Freitag, April 26, 2024
Speicher in den Startlöchern

Leistungsfähige Speicher nehmen eine Schlüsselrolle beim Umbau des Energiesystems ein. Zahlreiche Piloten und bereits marktreife Produkte aus Österreich zeigen: Die Wirtschaft nimmt die künftige Versorgungssicherheit selbst in die Hand.

Es ist ein Ziel, das noch in weiter Ferne scheint. Derzeit müssen laut Angaben der APG die Energieversorger zwischen September und April die Hälfte der Stromnachfrage mit thermischen Kraftwerken und Strom aus dem Ausland decken. Doch bis 2030 will sich Österreich bilanziell zu 100 Prozent mit Strom aus Erneuerbaren versorgen. Der massive Zuwachs an Photovoltaik, Biomasse, Wind- und Wasserkraft soll die nötigen 27 TWh dazu liefern. Und mit der Abkehr von der stofflichen Speicherung fossiler Energie gewinnen Energiespeicher stark an Bedeutung.

Neue Technologien und Lösungen werden benötigt, um die verstärkte Integration erneuerbarer Energie im Energiesystem zu ermöglichen und trotz schwankendem Angebot aus Wind und Sonne eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Denn die vorhandenen Pumpspeicher- und Biomassekraftwerke, die aktuell neben fossilbetriebenen Kraftwerken zur Sicherung der Versorgung eingesetzt werden, reichen nicht aus. 
Wasserstoffdruck- und Eisspeicher sind wie die Salzwasser- und die Redox-Flow-Batterie, Power-to-Gas sowie die Vollgipsplatte zur Erhöhung der Speicherkapazität bereits am Markt, bei thermochemischen Speichern ist noch erhöhter Forschungsbedarf gegeben.

Generell sind Lösungen für innovative Speichersysteme am Markt laut Kurt Leonhartsberger, Produktentwickler bei dem Clean-Tech-Unternehmen neoom group, noch überschaubar. »Es ist aber davon auszugehen, dass die Zahl der Firmen und Forschungseinrichtungen im Bereich innovativer Speichersysteme in den nächsten Jahren deutlich steigen wird«, ist er überzeugt. Die Freistädter beliefern mit einem breiten Batteriespeicher-Portfolio Wirtschaft und Haushalte in der Modulbauweise. So wird das Produkt »Blokk« – ein Komplettsystem bestehend aus Batteriespeicher und intuitiver Lademanagement-Software – bei kleineren Gewerbebetrieben ebenso wie bei Großanlagen und in der Industrie für Anwendungen bis in den Megawattbereich eingesetzt.



Kurt Leonhartsberger, neoom group, geht davon aus, dass innovative und grüne Stromspeichersysteme bald einen festen Platz in Wirtschaft und Forschung einnehmen werden. 

Speichermarkt voraus


Vom Maschinenbau über Assembling und Engineering bis zu Forschung und Energieversorgung – heimische Unternehmen und Institute arbeiten mit Hochdruck an neuen Speichertechnologien. Ein kurzer Blick in die Branche: Erdbeckenspeicher wandeln Strom in Wärme um und speichern industrielle Abwärme. Die Wiener Netze forschen mit dem AIT am Einsatz von Batterien in der städtischen Stromversorgung. Die RAG Austria, ein Betreiber von Gasspeichern, setzt vor allem auf die großvolumige, intersaisonale Speicherung von Wasserstoff. Mit der »Underground Sun Storage«-Technologie soll durch Elektrolyse erzeugter Wasserstoff in alten, entleerten Gasspeichern gelagert und bei Bedarf mit CO2 angereichert werden, um Methan zu erzeugen.

»giga_TES« wiederum ist ein großvolumiges thermisches Speichersystem für die Versorgung von Stadtteilen, das von AEE Intec unter anderen mit Porr und der Salzburg AG entwickelt wurde. Denn gerade Fernwärmenetze, die vollständig mit erneuerbaren Energien versorgt werden, benötigen entsprechende Lösungen, um große Mengen von erneuerbarer Wärme oder Abwärme über eine Saison speichern zu können.

Im Projekt »FeldBATT« wird am AIT der Einsatz eines Batteriespeichersystems als Quartierspeicher für Gewerbe und lokale Großverbraucher untersucht. Mit dem System soll die Eigenbedarfsdeckung aus lokalen Erzeugungseinheiten erhöht und im Falle eines Netzausfalles die lokale Versorgung aufrechterhalten werden. Bei der Pilotanlage »wind2hydrogen« wandelt ein Konsortium aus OMV, EVN, Fronius, HyCentA und der Johannes Kepler Universität erneuerbaren Strom in Wasserstoff zur Speicherung und zum Transport im Erdgasnetz um.



PV-Batteriespeicher haben in Österreich in den letzten Jahren einen Höhenflug erfahren. Ende 2020 gab es 11.908 PV-Speichersysteme mit einer kumulierten nutzbaren Speicherkapazität von 120.594 kWh. Quelle: BMK/Technikum Wien. 

Und das Green Energy Lab beschäftigt sich im Projekt »SecondLifeBatteries4Storage« mit alten Batterien aus Elektroautos und deren möglichem Einsatz zur Glättung von Lastspitzen oder zur Energierückgewinnung im industriellen Kontext. Die Second-Life-Akkus können zu größeren, stationären Stromspeichern zusammengefasst werden und auch für die Netzstabilisierung oder als Blackout-Reserve dienen. In »BatterieSTABIL« nutzt die EVN Österreichs größten Batteriespeicher mit einer Leistung von 2,5 MW und einer Speicherkapazität von 2,2 MWh zur Stabilisierung des Stromnetzes.

Peter Biermayr, Inhaber des Ingenieurbüros ENFOS und Leiter zahlreicher Forschungsprojekte im Energiebereich, ist überzeugt: »Wir wissen nicht, welche Eigenschaften Speicher benötigen, damit wir hundert Prozent bilanziell erneuerbar versorgt sind. Empfehlungen sind daher schwierig. Fest steht aber, dass deutlich mehr Speicherkapazität erforderlich ist. Viele Unternehmen stehen noch in den Startlöchern.«


Speicher: Missing Link für die Energiewende

Elektrische Energie kann vielfältig gespeichert werden: mechanisch (Pumpspeicher, Druckluftspeicher), elektrochemisch (klassische Batterie), chemisch (Umwandlung von Strom in Wasserstoff/Methan), elektrisch (magnetische Speicher) und thermisch.

- Pumpspeicher erreichen einen Wirkungsgrad von bis zu 85 Prozent, bei Bedarf kann Strom binnen weniger Minuten ins Netz gespeist werden. Dies ist für den Ausgleich plötzlicher und unvorhersehbarer Netzfrequenzschwankungen besonders wichtig.

- Die Stärke von grünem Wasserstoff ist hohes Speicherpotenzial, das Gas kann über Jahre bereitgehalten werden. Er eignet sich dort, wo hohe Leistungen und große Reichweiten gefordert sind, etwa bei Bussen, LKW, Zügen oder Schiffen.

- Bei Power-to-Gas wird Wasser mit Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Dieser Wasserstoff kann direkt genutzt werden oder wird durch Zugabe von CO2 in synthetisches Methan umgewandelt und wie Erdgas verwendet.

- Batterien sind optimale Kurzzeitspeicher um flexible Gaskraftwerke zu ergänzen. Überschüssiger Strom aus der hauseigenen Photovoltaikanlage kann mit Batteriespeichern gespeichert und bei Bedarf für den Eigenverbrauch genutzt werden.


Staatliche Unterstützung von Investitionen

2015 hat der Klima- und Energiefonds eine Speicherinitiative ins Leben gerufen, um potenziellen Marktteilnehmer*innen Informationen über Speichertechnologien und Anwendungsgebiete bereitzustellen, den Erfahrungsaustausch zu erleichtern und das vorhandene Wissen zu sammeln und zur Verfügung zu stellen. Zehn Felder wurden definiert, mit denen bis 2030 eine nachhaltige Integration von Speichersystemen in das zukünftige Energiesystem ermöglicht werden soll:

- Direkte und indirekte Nutzung von Strom- und Wärmespeichern durch Energieversorger.

- Einsatz von Batteriespeichern zur Lastspitzenreduktion in der Industrie.

- Saisonale Stromspeicherung über Power-to-Gas-Anlagen.

- Saisonale Wärmespeicherung mit Erdbeckenspeichern, Erdsondenfeldern oder thermochemischen Speichern.

- Netz- und systemdienliche Nutzung privater Strom- und Wärmespeicher.

- Nutzung von Stromspeichern in Energiegemeinschaften.

- Wärmespeicher zur Abwärmenutzung in Industrie- und Gewerbebetrieben.

- Batterien von Elektrofahrzeugen zur lokalen Netzstabilisierung.

- Lokale Stromspeicher netz- und systemdienlich für Netzbetreiber.

- Stromspeicher in Energiegemeinschaften als virtuelles Kraftwerk.

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