Montag, April 29, 2024

Christof Zernatto ist Sprecher und Vorstandsvorsitzender d. Forum Versorgungssicherheit.Ein Kommentar von Christof Zernatto, Sprecher Forum Versorgungssicherheit

: Über die klaffende Lücke der vieldiskutierten Energiewende zwischen Ansprüchen, Zielen und Realität.

 


Die Politiker, die gegen den Rat vieler Experten mit Vollgas abrupt von der bisherigen Fahrrinne der Volkswirtschaft abgebogen sind, merken plötzlich verwundert, dass die großen Tanker der Energieflotte, die vielen Beiboote und auch die Passagierdampfer mit den Konsumenten die Kurve nicht geschafft haben. Die Folge ist eine klaffende Lücke zwischen den Ansprüchen, Zielen und der Realität – so groß, dass nicht nur Experten Gänsehaut bekommen angesichts der drohenden Gefahren für die Versorgungssicherheit und Finanzierbarkeit der Energiezukunft.

Ein paar Beispiele gefällig? 8,2 Milliarden Euro will die österreichische E-Wirtschaft bis 2020 in die Netze investieren – eine dringende Aufgabe, denn ohne entsprechend ausgebaute Netze wird auch der Ausbau der erneuerbaren Energien sinnlos. Und auf weitere acht Milliarden Euro schätzt die Regulierungsbehörde die Investitionserfordernisse für den Aufbau von Smart Grids. Doch Netzprojekte stoßen überall auf gewaltige Hindernisse und werden um Jahre verzögert. Zusätzlich will niemand in Österreich zur Kenntnis nehmen, dass Netze Geld kosten werden, während in anderen Ländern zumindest dieses Faktum den Regulatoren klar ist.

Vielfaches Wachstum

In Österreich wird sich die Stromproduktion aus Wind bis 2020 verdreifachen und jene aus Photovoltaik um ein Vielfaches wachsen. Ein entsprechender Ausbau der Pumpleistung in Pumpspeichern um 3000 MW, wie von der E-Wirtschaft jüngst vorgestellt, gilt dagegen fast als Sakrileg. Die Energiewende benötigt zusätzlich hohe und rasch einsetzbare Kapazitäten in Gaskraftwerken, die dann einspringen können, wenn gerade kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Eines dieser Projekte in Österreich wird gerade zu Grabe getragen (Klagenfurt), das jüngste neue Kraftwerk bereitet den Errichtern wenig Freude, weil das aktuelle Fördersystem für Ökostrom diese Kraftwerke zur Unwirtschaftlichkeit verdammt. Wer soll da die zusätzlich benötigten Kapazitäten bauen? Die E-Wirtschaft wird das unter diesen Bedingungen sicher nicht übernehmen können. Dabei wäre der Weg in die Energiezukunft gepflastert mit tollen Chancen, die man sinnvoll nutzen könnte.

Kostenintensiv

In Österreich beginnt mit dem Umstieg auf Smart Meter in den kommenden Jahren die Ära der smarten Stromversorgung. Nach langem Hin und Her konnte man nun auch bei der zeitlichen Umsetzung einen Mittelweg (95 % bis 2019) finden. Zu hoffen bleibt, dass dieser auch eingehalten werden kann. Der endgültige Rollout wird einige Jahre in Anspruch nehmen. Nicht vergessen darf man auch die fehlenden gemeinsam Standards für die Geräte. Alles in allem wird die Einführung von Smart Meter zeit-, arbeits- und kostenintensiv sein. Denn diese ist ein gewaltiges Projekt, immerhin gilt es rund fünf Millionen Zählstellen auszutauschen. Das sind gleichzeitig fünf Millionen Geschäftschancen, fünf Millionen Effizienztreibsätze und fünf Millionen Steuerungseinrichtungen für die Stromwelt von morgen. Smart Meter werden den Kontakt zwischen den Stromkunden und ihren Stromlieferanten stärken, weil die Kunden damit erstmals eine zeitgenaue monatliche Darstellung ihres Verbrauchs erhalten. Es wird neue Tarifmodelle geben, die sowohl den Kunden Einsparungen ermöglichen als auch den Stromlieferanten – und zudem die Versorgungssicherheit verbessern. Mit der Datenverbindung zwischen Netzbetreibern und Haushalten werden neue Services möglich, die früher undenkbar waren, wie beispielsweise eine optimierte Steuerung aller angeschlossenen Geräte unter Berücksichtigung persönlicher Gewohnheiten, Wünsche und Komfortbedürfnisse. In Summe eine Fülle neuer Chancen, die nicht nur in den angestammten Bereichen der E-Wirtschaft liegen, sondern die Tür in eine smarte Energiezukunft öffnen.

Den Schritt durch die Tür zu setzen ist somit das Gebot der Stunde. Denn wer jetzt bremst und somit  zu spät kommt, den bestraft das Leben – dieser Satz hat auch ein paar Jahrzehnte nach seiner Erfindung nichts an Bedeutung verloren. Wir dürfen die Energiewende einfach nicht verpatzen.

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