Thursday, October 30, 2025

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In Österreich bleibt das Potenzial von KI-Lösungen noch weitgehend ungenutzt. Im Report(+)­-Interview erklärt Harald Kohl­berger, geschäftsführender Gesellschafter von Consileon in Österreich, dass er eine klare Strategie der Bundesregierung vermisst.

Harald Kohl­berger ist geschäftsführender Gesellschafter bei Consileon.

 

Sie wickeln viele Aufträge aus dem öffentlichen Sektor ab. Ihr KI-Projekt für die Österreichische Gesundheitskasse war zuletzt sogar mit dem eAward 2025 ausgezeichnet. Adressieren Sie auch Unternehmen?

Harald Kohlberger: Die Consileon-Gruppe hat sich in vier Ankerbranchen etabliert – im Finanzsektor, in der Automobilindustrie, im Handel und im Bereich Healthcare. Der öffentliche Sektor bekam für Consileon in Österreich besondere Bedeutung, weil wir jenes Unternehmen sind, das u. a. mit der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) die meisten Rahmenvereinbarungen für IT-Dienstleistungen abschließen konnte. Wir sind aber auch in anderen Bereichen aktiv und arbeiten etwa im Automotive-Sektor mit großen Konzernen an KI-Themen, wie z. B. autonomes Fahren. Unsere Zielgruppe sind Unternehmen und Organisationen mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Unter unseren Kunden sind Ministerien und Global Player wie VW, Rewe oder Generali.

Auf welche Lösungen und Services hat sich Consileon spezialisiert?

Kohlberger: Wir sind eine Management- und IT-Beratung, bieten also keine Produkte im klassischen Sinn an wie ein Softwarehersteller. Eines unserer zentralen Themen ist derzeit das Multiagenten-System, bei dem in einem Einsatzgebiet, z. B. im Controlling, einzelne Agenten untereinander korrespondieren und Lösungen erarbeiten. Dieses System bietet unendlich viele Anwendungsgebiete in verschiedensten Branchen – von Regierungsverhandlungen bis zum Tutorensystem im Unterricht. Durch die KI werden die Inhalte schon vorab aufbereitet, sodass man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann.

Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Kohlberger: Die Zeitersparnis und die Kosteneffizienz sind die Haupttreiber. Auch die Datenmenge, die man aus verschiedenen Quellen bearbeiten kann, umfasst ein Zigfaches von Big Data, von dem man vor ein paar Jahren noch dachte, es sei eine riesige Menge. Heute sind wir in Dimensionen angelangt, durch die Rechenzentren und ihre Stromversorgung in den Mittelpunkt rücken.

Wie erfolgt die Integration in bestehende IT-Systeme?

Kohlberger: Hier ist die Beratung entscheidend. Im KI-Bereich gibt es bereits viele Standardprodukte, die aber nicht für jeden Kunden passen. Eine gänzliche Neuentwicklung ist wiederum sehr zeit- und kostenintensiv und macht die erhofften Einsparungen zunichte. Unser Ansatz ist es, von einem Produktkern ausgehend – im Fall des ÖGK-Projekts stammte er von unserem Partner Finmatics – die weiteren Schnittstellen auszubilden. Unser Anspruch ist dabei, die technische Machbarkeit bereits in der Konzeption zu berücksichtigen. Das Projekt soll schließlich messbare Nachweise liefern, welche Einsparungen erzielt werden konnten – das ist für Anschlussprojekte das wesentliche Argument.

Hat KI nochmals einen Technologieschub gebracht?

Kohlberger: Es ist mehr, tatsächlich gab es einen Paradigmenwechsel. Unsere Kernaufgaben in der Beratung sind die Fragen nach dem Ziel und nach der Steuerung: Was setzen wir wie für welchen Zweck ein? Und wie steuern wir das Ganze? Alles lässt sich heute manipulieren und fälschen, niemand weiß mehr, was echt ist und was nicht. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist daher, kritisch zu hinterfragen. KI wird noch in den nächsten zehn Jahren in vielen Bereichen der zentrale Wachstumstreiber sein.

Ist es also auch eine Sicherheitsfrage?

Kohlberger: Sicherheit spielt eine ganz zentrale Rolle. Man muss aber in regulatorischer Hinsicht darauf achten, dass Europa nicht in die falsche Richtung steuert. Ich bin schon der Meinung, dass durch den Regulierungswahn vieles zerstört wird. Von einer Chancengleichheit kann man wirklich nicht sprechen. Wir hätten die gleichen technologischen Möglichkeiten, aber ohne das regulatorische Korsett kann China mehr daraus machen und schneller etwas voranbringen. Das kann in der medizinischen Forschung – dem in den nächsten Jahren allerwichtigsten Bereich für KI, wie ich finde – den Ausschlag geben, wer z. B. als Erster den Krebs besiegt. Wir müssen schauen, dass sich Europa durch regulatorische Vorschriften und Datenschutzbestimmungen nicht selbst ausbremst.

Im Zuge der Corona-Pandemie wurde in Österreich viel in Digitalisierung investiert. Wo besteht noch immer Nachholbedarf?

Kohlberger: Wir könnten uns durchaus damit brüsten, weit fortschrittlicher zu sein als Deutschland. Objektiv betrachtet, wäre das aber ein Vergleich mit der Steinzeit, weil man dort etwa für ein polizeiliches Führungszeugnis schon für den Antrag persönlich aufs Amt gehen muss und zwei Wochen später noch einmal, um es abzuholen. Aber wenn man an die baltischen oder skandinavischen Länder denkt, gibt es weiter exzellentere Best Practices. Österreich ist nur gutes Mittelfeld. Wie etwa die ID Austria zeigt, gibt es noch vielfach das Problem der Usability: Ältere Menschen kommen damit nicht zurecht.

Und wie sieht es bei den Unternehmen aus?

Kohlberger: Die österreichische Wirtschaft ist sehr kleinteilig strukturiert. Wir haben einen großen Tourismussektor und viele kleine und mittelständische Betriebe. Die Unternehmer*innen hängen oft so stark im Tagesgeschäft, dass sie gar keine Zeit und vielleicht auch keine Idee haben, wo sie digitale Lösungen einsetzen könnten. In der Krise schrecken viele davor zurück, auch wenn die notwendigen Investitionen gar nicht so dramatisch hoch sind.

Praktisch jede neue Regierung kündigt eine Digitalisierungsoffensive an. Vermissen Sie eine konsequente politische Strategie?

Kohlberger: Die Möglichkeiten von KI und Innovation wurden von der Politik überhaupt noch nicht realisiert und wirklich verstanden. Dieser Bereich wurde bereits durch verschiedenste Ministerien gejagt und jetzt haben wir einen Staatssekretär – nicht einmal einen Minister –, der gleichzeitig für Asylwesen, Beamte und Digitalisierung zuständig ist. Das zeigt schon, welchen Stellenwert man diesem Thema einräumt. Die Grundprinzipien jeder volkswirtschaftlichen Überlegung werden völlig zur Seite geschoben. Der öffentliche Bereich hätte hier eine Vorzeigefunktion: Wir brauchen keine aufwendigen Analysen oder Workshops. Es gibt genügend funktionierende Anwendungsfälle in anderen Ländern, die auch bei uns funktionieren könnten. Es geht ums Tun und nicht ums Ankündigen. Machen wir was draus!

 

Das Unternehmen

Die Consileon-Gruppe mit dem österreichischen Hauptsitz in Salzburg entwickelt nachhaltige, integrierte IT-Konzepte für öffentliche Institutionen, regionale Unternehmen und global agierende Konzerne. Consileon hat u. a. im Zuge von Ausschreibungen der Bundesbeschaffung GmbH (BBG) zu »IT-Dienstleistungen« bis heute 31 Lose in sieben Rahmenvereinbarungen gewonnen. Als größtes Beispiel hat die BBG mit der Consileon Business Consultancy GmbH eine Rahmenvereinbarung für fünf Jahre mit einem potenziellen Volumen von 683 Mio. Euro abgeschlossen. Die Bedarfsträger sind über 2.500 Institutionen, Einrichtungen und Behörden aus dem gesamten öffentlichen Bereich, darunter Ministerien, Energieversorger, öffentliche Logistikunternehmen, Krankenhäuser, Feuerwehren, Kindergärten und Fachhochschulen

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