Wednesday, December 17, 2025

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Mehr Effizienz, klare Grenzen: Im Gespräch mit Martin Wunderwald, Portfolio Lead AI & Cognitive Services, Telekom MMS.

Martin Wunderwald ist ein erfahrener AI-Stratege der Telekom MMS.


Auf welchem Stand sehen Sie das Thema KI-Agenten bei Energieversorgern?
 

Martin Wunderwald: Laut unserer aktuellen Studie zum Einsatz von KI-Agenten stehen die meisten Unternehmen eher noch am Anfang: Viele beschäftigen sich mit dem Thema in Strategie- oder Recherchephasen, einige testen Pilotprojekte, nur wenige haben bislang produktive Lösungen großflächiger im Einsatz. Größere Unternehmen und Verbünde sind hier meist weiter als beispielsweise kleinere Stadtwerke. 

Dabei ist das Potenzial für Unterstützung und Entlastung der menschlichen Mitarbeiter hoch. Und das ist nötig, denn durch den Fachkräftemangel arbeiten einige Teams nah an der Belastungsgrenze. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: strengere Regulierung, Ausbau erneuerbarer Energien, höhere Serviceerwartungen. Daher haben viele Versorger in den vergangenen Jahren intensiv an Effizienzprogrammen gearbeitet. 

KI-Agenten sind hier ein logischer nächster Schritt. Sie übernehmen Routineaufgaben, führen Informationen aus verschiedenen Systemen zusammen und bereiten Entscheidungen vor. Das schafft freie Kapazitäten für Aufgaben, die menschliche Erfahrung und Verantwortung erfordern. 

Wie definieren Sie KI-Agenten? 

Wunderwald: Ein KI-Agent ist ein intelligenter Assistent mit einem klaren Auftrag. Er nimmt Informationen auf, plant die nötigen Schritte, führt sie aus und stößt Aktionen an – etwa eine Datenabfrage, das Anlegen eines Tickets oder die Vorbereitung einer Antwort im Kundenservice. Technisch basiert das meist auf einer Kombination aus Sprachmodellen, Geschäftslogik und Schnittstellen für die bestehende Systemlandschaft. 

Wo sehen Sie aktuell den größten Nutzen für KI-Agenten in der Energie- und Versorgungswirtschaft? 

Wunderwald: Ein typischer Startpunkt ist der Kundenservice. KI-Agenten können Anfragen vorsortieren, Daten aus Abrechnung oder Kundendatenbanken zusammenführen und Mitarbeitenden strukturierte Antwortvorschläge liefern. Das verkürzt Bearbeitungszeiten und reduziert Rückfragen. Daneben sehen wir viel Potenzial im Störungs- und Wartungsumfeld: Agenten bündeln Meldungen aus verschiedenen Kanälen, verknüpfen sie mit Stammdaten und schlagen Prioritäten vor. Im Backoffice unterstützen sie bei der Verarbeitung von Zählerständen, Formularen und Dokumenten. Und sie helfen im Wissensmanagement, indem sie Richtlinien, Handbücher und historische Fälle schnell zugänglich machen – das ist gerade für das Onboarding neuer Mitarbeitenden ein wichtiger Aspekt. 

Viele Versorger tragen Verantwortung für kritische Infrastrukturen und bewegen sich in einem stark regulierten Umfeld. Wo sehen Sie heute sinnvolle Einsatzgrenzen für KI-Agenten, und wo halten Sie den produktiven Einsatz bereits für vertretbar? 

Wunderwald: In kritischen Steuerungsfunktionen setzen verantwortungsbewusste Versorger heute weiterhin auf menschliche Entscheidungshoheit. KI-Agenten kommen dort – wenn überhaupt – eher unterstützend zum Einsatz, etwa in der Informationsaufbereitung oder Dokumentation. 

Gut vertretbar ist der produktive Einsatz, wenn Agenten Entscheidungen vorbereiten und die finale Verantwortung bei Menschen liegt. Das gilt zum Beispiel für die Vorqualifizierung von Tickets, die Strukturierung von Kundenanliegen oder die Auswahl möglicher nächster Schritte. Entscheidend ist dabei eine klare Rollenverteilung: Was darf ein Agent selbst ausführen, wo braucht es eine Freigabe und wann ist zwingend eine Fachkraft gefragt? 

Aus Sicht eines CIOs in einem Energieunternehmen: Welche Voraussetzungen müssen für einen produktiven Einsatz von KI-Agenten erfüllt sein? 

Wunderwald: In unserer Studie nennen IT-Entscheider:innen am häufigsten Rechtssicherheit als zentrale Voraussetzung für den Einsatz von KI-Agenten. Viele wollen zunächst verstehen, wie sich konkrete Lösungen mit Datenschutzrecht, dem EU AI Act und branchenspezifischen Vorgaben vereinbaren lassen. Solange diese Fragen offen sind, bleibt die Diskussion über KI-Agenten in vielen Organisationen eher konzeptionell. 

Genauso wichtig ist die Integration in bestehende IT- und Compliance-Strukturen. Agenten müssen sich in Identitäts- und Rechtemanagement, Monitoring, Logging und die vorhandenen Prozesse einfügen. Außerdem ist Transparenz über die Entscheidungsprozesse wichtig: Man muss nachvollziehen können, welche Argumente zu den Vorschlägen des Agenten führen. 

Hinzu kommen klare Regeln und Zuständigkeiten im Unternehmen: Wer verantwortet welche Anwendungsfälle, wer entscheidet über Anpassungen, wie sieht das Betriebsmodell aus? Viele Unternehmen starten deshalb mit wenigen, gut abgegrenzten Use Cases, setzen diese sauber um und übertragen die Erfahrungen anschließend auf weitere Bereiche. 

Wie sollten Energieversorger vorgehen, wenn sie planen, KI-Agenten einzusetzen? 

Wunderwald: Am Anfang sollte eine klare Aufgabenstellung stehen: Welches Problem wollen wir als erstes lösen – etwa Wartezeiten im Kundenservice, Medienbrüche im Störungsprozess oder manuelle Arbeiten im Backoffice? Darauf aufbauend sollten Fachbereiche und IT Schritt für Schritt vorgehen: Einen abgegrenzten Use Case festlegen, einen Pilot mit definierten Erfolgskriterien aufsetzen und von Anfang an Governance, Datenschutz und IT-Sicherheit mit einbinden. Was funktioniert, wird ausgebaut. 

KI-Agenten verändern den Kontakt zu Kund:innen und die Arbeit in Service- und Backoffice-Teams. Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend, um hier eine möglichst große Akzeptanz zu erreichen? 

Wunderwald: Kund:innen erwarten Transparenz. Sie wollen wissen, ob sie mit einer KI sprechen, welche Aufgaben diese übernimmt und wie mit ihren Daten umgegangen wird. Wichtig ist außerdem, dass sie bei Bedarf einfach zu einem menschlichen Ansprechpartner wechseln können. Unsere Befragungen zeigen, dass Nachvollziehbarkeit und Kontrolle für viele wichtiger sind als technische Details. 

Für Mitarbeitende ist entscheidend, dass sie die Rolle des Agenten verstehen und im Alltag einen konkreten Nutzen erleben. Gute Projekte binden Service- und Backoffice-Teams früh ein, holen Feedback ein und zeigen, welche Tätigkeiten entfallen oder einfacher werden. Schulungen, klare Richtlinien und sichtbare Erfolge wirken hier deutlich stärker als jede Technologie-Demo. 

Lassen sich mit KI-Agenten auch neue Services und Geschäftsmodelle entwickeln? 

Wunderwald: Viele Unternehmen entwickeln derzeit Ideen für neue Services, etwa erweiterte Funktionen im Kundenportal oder zusätzliche Beratungsleistungen. Die Herausforderung dabei ist allerdings, dass die meisten Menschen einen erkennbaren KI-Agenten nur nutzen würden, wenn er kostenlos ist. Nur eine kleinere, eher technikaffine Gruppe kann sich ein Abo-Modell oder eine Bezahlung pro Nutzung vorstellen. KI-Agenten werden im Privatkundensegment also erst einmal eher Teil des Gesamtangebots sein. Das Geschäftsmodell rechnet sich hier vor allem über effizientere Prozesse und stärkere Kundenbindung. 

Bei Geschäfts- und Industriekunden ist eine direkte Bepreisung realistischer, weil sich Einsparungen durch optimierte Lastprofile oder weniger Aufwand im Energiemanagement klar beziffern lassen. 

Wie werden sich KI-Agenten in der Branche entwickeln? 

Wunderwald: Ich gehe davon aus, dass KI-Agenten in Zukunft bei vielen Versorgern unauffällig im Hintergrund mitarbeiten werden. Sie werden Standardanfragen vorbereiten, Informationen aus unterschiedlichen Systemen zusammenführen, Dokumente und Zählerstände verarbeiten und Wissen auf dem neusten Stand halten. Im Störungsmanagement werden sie Fälle bündeln, einordnen und Vorschläge für das weitere Vorgehen machen. 

Trotzdem bleiben zentrale Entscheidungen beim Menschen: die Ausgestaltung von Tarifen und Produkten, der Umgang mit Ausnahmesituationen und sensible Kundengespräche. Auch die Regeln festzulegen, innerhalb derer KI arbeiten darf, bleibt eine Führungsaufgabe. Wenn es gelingt, diese Rollen sauber zu trennen, werden KI-Agenten ein wichtiger Bestandteil der Betriebsführung sein und die Fachleute in den Unternehmen können sich stärker auf die Themen konzentrieren, die die Energiewende wirklich voranbringen. 

   

Über das Unternehmen

Telekom MMS begleitet Unternehmen bei der digitalen Transformation und entwickelt zukunftsfähige Geschäftsmodelle für digitale Erlebnisse. Als führender Digital Experience Service Provider bietet Telekom MMS kundenzentrierte End-to-End-Lösungen und macht Digitales erlebbar. Mit rund 2.150 Beschäftigten an zehn Standorten und einem Jahresumsatz von rund 233 Mio. € im Jahr 2024 bietet das Unternehmen ein dynamisches Web- und Application-Management und sorgt mit einem akkreditierten Test-Center für höchste Softwarequalität, Barrierefreiheit und IT-Sicherheit. www.telekom-mms.com

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