Thursday, May 01, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

In Zusammenarbeit mit ATEUS Rechtsanwälte zeigt der Bau & Immobilien Report, wie Green-Building-Zertifikate in Planerverträge eingebunden und die daraus resultierenden Pflichten definiert und zugeordnet werden können.

Bild: iStock

Die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien im Bauwesen spiegelt sich unter anderem in der wachsenden Relevanz von Green-Building-Zertifikaten wider, ohne die Gebäude heute nur mehr schwer verwertbar sind. Zwar führen erhöhte Planungs- und Errichtungskosten oft zu anfänglichen Mehrinvestitionen, doch werden diese durch signifikant reduzierte Betriebs- und Folgekosten langfristig kompensiert. Insbesondere durch optimierte Energieeffizienz, ressourcenschonende Materialien und nachhaltige Gebäudetechnik sinken die Lebenszykluskosten erheblich.

Mit der Integration dieser Standards in Bauprojekte wachsen jedoch auch die Anforderungen an die Planungsverträge und die Haftungsrisiken der beteiligten Planer. Es gibt eine Vielzahl an verschiedenen Anbietern für Green-Building-Zertifikate, die sich in Kriterien und Bewertung teilweise unterscheiden. Die wichtigsten Zertifizierungssysteme in Österreich sind klimaaktiv, TQB, BREEAM, LEED und DGNB (siehe Infokasten unten). Aspekte einer Nachhaltigkeitszertifizierung umfassen in der Regel die ökonomische, ökologische und soziokulturelle Dimension, die sich jeweils gegenseitig beeinflussen (Brugger/Gächter, Die Implementierung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Projektentwicklungsprozess, bauaktuell 2014, 18.).

Vertragliche Einbindung der Nachhaltigkeitsziele
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten zur vertraglichen Einbindung von Green-Building-Zertifikaten in Planerverträge. Eine klare Regelung ist dabei notwendig, um Pflichten festzulegen und zuzuordnen.

1. Leistungsbeschreibung

Nachhaltigkeitsziele im Planervertrag können entweder konstruktiv oder funktional beschrieben werden. Bei der konstruktiven Leistungsbeschreibung werden konkrete Vorgaben festgelegt, die der Planer umsetzen muss, um die Zertifizierungsziele zu erreichen: Der Planer kann z. B. verpflichtet werden, dass bestimmte Baumaterialien, Energiekonzepte oder technische Lösungen eingesetzt werden. Die funktionale Leistungsbeschreibung ermöglicht dem Planer mehr Gestaltungsfreiheit, da hier lediglich festgelegt wird, dass das Gebäude am Ende einem bestimmten Zertifizierungsstandard entsprechen muss. Dabei bleibt es dem Planer überlassen, mit welchen Maßnahmen er dieses Ziel erreicht.

Möglich ist auch eine hybride Leistungsbeschreibung, bei der diese beiden Arten kombiniert werden: Dabei werden bestimmte wesentliche Bauteile oder Maßnahmen konstruktiv vorgegeben (z. B. Nutzung bestimmter energieeffizienter Techniken oder Baumaterialien), während andere Nachhaltigkeitsziele funktional beschrieben werden, sodass der Planer einen gewissen Spielraum in der Umsetzung hat.

2. Vertragsklauseln zur Erreichung einer bestimmten Zertifizierungsstufe

Der Vertrag kann festlegen, dass der Planer verpflichtet ist, eine bestimmte Zertifizierungsstufe (z. B. Gold oder Platin) eines Green-Building-Zertifikats zu erreichen. Dabei werden häufig auch die Bewertungskriterien des jeweiligen Zertifizierungssystems (z. B. Ökologie, Energieeffizienz, Materialien, Wasserverbrauch) in den Planungsauftrag aufgenommen.
Verbindliche Vorgaben können beinhalten, dass bestimmte Punkte oder Kategorien innerhalb des Zertifizierungssystems erfüllt werden müssen, um die gewünschte Stufe zu erreichen.

Bei ergebnisorientierten Vorgaben schuldet der Planer nur das Erreichen des Zertifikats mit der entsprechenden Stufe, ohne dass bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Dies setzt voraus, dass die Zertifizierung als Vertragsziel explizit genannt wird.

3. Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit einem Zertifizierungsberater (Auditor)

Ein Planungsauftrag mit Zertifizierungszielen kann auch eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit einem Zertifizierungsberater (Auditor) umfassen. Der Auditor begleitet den Zertifizierungsprozess und steht sowohl dem Bauherrn als auch dem Planer als Berater zur Verfügung. Der Planer könnte vertraglich verpflichtet sein, mit dem Auditor zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass die geplante Ausführung den Zertifizierungsanforderungen entspricht.

4. Verpflichtung zur Erstellung einer zertifizierungsfähigen Planung

Der Vertrag kann den Planer zur Erstellung einer zertifizierungsfähigen Planung verpflichten. Das bedeutet, dass die Planung alle notwendigen Voraussetzungen erfüllen muss, um das angestrebte Zertifikat zu erhalten, ohne dass der Planer den Zertifizierungserfolg schuldet. In der Praxis bedeutet dies, dass der Planer alle Dokumente, Nachweise und Planungsunterlagen entsprechend den Anforderungen des Zertifizierungssystems vorbereitet und einreicht.

5. Fortlaufende Überwachung und Optimierung

Der Planer könnte auch vertraglich verpflichtet werden, den Planungsprozess fortlaufend zu überwachen und gegebenenfalls Optimierungen vorzunehmen, um sicherzustellen, dass die Zertifizierungsziele nicht gefährdet werden. Dies könnte regelmäßige Überprüfungen der Planung oder Anpassungen in Absprache mit dem Bauherrn und ggf. dem Auditor umfassen.

Haftung/Anreizsysteme für den Planer
Der Bauvertrag kann verschiedene Regelungen vorsehen, um dem Planer einen Anreiz zu geben, die konkret vorgegebenen Ziele zu erreichen. Dafür können auch Abstufungen vorgesehen sein, sodass beispielsweise die vertraglichen Regelungen in verschiedener Intensität greifen, je besser etwa eine Klassifizierung ist. So kann die Erreichung des Zieles als Werkerfolg vereinbart werden. Erreicht der Planer das Ziel nicht, steht dem Planer in der Folge auch nicht das dafür vereinbarte Entgelt zu.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Nichterreichen gewisser vorher definierter Parameter oder Ziele mit Vertragsstrafen/Pönalen zu belegen.

Neben derartigen Sanktionen kann auch ein Bonus-Malus-System zum Ziel führen. Denkbar ist etwa ein Bonus, der sich mit besserer Klassifizierung erhöht, wobei gleichzeitig die Budgetvorgaben eingehalten werden. Sollten die Ziele nicht erreicht werden, ergibt sich ein Malusbetrag.

Fazit
Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten zur vertraglichen Einbindung von Green-Building-Zertifikaten in den Planerauftrag. Jedenfalls werden dadurch Nachhaltigkeitsziele in einer frühen Projektphase thematisiert und festgehalten. Dies erleichtert die spätere Umsetzung und fördert eine optimierte Abstimmung zwischen Planern und ausführenden Unternehmen. Dadurch zeigt sich Engagement für eine nachhaltigere, zukunftssichere Ausführung und progressives Auftreten in der Baubranche.

 

Infokasten

Bei klimaaktiv des BMK erfolgt die Abstufung anhand eines Tausend-Punkte-Systems, wobei jede Kategorie unterschiedlich gewichtet wird. Die »Muss-Kriterien« für eine Zertifizierung sind Standort, Energie und Versorgung, Baustoffe und Konstruktion sowie Komfort und Raumluftqualität.

Ganz ähnlich gelagert ist TQB der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB).

Das britische Green-Building-Zertifikat BREEAM bewertet mit einem Prozentwert bzw. im Ergebnis mit einem Fünf-Sterne-System anhand der Kategorien Energie, Wasser, Material, Transport, Abfall, Umwelt, Gesundheit, Management und Ökologie.

LEED wird vom U. S. Green Building Council vergeben und bewertet in den Kategorien Sustainable Sites, Water Efficiency, Energy and Atmosphere, Materials and Resources, Indoor Environmental Quality, Innovation in Design or Operation, Regional Priority, Integrative Process und Location and Transportation.

Das System der DGNB wird in Österreich vom Austrian Sustainable Building Council (ÖGNI) angewandt und bewertet die ökologische Qualität, ökonomische Qualität, technische Qualität, Prozessqualität, Standortqualität sowie soziokulturelle und funktionale Qualität.


Vertragliche Einbindung der Zertifizierungsziele

nachh25_graf1n.jpg

Haftung und Anreize

nachh25_graf2.jpg

 

Die Autor*innen

nach25autorinnen.jpg
Rana Gomari und Dieter Stibi sind Partner bei ATEUS Rechtsanwälte in Wien. Mit ihrer Spezialisierung im Bau- und Bauvertragsrecht, Immobilien- und Vergaberecht bieten sie umfassende Beratung und Vertretung bei Infrastrukturprojekten, Hoch- und Tiefbauprojekten unter Einbindung alternativer Vertragsmodelle zur erfolgreichen Projektrealisierung. Dieter Stibi ist darüber hinaus Insolvenzverwalter und verfügt über besondere Expertise im Insolvenzrecht.
www.ateus.at 

ThemaThema

Frauen unterrepräsentiert - Fakten und Gründe

Frauen haben in der Bauwirtschaft nach wie vor einen schweren Stand. Vor allem in technischen Berufen sind sie eine sehr seltene Spezies, wie eine Umfrage des Bau & Immobilien Report zeigt. Hürden und Stolpersteine sind zahlreich, immer mehr Unternehmen setzen aber auch bewusst Maßnahmen, um den...