Montag, April 29, 2024
IKT-Branche auf dem Prüfstand
Wie grün kann die IKT-Branche werden? (Fotocredit: iStock)

Digitale Transformation, Datenanalyse, Energie- und Verbrauchsoptimierung: Der Wirtschaft hilft das bei der langfristigen Einsparung von Emissionen - dabei vergisst man leicht, dass Netze, Rechenzentren und nicht zuletzt die Endgeräte selbst unheimlich viel Strom verbrauchen. Eine neue Studie von BearingPoint und Handelsblatt Research geht der Frage nach, wie nachhaltig die IKT-Branche tatsächlich ist - und wo Einsparpotenziale schlummern. 

Wie nachhaltig digitale Dienste sind, können selbst Expert*innen oft kaum beantworten. Grund dafür ist, dass die Wertschöpfungsketten als auch Infrastrukturen hochkomplex sind. Hier braucht es eindeutig mehr Transparenz - so lautet die Kernbotschaft der Studie »Network Sustainability: Mehr Nachhaltigkeit in der Telekommunikation« der Management- und Technologieberatung BearingPoint und des Handelsblatt Research Institute (HRI). 

Endgeräte verursachen die meisten Treibhausgasemissionen

Die EU-Kommission geht davon aus, dass der IKT-Sektor zu etwa vier Prozent der europaweiten CO2-Emissionen beiträgt - vergleichbar mit denen des Luftverkehrs. Ein Großteil des ökologischen Fußabdrucks entfällt dabei auf die Endgeräte, einzelne Schätzungen gehen sogar bis zu einem Anteil von 80 Prozent aus. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die große Anzahl der Geräte. Die meisten klimaschädlichen Stoffe werden außerdem bereits bei der Produktion freigesetzt. Also einfach weniger kaufen? Laut Studie gibt es auch andere Lösungen - zum Beispiel stationäre durch verbrauchsoptimierte mobile Geräte zu ersetzen. Hoffnung macht auch der erwartete technische Fortschritt bei Display-Technologien. 

Gesamten Fußabdruck sichtbar machen

Die Forschung zum ökologischen Fußabdruck der digitalen Infrastruktur fokussiert weitgehend auf den Stromverbrauch und die Treibhausgasemissionen, obwohl auch andere Umweltwirkungen potenziell relevant für die Nachhaltigkeit der Branche sind. Dazu zählen beispielsweise die Verwendung seltener Erden in Geräten und Netzkomponenten oder der Wasserverbrauch zur Kühlung von Rechenzentren. Auch der Rohstoffeinsatz bei der Herstellung von Kabeln oder Antennen und der Modernisierung der Netzwerkausrüstung kann möglicherweise die Umwelt schädigen. Diese Effekte lassen sich aber schwieriger quantifizieren und vergleichen. 

Neue Technologien bergen hohes Einsparpotenzial

Die Digitalisierung geht mit einem exponentiell ansteigenden Datenvolumen einher - und bedingt ein dementsprechendes Wachstum digitaler Infrastrukturen. Expert*innen rechnen bis 2030 mit einem Emissionsanstieg im IKT-Sektor: Im optimistischsten Szenario bleibt der Beitrag zum globalen CO2- Ausstoß noch annähernd konstant; im pessimistischen Szenario jedoch könnte sich der Anteil auf 14 bis 24 Prozent erhöhen.

Julius Hafer, Partner bei BearingPoint, erklärt: »Die Telekommunikationsindustrie ist hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit ein spannender Sonderfall. Zum einen ist sie Wegbereiterin der Digitalisierung und ermöglicht massive Einsparungen in anderen Industrien, zum anderen führt dies zu steigenden Datenvolumina in den eigenen Netzen und Rechenzentren und damit einem steigenden CO2-Verbrauch. Der Hype um künstliche Intelligenz wird das nochmals verstärken.« Dieser Entwicklung müsse die IKT-Branche durch Innovationen und verändertes Nutzungsverhalten entlang der gesamten Wertschöpfungskette entgegenwirken, meint Hafner: »Insbesondere Zulieferer für Hardware und Endgeräte sowie Transport und Entsorgung müssen hier stärker in den Fokus rücken.«

Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G geht der Datenverkehr nicht nur schneller, er birgt auch großes CO2-Einsparpotenzial. (Grafik: BearingPoint)


Die wichtigste Einzelmaßnahme ist laut Studie die ausschließliche Nutzung von Ökostrom. Als größte Stellschrauben nennen die Autor*innen die Abschaltung alter Netzwerktechnologien, den Einsatz energiesparender Ausbautechniken sowie das Refurbishment von Netzkomponenten. Glasfasernetze und 5G tragen direkt und indirekt zu mehr Nachhaltigkeit bei, indem sie das Datenvolumen mit geringerem Energieverbrauch erledigen, andererseits sind sie auch Enabler für IoT-Lösungen, die den Energieverbrauch in allen Wirtschaftsbereichen reduzieren.

»Der relative Anteil der Rechenzentren am ökologischen Fußabdruck dürfte weiter zunehmen, da die Datenverarbeitungskapazität aktuell schneller wächst, als sich die Energieeffizienz verbessert. Doch die neuen Technologien, wie beispielsweise 5G und Glasfaser, ermöglichen enorme Energieeinsparpotentiale. Allein mit dem Wechsel aller Haushalte in der EU vom aktuellen Technologiemix zu dezidierten Glasfasernetzen können bis zu 90 Prozent des mit dem Netzbetrieb verbundenen Energieverbrauchs eingespart werden«, rechnet Marcel Tietjen, Partner bei BearingPoint, vor. Im Gegensatz zur aktuellen Mobilfunkinfrastruktur ermöglichen 5G-Netze außerdem den Standby-Betrieb - und die gezielte Bereitstellung von Übertragungskapazität.

Politik und Nutzer sind ebenfalls gefragt

»Die Politik stellt die Weichen und sollte die Branche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit aktiv unterstützen - beispielsweise bei der Entwicklung geeigneter Indikatoren, mit deren Hilfe sich Fortschritte bei der Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks glaubhaft dokumentieren lassen«, resümmiert Sven Jung, Director Economic Analysis & Financial Planning beim HRI. Co-Autor Frank May ergänzt: »Nachhaltigkeitsgesichtspunkte können auch bei der Telekommunikationsregulierung besser mit den Ausbauzielen in Einklang gebracht werden. Ziel sollte die Vermeidung ineffizienter Infrastrukturduplizierung durch strategischen Überbau sein, sodass Open Access, Infrastructure Sharing und Kooperationsmodelle den Vorrang bekommen.« Und auch die Nutzer*innen müssen besser informiert werden, »damit sie wissen, wie sie insgesamt nachhaltiger beim Einsatz der Hard- und Software werden können«, schlägt Tietjen vor. 


Mehr Infos: Die vollständige Studie finden Sie unter folgendem Link: www.bearingpoint.com

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