Donnerstag, Dezember 05, 2024

Die russische Invasion in der Ukraine trug nicht wenig dazu bei, die Energiewende in den Köpfen zu verankern. Dennoch ist im Sinne des Bohrens harter Bretter noch mancherlei Überzeugungsarbeit zu leisten.


Vielleicht sollte Martina Prechtl-Grundnig ein Dankschreiben aufsetzen. Der Adressat: der russische Präsident Wladimir Putin. Seit dieser am 24. Februar seine Truppen in der Ukraine einmarschieren ließ, sei zumindest die grundsätzliche Zustimmung zur Energiewende erheblich gestiegen, konstatiert die Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich:

»So tragisch das klingt, die Invasion hat geschafft, was uns in den vergangenen Jahren mit all unserer Kommunikationsarbeit nicht gelang: Die Menschen spüren ihre drückende Abhängigkeit von den Öl- und Gasimporten und sorgen sich um das warme Heim im kommenden Winter.« Umso dringlicher sei der Wunsch, auf ein Heizsystem umzusteigen, das ohne fossile Energieträger auskommt. Die Invasion habe einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen: »Auch wenn es morgen zu einem Friedensschluss in der Ukraine käme, brächte das keine Rückkehr zu den früheren Zuständen.«

Überrascht hat Prechtl-Grundnig, »dass die Energiewende über das Wärmethema leichter zu kommunizieren ist als über das Stromthema. Offenbar ist die Betroffenheit größer.« Als der Verband darauf hinwies, dass manche Energieversorger immer noch für den Umstieg von Öl- auf Gasheizungen werben, »wurde das von den Medien gerne aufgegriffen und erzeugte Empörung. Mich haben auch Regionalmedien angerufen, die vor allem interessierte, was die Menschen konkret tun können und welche Alternativen es zu fossilen Energieträgern gibt.«

EEÖ-Geschäftsführerin Martina Prechtl-Grundnig: »Die Energiewende ist über das Wärmethema leichter zu kommunizieren als über das Stromthema.« (Bild: Kleinwasserkraft Österreich)

Jetzt ist laut Prechtl-Grundnig der richtige Zeitpunkt, um der Bevölkerung zu vermitteln, dass Investitionen in erneuerbare Energien samt Leitungsinfrastruktur jetzt notwendig sind, um unsere Energieversorgung langfristig abzusichern. Denn eines der Probleme für die Akzeptanz der »Wende« waren in der Vergangenheit stets die Kosten: »Die Menschen sind gerade von den hohen Energiekosten durch fossiles Gas hart getroffen. Die Botschaft jetzt lautet: Damit Energie langfristig für alle leistbar bleibt, müssen wir die Wende machen. So können die Menschen auch bei der Stange gehalten werden.«

Helfen könnte der Energieexpertin zufolge die »Sichtbarkeit« der Wende, die bisher eher als Problem galt: »Wer in seiner Nachbarschaft ein Windrad sieht, kann sich sagen: Ich sehe, woher mein Strom kommt und wen ich bezahle. Das ist transparent, da gibt es keine Geschäfte mit zweifelhaften Potentaten.« Um das nunmehrige Momentum zu nutzen, überlegt EEÖ, die eigene Kommunikationsarbeit zu optimieren. Die Ideen gehen dahin, übergeordnete Botschaften wie die Notwendigkeit der Energiewende primär auf der Ebene des Dachverbands zu verbreiten. Wie die Wende im Detail funktioniert und welche Herausforderungen es dabei gibt, sollen dem gegenüber die Mitgliedsverbände vermitteln. Klar ist laut Prechtl-Grundnig allerdings: »Wir haben nur eingeschränkte finanzielle Mittel, und wirklich gute Kommunikationsarbeit ist ein Fass ohne Boden.«

Optimierungsmöglichkeiten beim Kommunizieren der Energiewende sieht sie auch bei der Politik. Zwar spreche Energieministerin Leonore Gewessler landauf, landab von Putin als »Aggressor«, der »Energie als Waffe« einsetze und Europa »erpresse«, doch frage sich: »Wo ist die übrige Regierung? Offenbar meinen manche, die Energiewende sei das Thema Frau Gewesslers alleine. Dabei könnte ja auch der Bundeskanzler sagen: Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Ich stehe da voll dahinter!« Gefordert sieht Prechtl-Grundnig ferner die Bundesländer. Von wenigen Ausnahmen wie dem Burgenland und Wien abgesehen, seien diese »bei ihrer Verantwortung für das Gelingen der Energiewende leider noch nicht angekommen«.

Politik als »Bottleneck«

Im Wesentlichen auf Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft sowie auf gesellschaftliche Interessengruppen fokussiert der Elektrizitätswirtschaftsverband Oesterreichs Energie seine Kommunikationsarbeit zur Energiewende, berichtet Generalsekretärin Barbara Schmidt. Ihr zufolge sind insbesondere die Landes- und Gemeindepolitiker der »Bottleneck« der Wende: »Das sind wichtige Multiplikatoren. Wenn ein Bürgermeister gegen ein Windrad ist, ist es schwer, sich dagegen durchzusetzen.«

Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie: »Landes- und Gemeindepolitiker sind wichtige Multiplikatoren.« (Bild: Regina Hügli)

Vielfach herrschten in politischen Kreisen Missverständnisse hinsichtlich bestimmter Technologien. Beispielsweise würden Freiflächen-Photovoltaik­anlagen immer noch mit der Bodenversiegelung in Zusammenhang gebracht: »Aber das ist keine Versiegelung wie bei einem Parkplatz oder einem Kreisverkehr. Die Anlagen können rasch und rückstandsfrei wieder abgebaut werden. Bei der Agro-PV ist auch die Doppelnutzung von Flächen möglich.« Österreichs Energie bemüht sich laut Schmidt, derartige Informationen zu vermitteln und Vorurteile zu zerstreuen.

Für die Kommunikation nutzt der E-Wirtschaftsverband eine Reihe von Formaten, von der bekannten Diskussionsreihe »Trendforum«, deren nächste Ausgabe am 29. Juni stattfindet über Social-Media-Kanäle bis zum alle zwei Jahre stattfindenden »Oesterreichs Energie Kongress«. Überdies fand vor kurzem das erste »FuturE Stromcamp« statt, das sich dem Thema »Wie können wir Akzeptanz für unsere Projekte erzielen?« widmete. Vom Ansatz her ging es darum, verschiedene Akteure von der Wirtschaft über die Verwaltung bis zu den NGOs zum informellen, aber gerade deshalb offenen, Meinungsaustausch zusammenzubringen. »Natürlich sind die NGOs nicht nur an der Energiewende und am Klimaschutz interessiert, sondern auch am Naturschutz. Dass wir aber Projekte für den Ökostromausbau brauchen, ist konsensuell. Formate wie das ›FuturE Stromcamp‹ sind wichtig, um bestimmte Dinge außer Streit zu stellen und Gemeinsamkeiten zu finden«, erläutert Schmidt. Die Ergebnisse des Workshops fließen in die weiteren Aktivitäten von Oesterreichs Energie ein.

Gerade die Möglichkeit, sich einzubringen und einander die jeweiligen Standpunkte zu vermitteln, ist laut Schmidt von größter Bedeutung für die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung. Ausdrücklich begrüßt die Generalsekretärin daher den Klimarat, den das Energieministerium (BMK) etablierte: »Ich war bei einem Wochenende dabei. Es ist beeindruckend, wie sehr sich die Teilnehmer engagieren. Das sind ja alles Multiplikatoren, die das Thema Energiewende und fundierte Informationen zu ihrer Umsetzung in die Bevölkerung hineintragen.« Empfehlenswert wäre laut Schmidt möglicherweise, den Klimarat nicht allein seitens des BMK zu tragen, sondern seitens der gesamten Bundesregierung. Andernfalls bestehe eventuell das Risiko parteipolitischer Punzierung.

Leichter durchschaubar: Die Sichtbarkeit mancher Infrastrukturen könnte die Energiewende und damit das Energiesystem transparenter machen. (Bild: Verbund)

Was Erfolge der eigenen Kommunikationstätigkeit von Oesterreichs Energie betrifft, verweist Schmidt nicht zuletzt auf die »Stromstrategie 2030« des Verbandes. Sie zeigte gerade auch der Politik frühzeitig, wie eine klimaverträgliche, sichere und erschwingliche Versorgung Österreichs mit elektrischer Energie aussehen könnte. »Damit sind wir gut gefahren. Es ging nicht um die Akzeptanz für konkrete Projekte, sondern darum, zu wissen, wohin die Reise gehen kann.« Als Branchenverband könne Oesterreichs Energie »nur« die großen Linien kommunizieren: »Die Diskussionen im Wirtshaus über den Windpark am Ortsrand muss der Projektbetreiber selbst führen.« 

Fehlendes Wissen

Stichwort Windpark am Ortsrand: »Leider haben wir auch in Österreich das ›Not-in-my-backyard‹-Phänomen. Die Akzeptanz der Bevölkerung für den Bau der Infrastruktur für die Energiewende ist nicht immer gegeben«, bestätigte Jürgen Schneider, der Leiter der Sektion Klima und Energie im Energieministerium (BMK), bei einer Veranstaltung von »Scientists for Future«. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ermögliche die Bundesregierung die Etablierung von Energiegemeinschaften in ihren unterschiedlichen Formen. Damit könnten die Bürger an der Energiewende teilnehmen und durch die Nutzung selbst erzeugter Energie Vorteile aus der »Wende« ziehen. Bei Infrastrukturvorhaben bewähre es sich, die betroffene Bevölkerung frühzeitig einzubinden: »Wenn ein Projektentwickler das tut, kann er meistens mit größerer Akzeptanz rechnen.«

»Relativ deutlich« zeigt sich laut Schneider bisweilen, »dass das Wissen um die Energiewende in der Bevölkerung doch noch nicht so verbreitet ist, wie wir das vermutet hätten«. Breite Kreise hätten zwar von der Klimakrise und der Notwendigkeit der Energiewende gehört. Was sie selbst zum Gelingen der Wende beitragen können, sei ihnen indessen häufig nicht klar. Im vergangenen Herbst habe das BMK versucht, mit der Kampagne »Holt die Leichen aus dem Keller« gegenzusteuern. Überlegt werde nun, die Kommunikationstätigkeit zur Energiewende im Allgemeinen zu intensivieren.


»Aha-Moment erzeugen«

Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung sieht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende vor. Eine davon ist das »Ausrollen einer Kommunikationskampagne Klimaschutz«. Wie eine solche Kampagne zu konzipieren und umsetzen wäre, schildert Birgit Kacerovsky, Mitglied der Geschäftsführung der Wiener PR-Agentur Klar: »Klimaschutz und Energiewende sind schwer fassbare Begriffe. Daher ist es besonders wichtig, das Ziel genau zu kennen und in klar verständliche Botschaften zu übersetzen.«

PR-Managerin Birgit Kacerovsky: »schwer fassbaren Begriff ›Energiewende‹ in ­verständliche Botschaften übersetzen.« (Bild: Klar/Peter Rigaud)

Zunächst müssten die Kommunikationsziele, Botschaften und Dialoggruppen genau definiert werden. Kommunikation kann viel, aber nicht alles, daher ist klar zu trennen zwischen Zielen der Institution und der Kommunikation. Darauf aufbauend könne man Strategien und einen integrierten Maßnahmenplan entwickeln. Dieser sollte Werbung, klassische Medienarbeit, Social-Media-Aktivitäten, Veranstaltungen sowie partizipative Formate enthalten: »Ernstgemeinte Dialogangebote und die Möglichkeit mitzugestalten sind entscheidend, um etwas zu erreichen. Die Dialoggruppen müssen wir möglichst genau kennen, damit wir nicht an den Bedürfnissen jener vorbei kommunizieren, die erreicht werden sollen.«

Gerade bei Bewusstseinsbildungskampagnen sollte man sich auch mit deren Einstellungen und Haltungen beschäftigen. Menschen haben üblicherweise eine Story im Kopf. Man braucht eine bessere und muss einen neuen Blickwinkel schaffen, um einen Aha-Moment zu erzeugen. Budget und Erwartungshaltungen müssen ebenfalls zusammenpassen. Als gut gelungen erachtet Kacerovsky die Kampagne »Holt die Leichen aus dem Keller«. Mit dieser versuchte das Energieministerium im Herbst 2021, die Bevölkerung zum Umstieg auf Heizsysteme zu bewegen, die nicht auf fossilen Energieträgern basieren. Das sei natürlich keine vollständige Klimaschutzkampagne, könne aber sehr wohl Teil einer solchen sein: »Das ist eine klare, gut erzählte Geschichte, die Aufmerksamkeit schafft.«

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