. Es ist jedoch Aufgabe der Führungskraft, die Situation nicht zu ignorieren, sondern anzusprechen.

Die nachvollziehbare Sorge, dass es hierdurch noch schlimmer werden könnte, ist meist unbegründet – sofern hinter Ihrem Ansprechen des Themas auch ein echtes persönliches Interesse  am Wohlbefinden der Person steckt. Dann erlebt der Betroffene das Aktivwerden als Ausdruck persönlicher Wertschätzung und Angebot einer Unterstützung – bei Bedarf. Diese reicht vom persönlichen Gespräch bis zur Einbeziehung von betrieblichen und externen Helfern (sie­he Kasten: Die vier Schritte im Umgang mit belasteten Mitarbeitern).

Je früher eventuelle psychische Überlas-tungen und sich anbahnende Erkrankungen erkannt werden beziehungsweise ihnen präventiv entgegengewirkt wird, umso besser ist dies nicht nur für den betroffenen Mitarbeiter, sondern für das gesamte Team. Denn auch dieses leidet darunter, wenn es einem der Kollegen offensichtlich nicht gut geht

Fazit

Offen und frühzeitig miteinander zu kommunizieren und gemeinsam Lösungen zu suchen, wie die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden kann, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer guten Lösung für alle Beteiligten um ein Vielfaches. Also sollten Sie als Führungskraft initiativ bzw. aktiv werden. Denn letztlich geht es darum, dass ein fähiger und bewährter Mitarbeiter Ihrem Betrieb erhalten bleibt. Und für den Mitarbeiter? Für ihn geht es darum , dass er von seinem Vorgesetzten nicht nur als Arbeitskraft, sondern auch als Mensch gesehen wird; außerdem darum, dass er auf Dauer ein wertvoller und geschätzter Mitarbeiter für das Unternehmen sowie ein entsprechender Kollege im Team bleibt.


1. Schritt: Wahrnehmen der Veränderung

Um Veränderungen zu erkennen, braucht es einen regelmäßigen Kontakt mit den Mitarbeitern. Diese Veränderungen können sein:

  • Die Fehlzeiten steigen
  • Der Mitarbeiter reagiert schnell gereizt und wirkt ausgelaugt.
  • Das Erledigen der Alltagsaufgaben dauert merklich länger.
  • Der Mitarbeiter macht vermehrt Konzentrations- und Leichtsinnsfehler.
  • Der Mitarbeiter zieht sich sozial zurück.
  • Keinesfalls sollten anhaltende (Verhaltens-)Veränderungen eines Mitarbeiters ignoriert werden oder sogar mit Kollegen hinter dem Rücken des Betroffenen besprochen werden.

    2. Schritt: Ansprechen der Beobachtungen
  • Suchen Sie mit dem Mitarbeiter das Vier-Augen-Gespräch.
  • Sprechen Sie Ihre Beobachtungen in konkreten Situationen an.
  • Vermeiden Sie eigene Interpretationen und Beurteilungen der Situation.
  • Sollte der Mitarbeiter abwiegeln bzw. Ihre Beobachtungen nicht teilen, nötigen Sie ihn nicht dazu, Ihre Einschätzung zu teilen.
  • Bieten Sie dem Mitarbeiter Ihre Unterstützung an.

    3. Schritt: (Veränderungs-)Initiative ergreifen
  • Fragen Sie den Mitarbeiter, ob und wenn ja, welche Unterstützung er sich von Ihnen, seinen Kollegen, dem Unternehmen wünscht.
  • Sichern Sie ihm Ihre aktive Unterstützung zu. Vereinbaren Sie mit ihm gegebenenfalls konkrete Maßnahmen.
  • Sollten sich Ihre Beobachtungen nach dem Gespräch nicht ändern, sondern sich eventuell sogar verschärfen, führen Sie mit dem Mitarbeiter erneut ein Gespräch, in dem Sie sein Verhalten thematisieren.
  • Beleuchten Sie mit dem Mitarbeiter betriebliche und im günstigsten Fall auch dessen private Ressourcen.

    4. Schritt: Leitungsfunktion wahrnehmen
  • Führten mehrere Gespräche mit dem Mitarbeiter nicht zu einer Verbesserung, sollten Sie dazu übergehen, Ihre Erwartungen (zum Beispiel: Inanspruchnahme einer stützenden Maßnahme) zu formulieren.
  • Beziehen Sie betriebliche und außerbetriebliche Helfer ein.

Zur Autorin

Christina Seitter arbeitet als Trainerin und Beraterin für die Managementberatung Müllerschön, Starzeln bei Tübingen (www.muellerschoen-beratung.de). Sie ist auf die Themenfelder Personalauswahl und -entwicklung, Selbst- und Stressmanagement spezialisiert.

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