Wednesday, December 17, 2025

Mehrwert für Manager

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Die Ära der »Agentic AI« hat begonnen. Produktivität und Effizienz werden auf neue Beine gestellt, Menschen bekommen Hilfe bei ­ihren täglichen Aufgaben.

 

Der Hype um generative KI war ein Vorgeschmack. Jetzt definiert der Begriff »Agentic AI« die nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung. Matthias Patzak, Enterprise Strategist bei Amazon Web Services, beschreibt die agentenbasierte KI als kleine, spezialisierte Programme, die intelligente Systeme nutzen, um unstrukturierte und systemübergreifende Prozesse unter menschlicher Aufsicht zu koordinieren und abzuwickeln. Im Gegensatz zu herkömmlicher, starrer Automatisierungssoftware sind KI-Agenten flexibel und können dynamisch auf neue Kontexte und Situationen reagieren, indem sie Lösungswege vorschlagen und ihre Vorgehensweise anpassen. Diese Helfer nutzen oft Large Language Models (LLMs), um natürliche Sprache zu verstehen und komplexe Aufgaben schrittweise zu bewältigen. Die weitreichende strategische Bedeutung dieser Technologie wird dadurch unterstrichen, dass laut einer Capgemini-Umfrage 82 Prozent der Führungskräfte großer Unternehmen planen, agentenbasierte Systeme innerhalb der nächsten drei Jahre einzuführen.

Salesforce-Country-Managerin Manuela Mohr-Zydek sieht nun einen technologischen Kipppunkt. »Künstliche Intelligenz wird zu einem Produktivitätshebel über die gesamte Wertschöpfungskette«, sagt sie. Eine aktuelle Salesforce-Erhebung zeige ein enormes Potenzial, zugleich aber noch Unsicherheit im Umgang mit KI. Mohr-Zydek betont, wie wichtig Vertrauen in Daten und Plattformen sei, damit Unternehmen Agenten skalierbar einsetzen können. »Der Agent entscheidet nicht, aber er bereitet vor. Das entlastet Mitarbeiter*innen enorm.« In Marketing, Vertrieb und Service erleben Unternehmen bereits, wie Agenten Zusammenfassungen erstellen, Kampagnen vorbereiten, Leads priorisieren oder Supportanfragen beantworten. Salesforce wickelt intern mittlerweile über zwei Millionen Supportfälle pro Jahr über Agenten ab und beobachtet steigende Kundenzufriedenheit. Mohr-Zydek sieht darin keinen Ersatz menschlicher Arbeit, sondern eine notwendige Antwort auf den Fachkräftemangel: »Unternehmen haben zu wenige Mitarbeiter, nicht zu viele. KI ergänzt Teams, sie ersetzt sie nicht.«

Der Digitalisierungsexperte Michael Bendl von der DC1 Digital Consulting Group sieht KI-Agenten als logische Erweiterung moderner Prozesslandschaften. »Unternehmen brauchen nicht nur ein Werkzeug, sondern ein funktionierendes digitales Gesamtmodell«, sagt er. Für viele Kunden sei KI der Türöffner, um längst überfällige Digitalisierungsprojekte anzugehen. Routineaufgaben und Datenverarbeitung sind für ihn klassische Einsatzfelder. Bendl beschreibt, wie ein Kunde die Durchlaufzeit eines komplexen Formularprozesses von fünf Tagen auf wenige Stunden reduzieren konnte. »Ziel ist nicht, Menschen zu ersetzen, sondern ihnen monotone Aufgaben abzunehmen.«

Sein Kollege Manfred Pascher ergänzt, dass die meisten KI-Projekte zu einem großen Teil aus Prozessautomatisierung bestehen. Er warnt zudem vor Lock-in-Effekten und plädiert für flexible Architekturen, die den Austausch von Modellen erlauben. Unternehmen müssten dynamisch bleiben, da sich der KI-Markt in rasantem Tempo weiterentwickelt. Während arbeitsintensive Prozesse die klassischen Einstiegsfelder der Agentic AI darstellen, zeigen sich die größten Effekte in datenintensiven Branchen.

Eine Analyse von Digital Realty belegt, dass 79 Prozent der österreichischen Unternehmen bereits über formale Datenstrategien verfügen und zwei Drittel KI-Funktionen in ihre Produkte integrieren. Besonders auffällig ist die Angleichung von Datenstandortstrategien an KI-Pläne, da Unternehmen Daten dort halten wollen, wo sie verarbeitet werden. Die Herausforderung liegt in der Data Gravity, also der schieren Masse verteilter Daten. Ohne geeignete Infrastruktur scheitert KI oft im Ansatz. Unternehmen müssen Daten näher zu den Anwendungen bringen und hybride IT-Architekturen aufbauen, die Geschwindigkeit, Sicherheit und regulatorische Anforderungen vereinen. Daten sind längst nicht mehr eine technische, sondern eine strategische Ressource.

In der Fertigungsindustrie können KI-Agenten verschiedene Datenströme automatisch analysieren, die herkömmliche Systeme meist isoliert betrachten. Während früher das Lagerverwaltungssystem Engpässe erkannte und das CRM-System Kundentrends identifizierte, die Verknüpfung dieser Daten und die Reaktion darauf aber manuell blieben, erkennen Agenten nun Zusammenhänge zwischen Lagerbeständen, Kundenpräferenzen und externen Faktoren. Sie koordinieren entsprechende Maßnahmen systemübergreifend unter menschlicher Aufsicht. Patzak nennt dies die intelligente, überwachte Orchestrierung, welche den vollen Mehrwert der KI-Agenten entfaltet. Ein prominentes Beispiel aus dem Handel liefert der Holzwerkstoffproduzent Egger, der Agenten im Kundenkontakt testet. Diese Agenten beantworten Produktanfragen, beraten Nutzer zu Oberflächen und Maßen von Holzplatten und führen die Kommunikation bis zum Verkaufsabschluss. Mittlerweile ist auch ein automatisierter Musterversand live, was einen risikoarmen Lernbereich für KI gestützte Verkaufsprozesse darstellt.

Energiesektor
Wie stark KI-Agenten den Energiesektor prägen werden, zeigt eine Umfrage von Siemens. Die Mehrheit der Energieversorger erwartet, dass KI ihre Branche innerhalb von drei Jahren tiefgreifend verändern wird. Sabine Erlinghagen, CEO von Siemens Grid Software, sieht einen dringenden Bedarf: »Veraltete Netzinfrastruktur stellt eine ernsthafte Bedrohung für die saubere Energiewende dar.« Autonome Systeme sollen Netze widerstandsfähiger machen, Engpässe prognostizieren und Energieflüsse optimieren. Damit reagieren Unternehmen auf den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien, dessen Volatilität im Betrieb komplexe Entscheidungen erfordert. KI-gestützte Entscheidungsintelligenz werde nun zu einem Hebel, um Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit zu verbinden. Besonders sichtbar wird der Mehrwert in kritischen Infrastrukturen wie Krankenhäusern.

Im spanischen San Juan de Dios Hospital wurde mit Siemens-Technologie eine volldigitale Gebäudesteuerung aufgebaut, die mit KI den Energieverbrauch, die Sicherheit und technische Anlagen koordiniert. Die Betriebskosten der analysierten Anlagen sind um 35 Prozent gesunken. Die KI analysiert Datenströme, erkennt Fehler frühzeitig und ermöglicht Entscheidungen in Echtzeit. Siemens sieht dieses Projekt als Blaupause für weltweit vernetzte Gesundheitsinfrastrukturen, in denen Energieeffizienz, Sicherheit und Patientenkomfort untrennbar zusammenhängen.

Gesundheit
Dass der Gesundheitssektor in Europa bereits massiv von KI profitiert, bestätigen auch aktuelle Einblicke aus Österreich. Automatisierte Diagnostik, Chatbots in der Sozialversicherung, intelligente Dokumentenanalyse und KI-Systeme zur Sepsiserkennung sind heute gelebte Praxis. Eine wissenschaftliche Erkenntnis verbindet all diese Szenarien: KI erkennt Muster, die dem menschlichen Auge oft entgehen. In der Radiologie können Tumorstrukturen früher erkannt werden, in der Administration verkürzen automatisierte Genehmigungsverfahren Wartezeiten und entlasten Personal. Damit diese Fortschritte gelingen, müssen Datenschutz und Datensouveränität von Anfang an mitgedacht werden. Trainingsdaten im Gesundheitssektor sind sensibel, doch europäische Cloudplattformen wie die Open Telekom Cloud zeigen, dass Sicherheit und Innovation miteinander vereinbar sind.

Über alle Branchen hinweg lässt sich ein roter Faden erkennen. Agentic AI wird nicht eingeführt, um Menschen zu ersetzen, sondern um sie in einer zunehmend datenreichen Arbeitswelt leistungsfähig zu halten. Sie wird zur Voraussetzung, um wettbewerbsfähig zu bleiben, denn Unternehmen müssen schneller entscheiden, komplexer planen und flexibler reagieren als je zuvor. Die Technologie verändert nicht nur Prozesse, sondern Denkweisen. Teams lernen, Agenten einzusetzen, zu steuern und ihre Ergebnisse kritisch zu bewerten. Organisationen bauen Kompetenzzentren auf und etablieren Regeln, wann ein Agent autonom handeln darf und wann ein Mensch eingreifen muss.

Der Nutzen von KI-Agenten zeigt sich überall dort, wo Routinen dominieren, Daten komplex werden oder Entscheidungen schnell und fundiert getroffen werden müssen. In Österreich nimmt die Zahl konkreter Projekte rasch zu. Die Kombination aus strategischem Datenmanagement, europäischer Cloudinfrastruktur und wachsender technischer Reife dürfte dazu führen, dass KI-Agenten in den kommenden Jahren zu einem festen Bestandteil der Wirtschaft werden.

Sie selbst sind mit einer zunehmend Arbeitslast im Alltag konfrontiert? KI stellt Ihnen eine Schar an emsigen Agenten zur Seite, die niemals müde werden und immer gut drauf sind. Sie brauchen nur ein bisschen Aufsicht – aber die lohnt sich.

 

Hintergrund: Europäische GenAI-Technologien

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Hardware, Rechenleistung, Modelle, Sicherheit, Services: Europa hat eigentlich alles, was zum Aufbau unabhängiger, durchgängiger KI-Systeme erforderlich ist.

Model Supervision & Kontrolle
dash0 (DE)
Langfuse (DE)
rerun.io (SE)

Synthetische Daten, Tests & Embedding
AI Verse (FR)
encord (UK)
synthesized (UK)
Agent Lumina (FR)

Retrieval-Augmented Generation & Evaluierung
neptune.at (PL)
distil labs (FR)
lettria (FR)

Datenbanken & Orchestrierung
Qdrant (DE)
Weaviate (NL)
neo4j (SE)
Lightly (CH)
linup (FR)
kestra (FR)
CrateDB (AT)

Frameworks & Agents
Probabl (FR)
pyanote AI (FR)
Haystack (DE)
n8n (DE)
Eden AI (FR)
orq.ai (DK)
coretecs (DE)
Requesty (FR)
Doubleword (FR)
calk (FR)
Agenta (FR)
Pipelex (FR)
Rasa (DE)

Modelle
MistralAI (FR)
BlackForest Labs (DE)
Aleph Alpha (DE)
LightOn (FR)
ElevenLabs (PL)
Gladia (FR)
Pruna AI (FR)
Dragon LLM (CZ)
pleias (FR)
Bielik AI (PL)

Rechenprozesse
FlexAI (FR)
Tessl (UK)
kog (FR)
ryax (FR)
ZML (FR)
Open Nebula (ES)
emded (DE)
Suse (DE)

Cloud-Hosting & Inference
OVHCcloud (FR)
Open Telekom Cloud (DE)
Exoscale (CH)
Hetzner (DE),
Nosana (NL)
eww IT&Tel (AT)
Timewarp (AT)
UpCloud (FI)
Scaleway (FR)
cleura (SE)
Nebius (NL)
Mind (FR)
Outscale (FR)
Nscale (UK)
nevbulN (X)
leafcloud (FR)
Gcore (LU)
verda (X)
Sesterce (FR)

Hardware & Chips
Axelera (NL)
Vsora (FR)
SiPearl (FR)
Graphcore (UK)
Kalray (FR)

Quellen: Daniel Jarjoura »The Unicorn CTO«, Clemens Wasner

Businessman hand using a laptop with an AI agent technology interface, representing artificial intelligence, data analytics, cybersecurity, and digital transformation.

Die drei Regeln für KI

Österreichische Unternehmen stehen vor der wohl größten Produktivitätsrevolution seit Jahrzehnten: KI-Agenten verändern Abläufe und die Effizienz.
Wer drei Punkte beherzigt, schafft die Basis für die »Agentic Enterprise«.

1. Zugänglichkeit und Kontrolle
KI-Agenten lassen sich heute ohne Spezialwissen erstellen, doch sie brauchen Leitplanken. Governance, Compliance und Sicherheitsregeln definieren, wie viel Autonomie ein Agent erhält.

2. Schrittweises Vorgehen
Der Weg zum Agentic Enterprise beginnt bei kleinen, klar definierten Use-Cases. Die Resultate daraus können dann Vertrauen dazu bei Mitarbeitenden und Kunden schaffen. Erst dann übernehmen Agenten komplexere Aufgaben.

3. Gutes Datenmaterial
Agenten funktionieren nur so gut wie die Daten, die sie füttern. Eine einheitliche und verlässliche Datenschicht bildet das Fundament jeder KI-gestützten Organisation. Wer hier bereits seine Hausaufgaben gemacht hat, hat einen Wettbewerbsvorteil.

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