Thursday, May 01, 2025

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Alle Menschen kommen neugierig zur Welt. Wie es gelingt, diese Lust am Neuen zu erhalten und schöpferisch zu nutzen, erklärt der Kommunikationsberater Michael Kühl-Lenjer.

Bild: iStock

Kinder erkunden ihre Umwelt, sind lern- und wissbegierig. Kinder spielen leidenschaftlich gerne. Sie wiederholen Bekanntes, ahmen es nach und erfinden Neues. Kinder sind gleichermaßen fasziniert von vertrauten und ungewöhnlichen Dingen. Das eine ist bekannt und gefahrlos und verleiht Sicherheit und Halt. Das andere, das unbekannte Neue, befriedigt das unbändige Verlangen nach Wissen. Zum Entdecken oder Spielen müssen wir Kinder nicht motivieren. Spielen ist wie alle kreativen Aktivitäten »intrinsische Lust, reines Vergnügen« (Sacks 2017).

Das Verlangen, etwas Neues kennenzulernen, war immer die Triebfeder für außergewöhnliche Leistungen und ist eine besondere Voraussetzung für geistige Schaffenskraft. Neugier ist Wissensdurst gepaart mit der Bereitschaft, Neues zu entdecken, sich bewusst ungewohnten Situationen auszusetzen und seine Denkweise in eine andere Richtung zu lenken. Neugier ist die Grundvoraussetzung für Entdeckungen. Neugierige sind keine Schnüffler, die in den dunklen Ecken ihrer Mitmenschen stöbern, sondern Menschen, die gerne tüfteln, wissensdurstig sind und ausgetrampelte Denkpfade verlassen.

Schöpferisches Potenzial
Wer aktiv nach einer Lösung sucht, ist neugierig. Deshalb sind Tutorials so beliebt – nicht weil sie Wissen vermitteln, sondern weil man nach der Lösung eines Problems sucht. Man erzeugt Neugier, indem man Informationen zurückhält und ein Geheimnis schafft. Im Marketing gehört es zu den Grundprinzipien, Informationen zurückzuhalten: Im September kommt das nächste große Ding! Seien Sie gespannt!

In jedem von uns steckt schöpferisches Potenzial. Eine große Portion an Neugier ist der Wegbereiter für Kreativität. Heutzutage wollen alle kreativ sein. Viele müssen es sogar, denn Fachwissen reicht nicht aus, um im Beruf zu bestehen. Von daher erwarten zahlreiche Unternehmen, dass Bewerber auch Einfallsreichtum, Kreativität und Schöpfergeist mitbringen.

Kreativität auf Knopfdruck? Gibt es nicht. In Phasen des gehetzten, routinierten und effizienzgetriebenen Arbeitens sprießen nicht unbedingt neue Ideen. Wir benötigen Muße und Tagträume, um auf neue Geistesblitze zu kommen. Das Ruhenetzwerk unseres Gehirns ist ein Zustand hoher Kreativität. Tagträume erleichtern kreatives Assoziieren und unterstützen uns, originelle Ideen zu entwickeln. Die besten Ideen sprudeln beim Duschen, beim Joggen und wenn wir einem Tagtraum nachhängen.

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Buchtipp: Michael Kühl-Lenjer: Lernen+Leben mit Köpfchen. Eine Gebrauchsanleitung fürs Gehirn. BusinessVillage 2024, ISBN: 978-3-86980-744-7

Mit Denkmustern brechen
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sitzen entspannt an Ihrem Schreibtisch oder auf der Couch und sollen innerhalb von drei Minuten etwas völlig Neues zu einem Thema finden. Das wird nicht funktionieren, denn es ist völlig unmöglich, unter Zeitdruck etwas Neues zu kreieren. Unter Druck scheint unser Ideenspeicher seine Schätze nicht preisgeben zu können. Stress steht der Kreativität häufig im Weg, wir fühlen uns bedrängt. Von Federico Fellini stammt der Satz: »Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat.« Und Stress und Druck bereiten keinen Spaß.

Die Amygdala im Gehirn springt bei negativen Emotionen an, das Stress-System des Körpers wird eingeschaltet und sorgt dafür, dass Unmengen Cortisol in den Blutkreislauf gelangen. Dieses Hormon signalisiert: »Achtung, Gefahr droht!« und versetzt den Organismus in einen Kampf- oder Fluchtzustand. Dass in dieser Situation der schöpferische Funke nicht zündet, ist nicht verwunderlich. Umgekehrt wird Kreativität gedrosselt, wenn wir etwa dreißig Minuten lang Geistesblitze entwickeln sollen. Kein Ideenfluss hält so lange an.

Geistesblitze und sprudelnde Ideen sind der wichtigste Faktor für ökonomischen Erfolg. Unternehmen, die nicht innovativ sind, verspielen ihre Zukunft. Kreative Leistungen und zündende Ideen zeigen insbesondere jene Menschen, die auf einen umfassenden, auch gegensätzlichen Erfahrungsschatz blicken und von daher auf Alternativen bei der Bewältigung von Herausforderungen gepolt sind.

Kreativität, also die Fähigkeit, Probleme durch schöpferische Ansätze zu lösen, ist in jedem Gehirn angelegt. Unsere Persönlichkeit ist das Ergebnis aus genetischer Veranlagung, vorgeburtlicher und frühkindlicher Prägung und die Summe unserer Erlebnisse und Erfahrungen. Es gibt keine Hinweise auf genetische Dispositionen für Kreativität.

Die Meinung, Kreativität hat man oder eben nicht, ist falsch. Kreativität kann man lernen. Neugier und Kreativität der Mitarbeiter zu fördern, ist eine Führungsqualität, die eine richtungsweisende Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft legt.

Wollen wir etwas wissen, wird das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Und wenn wir etwas Neues gelernt haben, werden wir mit einem Glücksgefühl belohnt. Sprudelnde Kreativität und geniale Ideen entstehen also nicht in einem Superhirn, sondern sind das Resultat einer für Neues offenen Grundhaltung inklusive einer gehörigen Portion Neugier.


Sechs Tipps

1. Nicht vergleichen
Blicken Sie auf Ihre eigenen Lernkurven. Machen Sie kleine Übungen: Kochen Sie sich eine Mahlzeit. Fehlt eine Zutat? Dann überlegen Sie sich eine Alternative! Sie wollen eine Präsentation vorführen und die Technik spielt nicht mit? Überlegen Sie, wie Sie Ihre Kernbotschaften anders präsentieren können.

2. Denkmuster überwinden
Überprüfen Sie eingefahrene Denkmuster und arbeiten Sie bewusst dagegen. In welchen Situationen reagieren Sie immer wieder »automatisch«, welche Handlungen passen nicht mehr in die Zeit?

3. Wenn-dann-Regeln hinterfragen
Wenn etwas Bestimmtes passiert, dann reagiere ich immer gleich. Hinterfragen Sie diese Reaktionen und ändern Sie sie, wenn es sinnvoll erscheint.

4. Kreativität braucht Ruhe
Versuchen Sie nicht, unter Druck in hektischen Momenten und mal »zwischendurch« etwas Neues auszuprobieren oder kreativ zu sein.

5. Neugierig bleiben
Fragen Sie Menschen in Ihrer Umgebung, was sie tun. Drücken Sie Interesse an der Person aus. Verzichten Sie darauf, den Eindruck zu erwecken, dass Sie Schnüffler sind, vermeiden Sie geschlossene Fragen. Halten Sie Blickkontakt.

6. Ideen einfach so
Geistesblitze kann man nicht erzwingen, das Gehirn benötigt hierfür das Ruhenetzwerk. Aktivieren Sie dieses, indem Sie nichts tun, in Tagträumen aufgehen und Ihre Gedanken fliegen lassen.


Der Autor
Michael Kühl-Lenjer ist Mitglied der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB) und verknüpft langjährige Vertriebs-, Führungs- und Trainingserfahrungen mit aktuellen Erkenntnissen der Gehirnforschung. Als Business-Trainer und Kommunikationsberater unterstützt er Unternehmen und Ausbildungsinstitute dabei, neurowissenschaftliche Aspekte in ihre Aus- und Weiterbildung einfließen zu lassen. www.kuehl-lenjer-training.de

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