Thursday, May 15, 2025

Mehrwert für Manager

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Wenn alle Bemühungen um eine Einigung gescheitert sind, tun wir oft, was uns zur Erhaltung unseres Wohlbefindens am naheliegendsten erscheint: Wir werten Andersdenkende ab oder beenden den Kontakt. Das Kommunikationsformat »Schwebedialog« ermöglicht eine andere Lösung.

Bilder: iStock, Business Village/Manfred Bibiza


Die eigene Perspektive auf die Welt ist untrennbar mit dem täglichen Konsum verknüpft – sei es durch Gespräche, Medien, soziale Netzwerke, Podcasts, Literatur oder Kunst. Viele von uns kehren dabei immer wieder zu denselben Quellen zurück, die unsere Sichtweisen stärken. Wie oft sucht man schon gezielt nach Informationen, die dem eigenen Weltbild widersprechen? Die »Bubble«, der geschützte Raum von Gleichgesinnten, beeinflusst das Denken enorm. Seit der Einführung des Internets haben räumliche Distanzen an Einfluss verloren und damit auch ein natürliches Regulativ. Jede*r kann sich ungebremst jederzeit und überall mit Millionen von Gleichgesinnten auf der ganzen Welt vernetzen. Dabei ist es unvermeidbar, dass sich die Positionen und Wertehaltungen wie in einer Echokammer gegenseitig verstärken.

Die Folge: Betrachtet man das Phänomen aus der Vogelperspektive, wird deutlich, dass wir in einer Welt voller abgeschotteter Blasen leben – seien sie politischer, ideologischer, kultureller oder technologischer Natur. Was für viele nur schwer zu ertragen ist: Die Welt außerhalb jeder Bubble ist aktiv und lebendig – schlimmer noch, fremde Bubbles sind genauso dynamisch und vernetzt wie die eigenen! Nachrichten aus diesen fernen Gedankenwelten können fassungslos oder wütend machen. Solche Emotionen verbreiten sich schnell per Social Media und heizen die Polarisierung an. Wie reagieren Sie auf Meldungen, die aus Ihrer Sicht unfassbar sind?

Wenn wir nicht nachvollziehen können, wie andere so anders denken können, unterstellen wir gerne Manipulierbarkeit oder Dummheit. Und so wirft jede Seite der anderen vor, sich von Fake News manipulieren zu lassen, und keiner hört dem anderen zu. Wenn beide Seiten dasselbe über die jeweils andere denken, wer hat dann recht? Ein unlösbares Dilemma.

Isolation und ihre Folgen
Ohne Kontakt zu Menschen mit anderen Ansichten verlieren wir die Fähigkeit, Empathie zu entwickeln und unterschiedliche Perspektiven zu verstehen. Isolation in einer Bubble kann uns gegenüber den »anderen« gleichgültig oder sogar feindselig machen. Die Bereitschaft zu verbaler oder physischer Gewalt steigt auf allen Seiten. Im Extremfall kann das Verharren in geschlossenen Gemeinschaften oder Echokammern zu Radikalisierung führen. Algorithmen helfen dabei, Menschen in ihrer Bubble zu halten, emotional aufgeladene Informationen weiterzuverbreiten und Hass zu schüren. Diese Dynamik fördert eine »Wir gegen die«-Mentalität und senkt die Toleranz für Gewalt als Mittel.

In dieser verfahrenen Situation kann ehrlicher Kontakt eine Möglichkeit sein, wieder Brücken zu bauen. Ohne die Absicht, andere zu bekehren oder vermeintlich »fehlgeleiteten« Menschen die eigenen Ansichten aufzuzwingen, sondern um uns ganz bewusst auf Menschen einzulassen, die anders denken, leben, handeln und fühlen als wir. Der Schlüssel wäre ein offener Austausch, bei dem wir uns gegenseitig wirklich zuhören, ohne zu bewerten, zu belehren oder zu moralisieren. Doch wie kann ein solcher Kontakt hergestellt werden?

Offenheit als Notwendigkeit
Es ist wichtig zu verstehen, dass jede Bubble dem Zweck dient, die Welt im Sinne unserer Bedürfnisse zu beeinflussen. Sie sorgt für Orientierung, Halt und eine verlässliche Bestätigung unserer Identität. Beim Verteidigen von dem, was wir als wichtig erachten, geht es nicht einfach nur um Meinungen, sondern um unser geistiges und physisches Überleben.
Es wird unumgänglich sein, dass wir beginnen, Andersdenkenden wirklich zuzuhören – ohne sie abzuwerten, ohne zu interpretieren und ohne sofort auf Abwehr zu schalten. Jeder Lösungsansatz wird scheitern, wenn dieser erste Schritt fehlt. Kontakt allein vermag zwar nicht alle gesellschaftlichen Herausforderungen wie Polarisierung oder Extremismus zu lösen, aber er ist eine elementare Komponente. Ohne den ehrlichen Versuch, einander zuzuhören, bleiben alle Lösungen oberflächlich und unvollständig. Zuhören, ohne sofort zu urteilen, ermöglicht echte Begegnungen und kann die Eskalation von Spannungen verhindern.

Lasst uns mutig sein, einander zuzuhören – befreit von dem inneren Druck, immer eine Antwort oder eine Lösung bieten zu müssen. Nur mit dieser Offenheit kann echte Verständigung wachsen, und nur so können langfristige Verbindungen zwischen unseren unterschiedlichen Bubbles zustande kommen. Wo erleben Sie persönlich im Moment die tiefsten Gräben zu anderen Menschen? Was beunruhigt Sie am meisten? Wovor haben Sie die größte Angst? Und was macht Sie einfach nur ratlos oder wütend? Was auch immer es konkret ist, eines ist sicher: Es gibt keine allgemeingültigen Lösungen für diese Probleme. Treten Sie für Ihre Meinung ein, mit voller Leidenschaft und Hingabe! Und vielleicht, wenn Sie Ihre eigene Haltung auch ein wenig in der Schwebe lassen, werden Sie – unabhängig von den eigenen Überzeugungen – auch die Bedürfnisse derer verstehen können, die ganz anders denken, leben und fühlen. Das Ergebnis? Ein tieferes Verständnis dafür, was andere Menschen wirklich bewegt, und damit die Chance, kleine, aber feine Brücken zu bauen in einer vielfach getrennten Welt.


Hintergrund: Ein Format für echten Kontakt

Beim Schwebedialog stehen nicht Lösungssuche, Überzeugung oder Einigung im Vordergrund, sondern das offene Aussprechen der eigenen Sicht auf die Dinge, während die anderen kommentarlos zuhören.

1. Gedanken und Bedürfnisse ausdrücken
Im Schwebedialog wird ein Raum geschaffen, in dem alle Gedanken und Gefühle ihren Platz haben. Das gibt die Freiheit, die eigenen Perspektiven und Bedürfnisse offen und ohne Druck zu äußern, während aufmerksam zugehört wird. Umgekehrt sieht und hört man auch die Lebensrealitäten aller anderen.

2. Nicht sofort reagieren
In einem Schwebedialog geht es weder um konkrete Lösungen noch um Einigung. Hier darf alles genau so sein, wie es ist. Einfach die Worte des Gegenübers auf sich wirken lassen, ohne sie zu bewerten oder zu kommentieren.

3. Plötzlich ist Kontakt da
Durch die offene und respektvolle Kommunikation im Schwebedialog entsteht wie von selbst eine tiefere Verbindung. Ohne den Zwang, Probleme zu lösen oder widersprüchliche Bedürfnisse unter einen Hut bringen zu müssen, begegnen sich die Menschen auf einer authentischen Ebene und bauen so Vertrauen zueinander auf. Das schafft echten Kontakt und hilft, Stereotype zu überwinden und Gewaltbereitschaft zu reduzieren.

 

Buchtipp

Britta Albegger und Geza Horvat: Schwebedialoge. Kommunizieren jenseits von Konsens und Lösung
BusinessVillage 2024
ISBN: 978-3-86980-759-1

Die Autor*innen

Britta Albegger arbeitete nach ihrem Abschluss an der Universität der bildenden Künste in Wien und einer Ausbildung für systemische Organisationsentwicklung in internationalen Innovations- und Veränderungsprojekten. Aufgrund ihrer Begeisterung für das Aufbrechen eingefahrener Denkmuster gründete sie das Unternehmen Schwebedialog.

Geza Horvat war nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik als Regisseur bei Film und Fernsehen tätig sowie bei einer künstlerischen NPO als IT-Experte. Bei Schwebedialog geht er dem Wesen des Denkens und Kommunizierens auf den Grund.

https://schwebedialog.com

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