Saturday, October 25, 2025

Mehrwert für Manager

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Der internationale Handel steht an einem Wendepunkt. Zölle bremsen das US-Geschäft, China verschärft den Wettbewerb. Aber in welche Länder können österreichische Unternehmen stattdessen ihre Fühler ausstrecken und in welchen Branchen bieten sich die besten Chancen?

Der Export ist eine wichtige Lebensader der österreichischen Wirtschaft. Sechs von zehn Euro werden im Ausland verdient. Doch das Jahr 2024 markiert eine Trendwende: Erstmals seit mehreren Jahren sank das Exportvolumen – um knapp zehn Milliarden Euro auf 191 Milliarden Euro. Neben der schwachen Konjunktur macht sich auch ein struktureller Wandel bemerkbar. Kampfpreise, stagnierende Absatzzahlen und nicht zuletzt die starke Konkurrenz durch China setzen die heimischen Exporteure unter Druck.

Darüber hinaus brachte Trumps erratische Zollpolitik ein hohes Maß an Unsicherheit in das global vernetzte Wirtschaftssystem. Seit 7. August 2025 gilt für die meisten Waren, die aus der EU in die USA exportiert werden, ein einheitlicher Zollsatz von 15 Prozent. Dieser Basiszollsatz ist Ergebnis eines Abkommens zur Abwendung eines drohenden Handelskriegs. Die EU-Vertreter*innen konnten Donald Trump zumindest diesen Kompromiss abringen – zuvor hatte der US-Präsident deutlich höhere Importzölle angekündigt. Für Stahl- und Aluminiumerzeugnisse gilt weiterhin ein erhöhter Zollsatz von 50 Prozent. Flugzeuge, spezielle Pharmazeutika und andere strategische Produkte wie z. B. Halbleiter unterliegen seit 1. September 2025 dem niedrigeren MFN-Zollsatz (Meistbegünstigten-Zollsatz) für WTO-Mitglieder.

Grafik: Die Wirtschaftskammer Österreich identifizierte acht Regionen, in denen sich ein zusätzliches Exportpotenzial von 20,8 Milliarden Euro erschließen lassen könnte. 

Für Maschinen- und Anlagenbauer bedeuten die neuen Aufschläge bei bestimmten Produktkategorien einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand: Maschinen bestehen nun einmal meist aus Metall – wie groß der Anteil von Stahl oder Aluminium ist, muss bis zur kleinsten Schraube ermittelt und nachgewiesen werden. Unternehmen seien nun verpflichtet, Erklärungen zur Herkunft der Gussteile und zur Stahlschmelze vorzulegen, kritisiert der europäische Branchenverband VDMA, dem 3.600 Unternehmen angehören. Der erhöhte Strafzoll für Metall trifft faktisch rund ein Drittel der europäischen Maschinenexporte, inklusive Motoren, Roboter und landwirtschaftliche Geräte.

»Böses« Österreich
Auch wenn ein Handelsstreit vorerst abgewendet werden konnte, sind die globalen Wirtschaftsbeziehungen merklich unterkühlt. Die USA gelten nicht mehr als verlässlicher Partner – und Präsident Trump hat auch unmissverständlich dargelegt, kein Interesse an regem transatlantischen Austausch zu haben. Möglichst viele Produkte sollen künftig in den Vereinigten Staaten selbst erzeugt werden, statt sie zu importieren. Das lässt sich freilich nicht innerhalb weniger Monate bewerkstelligen – die USA werden daher noch längere Zeit ein wichtiger Absatzmarkt für europäische Unternehmen bleiben. Viele Betriebe haben in den letzten Jahrzehnten ein Produktions- und Vertriebsnetzwerk aufgebaut, das trotz der Zölle einen Gutteil der Umsätze in die Kassen spült. 

Die USA sind Österreichs zweitwichtigster Handelspartner. Vor allem Maschinen, Fahrzeugteile und pharmazeutische Produkte liefern heimische Unternehmen nach Übersee. Und was Donald Trump am meisten missfallen dürfte: Österreich verkauft mehr Waren in die USA, als es von dort einführt – gilt in Trumps Diktion also als »böse«. Eigene Strafzölle drohen aber nicht, Österreich sitzt mit den anderen EU-Mitgliedsländern in einem Boot.

Zu spüren bekommen die restriktive Zollpolitik alle Unternehmen, die auf den Wachstumsmarkt USA gesetzt haben. Für den Salzburger Spannplattenhersteller Kaindl sind die USA hinter Deutschland und Frankreich der drittgrößte Abnehmer, rund 94 Prozent der Produktion gehen in den Export. Geschäftsführer Konrad Grünwald will sich dennoch von Trumps Zöllen nicht in die Knie zwingen lassen: »Trotz aller Widrigkeiten glauben wir fest daran, dass wir mit unseren Fabriken in Wals und Lungötz weiterhin erfolgreich für den Weltmarkt produzieren können.« Um wenigstens die steigenden Energiekosten abfedern zu können, investiert das Unternehmen 200 Millionen Euro in ein neues Heizkraftwerk, wo künftig Produktionsabfälle zur Energiegewinnung verbrannt werden.

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Tabelle: In schwierigen Verhandlungen konnte die EU-Kommission eine Einigung auf 15 bzw. 50 % erzielen. US-Präsident Trump hatte zuvor weitaus höhere Importzölle angekündigt.

»Der US-Markt bereitet uns Kopfzerbrechen«, bestätigt auch Lisbeth Wilding, Vorständin der Sattler Group. Das steirische Familienunternehmen stellt Spezialtextilien für den Outdoor-Bereich her. Da die Endfertigung, z. B. zu Sonnenschirmen, teilweise in chinesischen Fabriken erfolgt, gelten die Produkte bei der Einfuhr in die USA als chinesischer Import und unterliegen ungleich höheren Zöllen. Im Frühjahr waren es sogar 104 Prozent. Wilding will dennoch an den USA festhalten: »Es ist ein riesiger Markt mit riesigem Potenzial. Und man kann dort auch gutes Geld verdienen.«

Kompensation schwierig
Vorerst halten sich die Einbußen für Österreich in Grenzen. Das Land dürfte aufgrund der neuen Handelsschranken heuer rund 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung verlieren, wie die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) errechnete. Nach zwei Jahren Rezession durchaus schmerzhaft, aber verkraftbar. Eine mögliche Alternative zeigen die OeNB-Ökonomen Martin Schneider und Richard Sellner in einer Analyse auf: »Die Wertschöpfungsverluste könnten gedämpft werden, wenn Österreich seine Exporte in neue Märkte umlenken kann.« Allerdings fragen die USA vorwiegend komplexe, hochpreisige Waren aus Österreich nach, eine Kompensation könnte sich daher schwierig gestalten. Ein Stahlwerk oder eine Kunststoffverarbeitungsanlage können nicht von heute auf morgen aufgebaut werden, sondern bedürfen längerer Planung.

Eine breitere Diversifizierung ist jedoch angesichts der volatilen wirtschaftlichen Lage anzuraten. Acht der zehn wichtigsten Exportmärkte Österreichs liegen in Europa – mit ein Grund, warum die Konjunktur seit Monaten nicht abheben will. Für heimische Unternehmen bedeutet die abnehmende Attraktivität des Absatzmarktes USA, dass sie gezwungen sind, ihre globale Strategie neu auszurichten. »Eine Diversifizierung der Exportmärkte würde nicht nur die Exportpotenziale besser ausschöpfen, sondern auch den Weg für notwendige strategische Kooperationen für die Beschaffung kritischer Rohstoffe, Produkte oder Energie ebnen«, verweist Yvonne Wolfmayr, Außenhandelsexpertin des WIFO, auf einen weiteren wesentlichen Aspekt.

Die Welt neu betrachten
Ein Blick auf Lateinamerika, Afrika, Asien, aber auch Europa zeigt interessante Perspektiven und bisher unterschätzte Chancen. Länder wie Kolumbien, Indonesien, Albanien oder Nigeria streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Deutlicher ist das Potenzial bei Kanada, Indien oder Japan zu sehen – hier bieten sich gute Möglichkeiten, Kontakte anzubahnen oder auszubauen. »Zölle bleiben ein permanenter Unsicherheitsfaktor für Unternehmen weltweit«, sagt Gudrun Meierschitz, Vorständin der Acredia Versicherung AG. »Unsere Analysen zeigen jedoch auch: Viele Firmen reagieren bemerkenswert schnell. Sie diversifizieren ihre Märkte und richten ihre Lieferketten neu aus, um die Folgen abzufedern.«

Auch Großbritannien, das mit dem Brexit bei vielen Unternehmen aus dem Radar rutschte, wäre zweifellos eine Wiederannäherung wert. Gleichzeitig laufen bereits intensive internationale Initiativen für den Wiederaufbau in der Ukraine an, die für heimische Unternehmen gute Möglichkeiten – insbesondere in den Bereichen Wohnbau, Straßen- und Brückenbau, Gesundheits- und Energieversorgung – bieten.

Neue Allianzen
Die Wirtschaftskammer Österreich identifizierte acht Regionen, die großes Potenzial für österreichische Unternehmen hätten: Nordamerika, Südamerika, Südostasien & Ozeanien, Indien, Golfregion, Westbalkan, Zentralasien und Japan. Insgesamt ließen sich zusätzliche Exporteinnahmen in Höhe von rund 20,8 Milliarden Euro lukrieren. Auch die Intensivierung bestehender und die Bildung neuer Allianzen haben zuletzt an Fahrt aufgenommen. Mitte Jänner 2025 einigte sich die EU mit Mexiko auf eine Modernisierung des im Jahr 2000 geschlossenen Globalabkommens. Das Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur soll nach jahrzehntelangen Verhandlungen noch heuer beschlossen werden, die EU-Kommission hat bereits grünes Licht gegeben.

Die Welthandelsorganisation WTO befindet sich indessen – nicht erst seit Trumps Alleingängen – in der Krise. Das wichtigste Instrument, die Streitbeilegung bei Wettbewerbsverletzungen, funktioniert insbesondere im Fall Chinas schon länger nicht mehr. Neue Optionen könnte daher die Annäherung an das Handelsbündnis CPTPP (»Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership«) eröffnen: Fast ein Drittel des weltweiten BIP wäre durch einen Zusammenschluss mit der EU vereint, zudem ist das Bündnis nicht nur auf eine Weltregion beschränkt.


Gespräch: »Auf allen wichtigen Märkten vertreten«

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Traktionssysteme Austria (TSA) mit Sitz in Wiener Neudorf zählt als Hersteller elektromechanischer Antriebe für Schienen- und Straßennutzfahrzeuge zu den Big Playern des Außenhandels. Der Exportanteil beträgt 96 Prozent. Geschäftsführer Robert Tencl (Bild) rechnet mit erheblichen Einbußen durch die US-Zölle.

Inwieweit ist Ihr Unternehmen von US-Zöllen betroffen?

Robert Tencl: Für uns sind die USA nach Europa der zweitwichtigste Absatzmarkt. Wir exportieren Produkte im Wert von ca. fünf Millionen Euro in die USA. Wir haben langfristige Lieferverträge und daher treffen uns kurzfristige Zollerhöhungen besonders stark, weil wir diese in der Regel nicht an den Kunden weitergeben können. Für heuer und nächstes Jahr rechnen wir mit einer Ergebnisbelastung um etwa eine Million Euro.

Überlegen Sie, auf andere Exportmärkte auszuweichen oder diese stärker zu forcieren?

Tencl: Nein, TSA ist Weltmarktführer bei Motoren, Generatoren und Getrieben für Bahnanwendungen. Wir sind bereits auf allen wichtigen Märkten vertreten. Ein »Ausweichen« gibt es daher in unserer Branche nicht mehr.

In welchen Regionen bzw. Ländern sehen Sie Wachstumspotenzial?

Tencl: Ein sehr starkes Wachstum sehen wir derzeit in Indien, sowie im südostasiatischen Raum. Auch am afrikanischen Kontinent, sehen wir Anzeichen verstärkter Investitionstätigkeit, etwa durch die Fußball-WM in Marokko 2030, sowie in Ägypten und Tansania.


Hintergrund: WTO ohne USA?

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Mit der restriktiven Zollpolitik verabschieden sich die USA endgültig vom Freihandel. Seit dem EU-Gipfel Ende Juni 2025 steht die Idee im Raum, dass unter der Federführung der EU ein alternatives Bündnis zur 1994 gegründeten Welthandelsorganisation (WTO) entstehen könnte. Eine enge Zusammenarbeit kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits mit dem CPTPP (»Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership«) an. Diesem Handelsbündnis gehören Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam an; zuletzt trat auch das Vereinigte Königreich als erstes europäisches Land bei. Jürgen Matthes, Experte für internationale Wirtschaftspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), würde diesen Schritt begrüßen: »Ein Beitrittsantrag bei CPTPP wäre ein wichtiger strategischer Schritt in verschiedener Hinsicht. Das würde ein klares Signal an die USA senden, dass sie sich mit ihrem Protektionismus isolieren, während um sie herum die Liberalisierung des Welthandels weitergeht.« Dieses große, überregionale Abkommen würde nahezu alle Kontinente und wichtige Staaten umfassen, die EU wäre der größte Block darin, betont Matthes: »Damit könnte man einen ›Open Club‹ mit offenen Bedingungen schaffen, der aber faire Wettbewerbsregeln als Beitrittsvoraussetzung formuliert.« China, das durch massive Industriesubventionen einen fairen Wettbewerb unterläuft, würde diese Voraussetzungen derzeit nicht erfüllen.

 

Zukunftsmärkte

Kanada
Durch das Freihandelsabkommen CETA und seine wirtschaftliche Stabilität bietet das Land attraktive Chancen für Unternehmen, die in den Bereichen Maschinenbau, Fahrzeuge, Chemie und erneuerbare Energien tätig sind. Die geografische Nähe zu den USA kann, wie im Fall Mexikos, für die Umleitung bestehender Exportstrukturen nach Nordamerika vorteilhaft sein.

Südamerika
Durch das seit 1995 von der EU verhandelte Mercosur-Abkommen würde mit den fünf Mitgliedstaaten Brasilien, Argentinien, Bolivien, Paraguay und Uruguay eine der größten Freihandelszonen der Welt entstehen. Abseits des Pakts zeigen Länder wie Kolumbien und Chile eine stabile politische und wirtschaftliche Entwicklung. Die Nachfrage nach technologischer Expertise und hochwertigen Produkten ist groß.

Afrika
Oft als Entwicklungsregion abgetan, entwickelt sich die Wirtschaft in einigen Ländern höchst dynamisch. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung verdoppeln, bei rasch wachsenden Pro-Kopf-Einkommen. Besonders groß ist das Potenzial in Angola, Nigeria und Kenia – vor allem in den Bereichen Maschinenbau, erneuerbare Energien, Medizintechnik und Chemieprodukte

Indien
Mit einer Bevölkerung von mehr als 1,4 Milliarden Menschen ist Indien die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Investitionen in Infrastruktur machen den Subkontinent zu einem Zukunftsmarkt für neue Technologien, Maschinen und nachhaltige Lösungen in den Bereichen Mobilität, IT und Energie. Die EU will noch heuer ein Freihandelsabkommen abschließen.

Südostasien
Asien ist weit mehr als nur China – vor allem Indonesien, Vietnam und Südkorea bieten vielversprechende Chancen. Sie zeichnen sich durch ein dynamisches Wirtschaftswachstum, eine technikaffine, konsumfreudige Bevölkerung und zunehmende Industrialisierung aus. Europäische Marken genießen einen exzellenten Ruf, auch Luxusgüter werden geschätzt.

Japan
Für Österreich ist Japan einer der wichtigsten Überseemärkte. Mehr als 1.600 Unternehmen sind bereits hier vertreten, rund 80 mit Niederlassungen. Bei der Expo 2025 in Osaka stand der Großraum Kansai im Fokus. Nach dem Aufschwung der Tech-Konzerne in den 1980er-Jahren hat das Land heute viel Aufholbedarf und legt den Schwerpunkt u. a. auf Wasserstoff und Speichertechnologien.

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