Monday, November 24, 2025

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Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), über Wettbewerb in Telekom-, IT- und Energiemärkten sowie über den Digital Markets Act.

Natalie Harsdorf ist seit 2023 Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde.


Report: Wie gut funktioniert der Wettbewerb im Mobilfunkmarkt in Österreich?

Harsdorf: Eine wesentliche Veränderung im österreichischen Telekommarkt war die Fusion von Hutchison. Die BWB hat sich damals stark eingebracht und auf europäischer Ebene darauf hingearbeitet, dass es Auflagen gibt. Diese Auflagen ermöglichten den sogenannten MVNOs – also virtuellen Mobilfunkanbietern – den Markteintritt und schufen damit echten Wettbewerb zu den Infrastrukturbetreibern. Zum Glück waren diese Auflagen Teil des Fusionspakets, denn sie haben den Markt nachhaltig belebt. Unser großes Anliegen ist, dass diese MVNOs auch künftig bestehen können und Zugang zu neuen Technologien behalten. So können sie weiterhin ihre wichtige Rolle im Wettbewerb spielen.

Report: Welche Instrumente stehen Ihnen zur Verfügung, um den Wettbewerb in diesem Markt aufrechtzuerhalten oder weiter zu beleben?

Harsdorf: Die Fusionskontrolle ist darauf ausgerichtet, künftige Marktentwicklungen im Sinne eines fairen Wettbewerbs zu gestalten. Manche Fälle werden auf nationaler Ebene behandelt, andere aufgrund der Umsatzgrößen von der Europäischen Kommission. Es kommt aber auch vor, dass Brüssel Fälle wie zuletzt Admiral-Tipico an Österreich verweist, wenn sie primär nationale Fragen betreffen. Auch wir verweisen Verfahren an Brüssel, etwa bei Apple-Shazam, Facebook-Customers oder Adobe-Figma. Die Fusionskontrolle ist hier aus meiner Sicht das wichtigste Instrument. In den USA wurde dieses Instrument schon 1914 eingeführt, in Österreich erst in den 2000er-Jahren.

Report: Wie sieht es im Festnetzbereich aus – ist die Situation dort ähnlich?

Harsdorf: Wir prüfen jeden Fall individuell, aber grundsätzlich würde ich sagen: Der Wettbewerb ist derzeit ausreichend. Es sollte allerdings nicht weniger werden.

Report: Welche Entwicklungen könnten aus Ihrer Sicht den Wettbewerb gefährden?

Harsdorf: Ich sehe im Telekombereich heute kaum Spielräume für Fusionen, die nicht wettbewerbsschädlich wären. Sorge bereitet mir, dass manche Unternehmen aufgrund des Draghi-Reports (Anm. Strategiepapier zur Wettbewerbsfähigkeit Europas) den Eindruck gewonnen haben, die Europäische Kommission würde nun wieder großzügiger Fusionen genehmigen. Das wäre nicht nur für Konsument*innen fatal, sondern auch für all jene Unternehmen, die auf Telekomleistungen angewiesen sind. Ich sehe auch gar keinen Anlass, die Fusionskontrolle für einen bestimmten Sektor aufzuweichen.

Report: Aber braucht es gerade im Mobilfunkmarkt nicht ohnehin größere europäische Player? Was entgegnen Sie dem Wunsch einer Konsolidierung des Telekommunikationssektors über Ländergrenzen hinweg?

Harsdorf: Dieses Argument für Konsolidierung ist dort zu hinterfragen, wo der Wettbewerb überhaupt nicht international stattfindet. Gerade der Telekomsektor ist ein sehr lokaler Markt. Frequenzen werden für Österreich vergeben, Leitungen in Österreich verlegt. Nationale Zusammenschlüsse führen nicht automatisch zu einem europäischen Player.

Der zweite volkswirtschaftliche Irrläufer ist, dass eine Konsolidierung durch Größe automatisch zu mehr Innovationen führt. Wirtschaftsgeschichtlich betrachtet, verlieren gerade große Konzerne mit hohen Marktanteilen häufig den Innovationsdruck. Investitionen entstehen dort, wo Wettbewerb besteht.

Das Wettbewerbsrecht lässt aber sehr wohl Kooperationen zu, um gemeinsam neue Technologien zu erschließen und auf den Markt zu bringen. Hier bietet die BWB auch eine Beratung zu den wettbewerbsrechtlichen Leitplanken bei Kooperationen und Projekten an. Es ist ein Angebot, das zunehmend genutzt wird.

Report: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Harsdorf: Beim Pfandsystem etwa haben wir die Branche beraten, wie sich das Vorhaben kartellrechtskonform umsetzen lässt. Zu uns kommen die unterschiedlichsten Themen – auch von kleineren Unternehmen, die weder Know-how zum Kartellrecht noch die Ressourcen für große Kanzleien haben. Wir versuchen, sehr marktnah zu arbeiten.

Report: Welche Märkte aus der IT sind für Sie künftig besonders spannend?

Harsdorf: Wir leben in einer Zeit, in der Märkte in einem permanenten Umbruch sind. Gerade künstliche Intelligenz wird langfristig auf nahezu alle Branchen Auswirkungen haben. Das Wettbewerbsrecht ist hier gut aufgestellt, da es immer eine wirtschaftliche Betrachtung zulässt. Deshalb arbeiten bei der BWB auch viele Volkswirt*innen, wir haben nicht nur die juristische Linse. Themen wie KI oder Cloud-Dienste werden uns auf jeden Fall weiter beschäftigen. Wir müssen hier überall am Ball bleiben.

Report: Wie sieht hier prinzipiell die Zusammenarbeit Österreichs mit der Kommission bei Fragestellungen zum IT-Markt aus?

Harsdorf: Die nationale BWB ist Teil des europäischen Wettbewerbsnetzes. Der zentrale Rechtsrahmen für Digitalmärkte ist der Digital Markets Act (DMA), der ausschließlich von der Europäischen Kommission vollzogen wird. Es wäre nicht sinnvoll, wenn nationale Behörden Verfahren duplizieren. Was wir schon tun: Wenn KMUs bei uns Beschwerden einbringen, die unter den DMA fallen könnten, arbeiten wir eng mit der Kommission zusammen. Österreich ist dabei auch formell eingebunden – gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium im beratenden Ausschuss und ich persönlich in der High-Level-Group der Kommission. Dort vertrete ich die nationalen Wettbewerbsbehörden und kann die Kommission entsprechend beraten und unterstützen.

Report: Was sind für Sie die zentralen Inhalte des Digital Markets Act?

Harsdorf: Der wichtigste Aspekt ist, dass der DMA es gerade kleineren Unternehmen ermöglicht, in Märkte einzutreten, die von großen „Gatekeepern“ dominiert werden. Durch Interoperabilität und das Verbot, eigene Produkte zu bevorzugen, wird der Zugang wieder geöffnet. Der DMA ist also keine Bremse, sondern eine Einladung zur Innovation. Er schafft faire Bedingungen, damit auch europäische Unternehmen Chancen haben, in digitale Märkte einzutreten. Ich habe allerdings den Eindruck, dass das Wissen um diese Möglichkeiten in Österreich noch nicht sehr verbreitet ist. Hier gibt es noch Informationsbedarf.

Report: Welche Auswirkungen erwarten Sie durch den DMA – einerseits auf Plattformbetreiber, andererseits auf ihre Kundinnen und Kunden?

Harsdorf: Österreich beherbergt derzeit keine Gatekeeper-Unternehmen, die unter den DMA fallen. Das betrifft vor allem Irland. Österreichs Wirtschaft ist damit eher Profiteur als Adressat des DMA. Gatekeeper sind große Anbieter, die über längere Zeit eine stabile Marktposition halten und sozusagen „Torhüter“ eines Ökosystems sind – nicht nur eines Produkts, sondern einer ganzen Produktwelt. Man kommt ohne sie nicht zum Ziel. Der DMA öffnet diese Tore wieder und schafft faire Zugänge.

Report: Welche Rolle kann Österreich in der Umsetzung des DMA spielen?

Harsdorf: Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass die Kompetenzen der BWB im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission gestärkt werden sollen. Künftig sollen wir eigene Ermittlungen führen können, deren Ergebnisse dann in europäische Verfahren einfließen. Das halte ich für einen sehr wichtigen Schritt.

Report: Wie gut funktioniert der Wettbewerb im Energiesektor in Österreich – bei Strom und Gas?

Harsdorf: Neben der E-Control als Regulator – mit Ausnahme der Fernwärme, wo ausschließlich die allgemeine Wettbewerbsbehörde zuständig ist – braucht es eine klare wettbewerbliche Struktur. Wir sehen allerdings in der Energiebranche gewisse Merkmale, die ich so nicht aus anderen Märkten kenne – starke wechselseitige Beteiligungen zwischen Marktteilnehmern. Diese sogenannten Common-Ownership-Strukturen sind aus wettbewerblicher Sicht problematisch. Internationale Erfahrungen zeigen, dass Verflechtungen den Wettbewerbsdruck mindern und zu höheren Preisen führen. Es geht hier nicht um einzelne Unternehmen, sondern um ein strukturelles Problem. Aus unterschiedlichen Gründen haben wir im Energiebereich noch nicht das Ende einer Marktphase erreicht, die keine Regulierung mehr benötigen würde.

Report: Sie haben eine genauere Prüfung solcher Kreuzbeteiligungen angekündigt. Warum sind sie so problematisch?

Harsdorf: Wenn ich einen Vergleich mit einem Markt ziehe, über den aktuell viel diskutiert wird, den Lebensmittelbereich: Wie wäre die Situation, wenn die großen Handelsketten Rewe, Spar, Hofer und Lidl auch noch Beteiligungen untereinander hätten? Aus wettbewerblicher Sicht ist es sinnvoll, die Verflechtungen im Energiesektor schrittweise abzubauen – etwa, indem man eine Obergrenze bei fünf Prozent Beteiligung zieht. Jede Maßnahme, die den Rückbau fördert, stärkt den Markt. Natürlich ist das komplex und auch eine politische Frage, wenn es um Rückkäufe oder Finanzierung geht. Aber wer den Energiemarkt nachhaltig wettbewerblich gestalten will, kommt an diesem Thema nicht vorbei.

Report: Die Energieversorger argumentieren, sie müssten viele gesellschaftliche Aufgaben erfüllen – Grundversorgung, Sozialtarife, Gewinnabschöpfung – und gleichzeitig die Energiewende finanzieren. Braucht es nicht auch Verständnis für ihre Lage?

Harsdorf: Natürlich. Aber wenn wir in Österreich über Wettbewerbsfähigkeit sprechen – und das ist angesichts der hohen Inflation dringend nötig –, dann müssen wir auch über Energiepreise reden. Energie ist ein Schlüsselmarkt. Steigende Energiekosten wirken sich auf die gesamte Wertschöpfungskette aus. Unsere Untersuchung im Lebensmittelbereich hat gezeigt: Der wichtigste Kostentreiber sind die Energiekosten. Das betrifft nicht nur Haushalte, sondern vor allem KMUs. Und Österreich besteht zu über 98 Prozent aus KMU. Gerade für sie ist funktionierender Wettbewerb bei Energie entscheidend.

Report: Wie steht Österreich im internationalen Vergleich in puncto Markttransparenz und fairem Wettbewerb da?

Harsdorf: Ein Blick zurück zeigt: Schon in den 1970er- bis 1990er-Jahren hieß es in Analysen von WIFO und OECD, Österreich brauche mehr Wettbewerb. Viele Konzentrationstendenzen haben sich entwickelt, bevor es überhaupt eine Wettbewerbsbehörde oder modernes Wettbewerbsrecht gab. Deshalb ist die Konzentration in manchen Märkten bis heute hoch. Um das künftig besser zu beobachten, entwickeln wir mit der Statistik Austria ein Wettbewerbsmonitoring. Es soll regelmäßig berichten, wie sich Marktstrukturen verändern. Dieses Instrument wird eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen sein – etwa, wenn eine Regulierung unbeabsichtigt den Wettbewerb behindert. Auch eine Regulierung sollte immer einem öffentlichen Interesse dienen – nicht dem Schutz bestehender Marktpositionen. Ein verpflichtender Wettbewerbscheck für neue Regulierungen wäre daher sehr sinnvoll.

Report: Welche Beispiele sind für Sie besonders positiv für die Arbeit der BWB?

Harsdorf: Positiv sehe ich, dass die BWB zunehmend auch als Beratungsbehörde wahrgenommen wird. Wir helfen Unternehmen, Kooperationen kartellrechtskonform zu gestalten, schaffen Rechtssicherheit und fördern das Verständnis für faire Marktmechanismen.

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