Tuesday, November 25, 2025

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Wie der gemeinnütze Fonds »Häuser zum Leben« mit ­Virtual Reality, der passenden IT-Ausbildung und einer ­gehörigen Portion Innovationsgeist neue Maßstäbe in der Pflege setzt.

Bild: Die Häuser zum Leben zeigen, dass Digitalisierung und soziale Verantwortung keine Gegensätze sind.

Wenn man über Digitalisierung in der Pflege spricht, denkt man selten an Hightech-Lösungen oder Programmierarbeit. Der gemeinnützige Fonds Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser – Häuser zum Leben ist mit 30 Standorten in Wien der größte Anbieter für Senior*innenbetreuung in Österreich. Für Simon Bluma, dem stellvertretenden Geschäftsführer, gehören Themen wie Augmented Reality, IT-Security oder Softwareentwicklung zum Alltag auch in diesem Sektor. »Wir sind kein klassischer Sozialbetrieb mehr – Digitalisierung ist längst Teil unserer DNA geworden«, sagt Bluma.

Bluma ist seit 2017 an Bord und leitet neben den Bereichen Pflege, interdisziplinäre Betreuung und Pensionist*innenklubs auch die Digitalisierung – ein Aufgabenfeld, das sich vom klassischen IT-Betrieb bis zu Virtual-Reality-Programmen erstreckt. »Unsere IT-Abteilung ist groß, 40 Personen, mit allem, was man aus der Wirtschaft kennt: Systembetrieb, Netzwerktruppe, Service Desk. Aber wir haben auch ein kleines Virtual Reality Lab – drei Mitarbeiter*innen, die sehr viel selbst entwickeln.«

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Bild: Simon Bluma ist stellvertretender Geschäftsführer des gemeinnützigen Fonds Häuser zum Leben.

Virtuelle Realität kommt nicht nur in der Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter*innen zum Einsatz, sondern steht auch den Bewohner*innen zur Verfügung, etwa um ihre Mobilität zu fördern. Die Idee: Digitale Assistenzsysteme, intelligente Sensorik und digital unterstützte Fitnessprogramme machen den Alltag sicherer und ermöglichen mehr Selbstbestimmung.

Dass ein gemeinnütziger Fonds eigene Softwarelösungen baut, ist ungewöhnlich. Doch bei den Häusern zum Leben ist der Ansatz pragmatisch: Anwendungen sollen genau zu den Bedürfnissen der Bewohner*innen, Mitarbeitenden bis hin zu Angehörigen passen. »Wir wollen nicht von der Stange kaufen, sondern eigene, angepasste Lösungen schaffen«, betont der stellvertretende Geschäftsführer.

Die Bandbreite der Eigenentwicklungen reicht von Brandschutztrainings über Pflegesimulationen bis zu spielerischen Anwendungen für Senior*innen. Mit VR-Brillen werden realistische Szenarien geübt. Dazu wurden vom VR-Lab typische Wohnräume nachgebaut. »Nach dem E-Learning-Modul für Brandschutz trainieren Mitarbeiter*innen in einer virtuellen Bewohner*innenwohnung, wie sie auf einen Öl- oder Holzbrand reagieren müssen. Die Inhalte und das Erlernte bleiben so einfach besser im Gedächtnis.«

Auch für Bewohner*innen mit Demenz oder eingeschränkter Mobilität eröffnet die Technologie neue Wege. Berührend ist zum Beispiel der Fall einer 105-jährigen Bewohnerin gewesen, erzählt Bluma: »Sie war leidenschaftliche Skifahrerin und wollte noch einmal die Streif hinunterfahren. Mit der VR-Brille haben wir ihr diesen Wunsch erfüllen können. Das war ein emotionaler Moment für alle.« Der nächste Schritt führt von Virtual zu Augmented Reality. Auf drei Remobilisationsstationen wird derzeit getestet, wie spielerische AR-Umgebungen therapeutisch eingesetzt werden können. »Wir haben ein Gartenspiel entwickelt, bei dem man Karotten erntet oder Gemüse sortiert – das trainiert die Feinmotorik und motiviert gleichzeitig. Die reale Umgebung bleibt sichtbar, das erleichtert die Orientierung im Raum und ist für viele oft angenehmer.«

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IT-Arbeitsplatz mit Sinn
5.200 Mitarbeitende kümmern sich in 30 Häusern und 135 Pensionist*innenklubs um fast 9.000 Bewohner*innen. Die Digitalisierungswerkszeuge soll keine Arbeitsplätze ersetzen, sondern die Menschen entlasten – mit dem Versprechen, »den Mitarbeiter*innen mehr Zeit für das Zwischenmenschliche zu geben«, betont Bluma.

Das Unternehmen testet derzeit auch eine Sprachdokumentation mit KI, um Pflegeberichte einfacher zu erfassen – ein oft mühseliger Prozess, der den Mitarbeitenden keinen unmittelbaren Mehrwert liefert. Das Besondere an der unterstützten Transkription ist die Mehrsprachigkeit, mit der die Lösung funktionieren muss. »Wir haben viele Kolleginnen aus dem Ausland. Wenn jemand auf Philippinisch diktiert und das System schreibt es auf Deutsch nieder, ist das ein echter Fortschritt.«

Aber Innovation in der Pflege braucht auch Geduld, verrät Bluma. Wenn neue Systeme in den 30 Häusern ausgerollt werden, sind tausende Mitarbeitende zu schulen. »Bei uns dauern Projekte länger als in einem Technikkonzern – aber sie müssen sitzen. Wir holen alle mit an Bord«, so Bluma. Die IT wird vollständig intern betrieben, vom Serverbetrieb bis zur Geräteausgabe. »Unsere Kolleg*innen holen ihr Diensthandy oder ihren Laptop direkt bei uns ab. Das spart Missverständnisse und schafft Vertrauen – gerade, weil nicht alle täglich mit Technik arbeiten.« Die persönliche Note in der IT sei Programm, und deshalb auch nur schwer an externe Dienstleister auslagerbar. Wenn eine Anwendung nochmals erklärt werden muss, nimmt sich jemand Zeit. Diese Geduld ist Teil der Unternehmenskultur bei den Häusern zum Leben und entsprechend sozial agieren auch die Techniker*innen im laufenden Betrieb.

Digitalisierung bedeutet in den Häusern zum Leben nicht Effizienz um jeden Preis, sondern Lebensqualität. Das zeigt sich auch im Bereich Ambient Assisted Living. In einer Musterwohnung werden Sensoren, Vitaldatenmessungen und Sprachsteuerungen getestet – vom Notruf bis zum Arzttermin per Tablet. »Wir probieren aus, was wirklich angenommen wird. Nicht alles, was technisch möglich ist, macht im Alltag Sinn«, so Bluma.

Auch in der Ausbildung setzt das Unternehmen Zeichen. Sechs IT-Lehrlinge werden aktuell ausgebildet, regelmäßige Hackathon-Projekte sind Bestandteil der Lernkultur (siehe Infokasten). Die Lehrlinge entwickeln eigene Ideen – etwa eine intelligente Erste-Hilfe-Box. Bluma ist überzeugt, dass Sozialunternehmen als Arbeitgeber für IT-Talente unterschätzt werden: »Viele denken, Pflegeeinrichtungen sind kein spannendes Umfeld für IT. Dabei arbeiten wir an Themen wie AR, IT-Sicherheit, ERP-Integration und Datenmanagement – und das alles mit direktem gesellschaftlichem Nutzen.«

Tatsächlich ist die IT der Häuser zum Leben ein Mikrokosmos moderner Infrastruktur: HR-Systeme, Netzwerke, Cloud-Management, Security. Derzeit steht die Umstellung auf ein neues ERP-System an – ein Mammutprojekt, das die zahlreichen Insellösungen ablösen soll.

Technologie im Gleichgewicht
Trotz des hohen Innovationsgrades steht weiterhin der Mensch im Mittelpunkt. Bluma beschreibt die Motivation seines Teams so: »Auch wenn es ein mühsamer Arbeitstag war – man geht zum Mittagessen, trifft Bewohner*innen und sieht sofort, wofür man das alles macht.« Das unterscheide die Häuser zum Leben von vielen anderen Arbeitgebern: Die Digitalisierung hat hier eine unmittelbar spürbare soziale Wirkung. »Wir bieten Sinn, Stabilität und die Möglichkeit, echte Veränderungen zu gestalten.«

 

Hintergrund: Reparatur-App hat überzeugt
67 Nachwuchskräfte aus 17 Betrieben haben am diesjährigen Programmierwettbewerb »Lehrlingshackathon« der Wirtschaftskammer teilgenommen. Mit dabei waren auch fünf IT-Lehrlinge der Häuser zum Leben. Die Nachwuchstalente der Einrichtung der Stadt Wien holten den ersten Platz in der Kategorie »Rookies« und den zweiten Platz in der Kategorie »Experts«. Zudem wurde die Rookies-Sieger-App mit dem Publikumssieger-Preis ausgezeichnet.

Bei den Rookies programmierte Pascal, IT-Lehrling im ersten 1. Lehrjahr bei den Häusern zum Leben, gemeinsam mit einem Lehrling der K&P med GmbH die App »Helpkit«. Diese hilft dabei, die Erste-Hilfe-Ausrüstung für den Alltag im Auge zu behalten. Sie beinhaltet außerdem Kurse zur Auffrischung der Erste-Hilfe-Kompetenz. In der Kategorie »Experts« entwickelten die beiden Häuser-zum-Leben-Lehrlinge Karl und Amir (3. und 4. Lehrjahr) die Anwendung »Geht’s noch?!«. Die App bietet Anleitungen und Tipps für einfache Selbstreparaturen, damit Geräte nicht weggeworfen werden müssen.

Mehr dazu unter www.report.at/life-arts/lehrlings-hackathon-erfolg-fuer-haeuser-zum-leben

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