Saturday, October 25, 2025

Mehrwert für Manager

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350 Mitarbeiter*innen verlieren bei AVL List ihren Job, 600 bei Lenzing sowie bei Unimarkt, auch bei Borealis und Bosch wurde ein Personalabbau angekündigt. Die konjunkturelle Krise schlägt sich auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Arbeitslosigkeit stieg heuer in allen Branchen an. Allein in der Industrie sind 32.000 Menschen arbeitslos oder in Schulung. Gleichzeitig wurden dem AMS im September 2025 fast 50.000 neue offene Stellen gemeldet, um 4.000 mehr als im gleichen Zeitraum vor einem Jahr. Wie steht es um Österreichs Arbeitsmarkt. Report(+) hat Expert*innen um ihre Einschätzung gebeten.

Fotos: iStock, PhilippLipiarski, Barbara Hartl/Graph Art Line


1. Die Arbeitslosigkeit zieht sich durch alle Wirtschaftssektoren und Bevölkerungsgruppen. Wie dramatisch ist die Situation?

Elisabeth Sauritschnig, Bundesgeschäftsführerin Wirtschaftsbund Österreich

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"Die Lage am Arbeitsmarkt ist ohne Frage angespannt, aber nicht verloren. Wir erleben eine wirtschaftliche Schwächephase, die Spuren hinterlässt. Gleichzeitig suchen viele Betriebe händeringend nach Personal. Unser Ziel muss sein, Menschen gezielt zu qualifizieren und sie dorthin zu bringen, wo Arbeit wartet. Nicht Stillstand, sondern Bewegung. Nicht Hand aufhalten, sondern anpacken – das ist jetzt gefragt."


Manuela Vollmann, Geschäftsführerin ABZ*Austria

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"Die Situation ist besonders für Frauen 50+ besorgniserregend. Sie sind überdurchschnittlich von Jobverlust betroffen und gleichzeitig am schwierigsten wieder in Beschäftigung zu bringen. Zusätzlich verlängert sich mit der neuen Pensionsreform ihre Erwerbszeit, ohne dass ausreichend altersgerechte Jobs entstehen. Hier braucht es gezielte Maßnahmen, sonst wächst das Risiko von Altersarmut bei Frauen massiv."

Nicolai Dürhammer, Geschäftsführer Stepstone Österreich und Schweiz

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"Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt um ein Prozent auf 7 % gestiegen, liegt aber im langjährigen Durchschnitt – ich würde das nicht als dramatisch bezeichnen. Besonders betroffen ist die Industrie mit großen Layoffs, aber nicht alle Wirtschaftsbereiche gleichermaßen. Unsere aktuellste Befragung, das Hiring Trends Update (HTU), zeigt zudem eine optimistische Zukunft: Nur eines von zehn Unternehmen plant im nächsten Halbjahr einen Jobabbau, während 19 % mehr einstellen möchten."


2. Müssen Arbeitssuchende flexibler werden?

Elisabeth Sauritschnig: "Ja, Flexibilität ist heute kein Nachteil, sondern eine zentrale Stärke am Arbeitsmarkt. Betriebe suchen zunehmend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereit sind, Neues zu lernen und sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen, sei es durch neue Technologien, andere Arbeitsmodelle oder auch wechselnde Standorte. Gleichzeitig müssen auch die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit diese Flexibilität wirklich gelebt werden kann: eine flächendeckende Kinderbetreuung, ein starkes Weiterbildungsangebot und moderne, praxistaugliche Arbeitszeitmodelle."

Manuela Vollmann: "Flexibilität darf keine Einbahnstraße sein. Frauen bringen Erfahrung, Einsatzbereitschaft und vielfach auch Mut zur Veränderung mit. Sie müssen jedoch auch bereit sein, sich auf neue Aufgaben, Branchen und Arbeitsformen einzulassen. Gleichzeitig braucht es faire Chancen und passende Rahmenbedingungen: Weiterbildung, Gesundheitsförderung und flexible Arbeitszeiten. Nur wenn beide Seiten bereit sind, sich anzupassen, kann echte Chancengleichheit entstehen und das Potenzial an weiblichen Fachkräften genutzt werden."

Nicolai Dürhammer: "Flexibilität ist auf beiden Seiten nötig. Wir haben eine schizophrene Lage: einerseits steigende Arbeitslosigkeit, andererseits Fachkräftemangel. Sieben von zehn Unternehmen leiden unter Fachkräftemangel, wie unser HTU zeigt. Arbeitssuchende brauchen mehr geografische Flexibilität – in Wien herrscht hohe Arbeitslosigkeit, im Westen fehlen Arbeitskräfte. Arbeitgeber hingegen müssen stärker bereit sein, Quereinsteiger*innen einzustellen und flexibler auf Skills statt auf formale Abschlüsse fokussieren."


3. Welche strukturellen Reformen braucht der österreichische Arbeitsmarkt?

Elisabeth Sauritschnig: "Wir müssen wieder dorthin kommen, wo Leistung sich lohnt und wo Arbeit Perspektive schafft. Das heißt: weniger Bürokratie, niedrigere Lohnnebenkosten und stabile Energiepreise, damit Unternehmen Planungssicherheit haben. Gleichzeitig braucht es Bildung, die auf die Jobs von morgen vorbereitet. Ebenso müssen Sozialleistungen fair bleiben: Wer sie braucht, soll sie bekommen. Wer sie missbraucht, schadet dem ganzen Solidarsystem. Es geht um Vertrauen, Verantwortung und Zukunftsfähigkeit."

Manuela Vollmann: "Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die der demografischen Realität gerecht wird und Alters- sowie Geschlechtergerechtigkeit gemeinsam denkt. Dazu gehören gezielte Förderprogramme für Frauen 50+ und Anreize für Unternehmen, altersgemischte Teams zu fördern. Gleichzeitig müssen Care-Arbeit aufgewertet, Qualifizierungen auf Zukunftsbranchen ausgerichtet und Altersdiskriminierung konsequent bekämpft werden."

Nicolai Dürhammer: "Bildung und Reskilling stehen im Zentrum – denn das größte Problem der Recruiter*innen ist, Kandidat*innen mit den benötigten Fähigkeiten zu finden. Ohne Re-Skilling haben wir dauerhaft beides: mehr Arbeitslose, aber trotzdem massiven Fachkräftemangel. Aber auch Maßnahmen, die Erwerbsquoten insgesamt erhöhen, sind begrüßenswert: bessere Kinderbetreuung, Attraktivierung der Arbeit in der Pension und stärkere internationale Fachkräfte-Anwerbung."

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