Monday, December 22, 2025

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Sie verbergen ihren Eingang hinter Schranktüren, in Wäschereien oder in unauffälligen Wohnstraßen. Was macht den Reiz der Speakeasy-Bars aus? 

Bild: iStock


Wo genau ist diese Cocktailbar nochmal? Die beiden Besucherinnen stehen elegant aufgebrezelt und etwas ratlos im Vorraum eines flexitarischen Restaurants, wo sich kein Hinweis auf Hochprozentiges findet. Neugier trieb sie an diesen Ort unweit der wilden Fortsetzung der Mariahilfer Straße, nahe des Wiener Westbahnhofs – und ein Social Media-Video, laut dem sich genau hier eine geheime Bar namens The Chapel verbergen soll. Zum Glück für die hoffnungsvollen Gäste öffnet sich eine Tür, gut verborgen hinter dem Portrait einer Nonne, die fast verschwörerisch den Zeigefinger an die Lippen presst. Die beiden Damen können durch einen Beichtstuhl eintreten und sich in sakral-schummriger Atmosphäre erst mal einen Drink gönnen. Die Art von Bar, in die es die beiden nach ein wenig Suchen verschlägt, ist ein Speakeasy, das es den Gästen bewusst gar nicht so leicht macht, den Eingang zu finden. International gibt es diese Art von Etablissement seit Jahren, inzwischen gibt es eine Handvoll auch in Wien.

Orte, die es nicht geben darf
Inspiriert werden die modernen Speakeasys von ihren US-Vorgängern der 1920-er Jahre. In der Prohibitionszeit zwischen 1920 und 1933 waren Bars und Saloons plötzlich illegal, Freunde gepflegter Drinks mussten kreativ werden, um beim geselligen Zusammensitzen nicht zu Milch oder Limonade greifen zu müssen (wobei das Alkoholverbot nicht nur von lustfeindlichen Puritanern verfolgt wurde, sondern auch von Frauenverbänden, die sich weniger häusliche Gewalt durch ausgenüchterte Ehegatten versprachen).

Kleine, unlizenzierte und vor allem gut versteckte Bars schossen aus dem Boden, gerade in großen Städten. Diese Speakeasys hatten ihren Namen vom leise geflüsterten, oft geänderten Passwort, dass die Gäste nennen mussten, um Einlass zu finden. In den Bars selbst wurde nicht immer geflüstert, viele Besitzer heuerten Jazzbands an, in manchen dieser Etablissements konnte man sich sogar die Nacht um die Ohren tanzen.

Potentielle Kunden fanden den Weg durch Mundpropaganda und mussten vor Eintritt beweisen, dass sie nicht mit Polizei und Moralaposteln im Bunde standen. Manche Clubs öffneten die Türe nur für Stammkunden, andere druckten so genannte »Speakeasy-Cards« zum Eintritt in die alkoholgeschwängerte Unterwelt. Damit die Polizei wegsah und -hörte, bestachen die Besitzer schlecht besoldete Beamte, und ließen sich auch oft mit der Mafia ein – der legendäre Gangster Al Capone erlangte seinen Ruf dadurch, diese illegalen Clubs mit Bier und »härterem« Stoff beliefert zu haben. Da es in diesen Bars aber grundsätzlich schwierig war, an hochwertigen Alkohol zu kommen, mischte man den vorhandenen »Fusel« oft mit Cola, Fruchtsäften und anderen Ingredienzien und legte so den Grundstein zur Cocktail-Kultur. Interessanterweise trugen diese (auch als »blind pigs« bezeichneten) Speakeasys auch zur Gleichberechtigung bei, da sie auch das weibliche Publikum ansprachen, das zuvor vom Besuch der klassischen Bars und Saloons ausgeschlossen waren.

Auch wenn die Prohibition nach 13 eher erfolglosen Jahren abgeschafft wurde (man bezeichnete die Speakeasys auch als das am schlechtesten gehütete Geheimnis seiner Zeit), überdauere ihr Ruf und ihr Reiz bis heute. Mehr und mehr Bars weltweit verstecken in der Tradition klassischer Speakeasy ihre Eingänge oder verlegen sie an Orte, wo man eher kein schickes Cocktail-Erlebnis erwarten würde. In der Hotdog-Kneipe Crif Dogs im New Yorker East Village kann man seit fast 20 Jahren nicht nur kulinarische Absonderlichkeiten wie Hotdogs mit Sauerrahm, Avocado und Bacon genießen, sondern durch eine ausrangierte Telefonzelle in eine geheime Bar, das Please Don’t Tell schlüpfen. Die Tür die Lavomatic Bar im 10. Pariser Arrondissement verbirgt sich in einem – voll funktionierenden – Waschsalon.

Nicht elitär, aber privat
Manch ein Wiener, die durch die Neubaugasse im siebenten Bezirk läuft, ahnt nicht, dass sich auf Höhe Westbahnstraße hinter einem Getränkeautomaten der Eingang in ein Speakeasy namens Fitzcarraldo verbirgt. Fabian Kalal, der das Lokal seit fast drei Jahren mit seinem Bruder Sammy Walfisch führt, erzählt von Menschen, die zwei Gassen weiter wohnen, aber ganz überrascht seien, dass es diese Bar gibt. Dafür finden viele Touristinnen und Touristen in das kleine, im Dschungel-Stil dekorierte Speakeasy. »Wir sind sehr schnell über Instagram und TikTok bekannt geworden. Sicher 50 Prozent unserer Kunden sind Touristen, die direkt vom Flughafen zu uns kommen, weil sie schon über Mundpropaganda oder übers Internet von uns gehört haben. Das ist das Spannende, dass Leute, die auf Tausende Kilometer entfernt sind, wissen, was hier ist, aber der Herr und Frau Meier vom Gegenüber nicht.«

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Bild: Verborgene Tür zum Dschungel: Hinter einem Automaten in der Neubaugasse serviert das Fitzcarraldo-Team ungewöhnliche Drinks.

Dass man von außen nicht hineinsieht bzw. nicht einmal ahnt, was sich hinter der unauffälligen Fassade verbirgt, macht für Kalal den Reiz aus: »Wir machen etwas privates – aber nicht elitäres – für einen kleinen Kreis von Leuten. In einer Speakeasy Bar kann man das Konzept vom zweiten Wohnzimmer noch besser umsetzen.« Dresscode hat die Bar bewusst keinen, man muss auch nicht unbedingt reservieren. Für alle, die sich spontan für einen Ausflug auf die andere Seite des Getränkeautomaten entscheiden, hält das Team Plätze an der Bar frei. »Jeder, der Lust hat auf einen guten Cocktail, ist willkommen.« Dass durch Social Media auch immer wieder Celebrities den Weg ins Fitzcarraldo finden, will er weder bestätigen noch verneinen. »Was in der Bar passiert, bleibt in der Bar.«

Nachbarschafsgeflüster
Ins nahe gelegene Plus 43 (benannt nach Österreichs Ländervorwahl) braucht man nicht nur eine Reservierung, sondern auch ein Passwort. Semih Aybar, der das Speakeasy seit 2018 betreibt, holte sich seine Inspiration von einem verborgenen Etablissement in Amsterdam. »Die Bar war klein und gemütlich, hatte nur begrenzte Kapazität und wurde von einem einzigen Barkeeper betrieben. Er mixte jeden Cocktail vor den Augen der Gäste und erklärte die Zutaten. Wir waren begeistert von dem Konzept, der Atmosphäre und dem Service.

Nach ein paar Drinks kamen wir auf die verrückte Idee, eine Speak­easy-Bar in Wien zu eröffnen. Zu dieser Zeit gab es nur wenige davon in der Stadt, daher dachten wir, dass dies eine spannende Ergänzung für den Wiener Markt wäre.« Ein Speakeasy zu führen heißt für ihn auch, sich – statt viel Geld für Marketing auszugeben – auf Mundpropaganda zufriedener Gäste zu setzen. Dass diese die Tür erst einmal finden müssen, ist für Aybar Teil des Erlebnisses. »Wir glauben, dass der Reiz in der Exklusivität und der spielerischen Herausforderung liegt, den Eingang zu finden. Manchmal stehen die Leute direkt vor dem Gebäude und wissen trotzdem nicht, wie sie hineinkommen sollen. Das gefällt uns sehr gut. Es macht das Erlebnis einzigartig.«

Im Gegensatz zum Fitzcarraldo kamen seine Gäste zuerst aus der Nachbarschaft, dann erst fanden die Touristen ihren Weg in die Westbahnstraße. »Heute sind die meisten unserer Gäste Wiener, die aufgeschlossen sind, gerne Neues ausprobieren und hochwertige Getränke schätzen.« Einen Dresscode schreibe man den Barhoppern nicht vor, sagt Semih Aybar. »Die Gäste kommen ganz natürlich in schicker Freizeitkleidung oder ziehen sich schick an, wenn sie etwas Besonderes zu feiern haben.«

»Alles beginnt bei der Tür«
Ein Passwort ist zum Eintritt ins Tür 7 hinter dem Palais Auersperg nicht nötig, auch muss man keine Automatenknöpfe drücken. Dass sich hinter der unauffälligen Tür in einer kleinen Wohnstraße eine Bar verbirgt, wissen trotzdem nur Cocktail-Aficionados. Besitzer Gerhard Tsai lässt es zwar gelten, wenn man ihn auf eine Liste mit Speakeasys reiht, aber »im Grunde genommen sind wir nur eine ruhige, klassische American Bar hinter verschlossener Türe.« Dennoch kann man nicht einfach so durch besagte Türe treten. Eine Reservierung wird dringend empfohlen, sonst muss man damit rechnen, unter Umständen auf einen anderen Tag oder zumindest eine spätere Stunde vertröstet zu werden.

Das Konzept der verschlossenen Pforte behält Tsai seit der Gründung 2014 bei. »Alles beginnt bei der Tür, sowohl im Positiven als auch im Negativen.« Dass man zum Cocktailgenuss eine Reservierung braucht, sei in Wien nicht so verbreitet. »Internationale Gäste wissen, dass man in Bars manchmal reservieren muss. Bei uns ist das eher ungewöhnlich.« Die verschlossene Tür trage nicht nur zur Atmosphäre bei. In einem Metier, in dem Hochprozentiges ausgeschenkt wird, gewähre ein Screening am Eingang auch mehr Sicherheit. »Das ist das Charmante an diesem privaten Ambiente. Die anderen, die es nicht wissen, laufen draußen vorbei. Die wiederum, die es wissen und die hier drinnen sind, fühlen sich da natürlich nochmal ein bisschen geschützter. Deswegen war es mir auch bewusst oder ein großes Anliegen, die Bar in einer nicht hochfrequentierten Straße zu eröffnen. Es ist viel stimmungsvoller, wenn durch eine ruhige Gasse dann irgendwo in so eine quasi versteckte Bar zu gehen.«

Dass nicht jeder Einlass findet, sorgt laut Tsai dafür, dass sie Bar nie zu voll wird. »In Summe haben wir so an die 30, 35 Gäste. Das ist angenehm.« So könne man sich auch auf den Service konzentrieren, und darauf, den Gästen innovative, von den Lieblingsgetränken inspirierte Cocktails zu mixen. Werbung im klassischen Sinn hat auch Gerhard Tsai nie gemacht. »Unser Social Media Auftritt ist sehr reduziert. Es gibt aber viele Blogeinträge über uns, von denen wir gar nichts wussten. Wir werden über Mundpropaganda weiterempfohlen. Was uns natürlich schon auch hilft ist, dass wir immer wieder Auszeichnungen bekommen, wie American Bar des Jahres vom Falstaff Magazin.« Das Publikum von Tür 7 ist gemischt, Gäste aus Politik und Wirtschaft finden den Weg in die Josefstadt genauso wie internationale Besucherinnen und Besucher.

Den weltweiten Trend zum Speak­easy erklärt Tsai sich damit, dass Gäste nicht mehr so oft in klassische Clubs gehen. »Mittlerweile haben kleinere Bars auch so ein sehr nettes Club-Ambiente und nebenbei eine sehr hohe Qualität an Drinks.« Um die Kreationen des Tür 7-Teams zu genießen, muss man sich auch hier nicht speziell aufbrezeln, ein gepflegtes Auftreten reicht. Vielleicht macht das genau den Reiz der modernen Speakeasys aus – sie sind exklusiv, aber nicht elitär.

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Bild: Speakeasy oder Hidden American Bar: Das Tür 7 hinter dem Palais Auersperg fühlt sich mit beiden Bezeichnungen wohl.

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