Wednesday, August 06, 2025

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In Österreich ist Väterkarenz gesetzlich möglich und politisch gewollt. Im Netz wird sie jedoch zu einem Thema, das selten kommentarlos bleibt.


Seit 1990 dürfen Väter in Österreich Elternkarenz nehmen. Die aktuelle Regelung sieht vor, dass die vollen 24 Monate nur dann ausgeschöpft werden können, wenn beide Elternteile mindestens zwei Monate übernehmen. Die Statistik fällt ungleich aus. In dem Wiedereinstiegsmonitoring 2024 berichten Riesenfelder und Danzer von L&R Sozialforschung in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer Wien, dass Frauen im Jahr 2020 durchschnittlich 470 Tage Kinderbetreuungsgeld bezogen, Männer hingegen 124. Der Männeranteil an der Karenz stieg bis 2017 an und sinkt seither wieder.

Ein lautes Forum

„Kommentarspalten sind öffentliche Arenen der Meinungsbildung“, schreibt Marlene Schuster im Informationsdienst beziehungsweise. Die Soziologin an der FH Wiener Neustadt hat für ihre Dissertation an der Universität Luzern untersucht, wie in diesen digitalen Räumen über Väterkarenz diskutiert wird. Sie sammelte Beiträge aus derStandard.at, krone.at, diepresse.com, kleinezeitung.at und kurier.at mit dem Web-Scraping-Tool Octoparse und wertete sie diskursanalytisch nach Foucault sowie mit der Soziologie der Konventionen aus.

Was Sie fand, war eine Mischung aus Zustimmung, Ablehnung und genervtem Schulterzucken. Auf krone.at liest man: „Die Politik soll sich nicht in die Familienangelegenheiten einmischen, jede Familie soll das so machen wie sie will.“ Ein anderer Kommentar fordert: „Auf jeden Fall braucht es einen Gehaltsausgleich, der es den Vätern wirklich ermöglicht, bei den Kindern zu bleiben.“ Und auf derStandard.at klingt es schlicht erschöpft: „Zum 100. Mal die gleiche Diskussion, zum 100. die gleichen öden Kommentare und Ausreden.“

Bekannte Muster, neue Bühne

In vielen Beiträgen erscheint Väterkarenz nicht als neutrale Option, sondern als erklärungsbedürftige Entscheidung. Wer sie nimmt, muss mit Fragen rechnen – zu Finanzen, Karriere oder Rollenbildern. Wer sie nicht nimmt, wird kaum befragt. Schuster sieht darin ein Beispiel dafür, wie sich gesellschaftliche Normen in Alltagsdebatten spiegeln. Kommentarspalten bieten hier eine Bühne, auf der diese Vorstellungen immer wieder inszeniert und verteidigt werden.

Die Methode hat ihre Grenzen. Kommentare sind anonym, können ironisch oder provokant gemeint sein, und ihre Sichtbarkeit wird durch Moderation und Plattformlogiken beeinflusst. Dennoch liefern sie verdichtete Einblicke in Argumentationsmuster, die in Interviews möglicherweise unausgesprochen blieben.

Ein Spiegel der Debatte

Die Analyse zeigt, dass Väterkarenz mehr als eine rechtliche Möglichkeit ist. Sie wird öffentlich bewertet und verhandelt. In den untersuchten Diskussionen prallen politische, ökonomische und kulturelle Argumente aufeinander. Was Schusters Forschung sichtbar macht, ist ein fortlaufender Aushandlungsprozess – nicht nur darüber, ob Väter in Karenz gehen, sondern auch darüber, wie Gesellschaft Verantwortung zwischen den Geschlechtern verteilt.

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