Freitag, April 26, 2024

Strukturreformen, Reindustrialisierung und eine Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen auf europäischer Ebene: Das wünschen sich die heimischen Wirtschaftskapitäne laut einer aktuellen Studie (Report-Bericht) von der neuen EU-Regierung. Report(+)PLUS hat österreichische EU-Parlamentarier mit den zentralen Ergebnissen der pantarhei-Studie konfrontiert. Lesen Sie hier die Antworten von Othmar Karas (ÖVP).

 

Drei Viertel der Unternehmensführer wünschen sich als Wachstumsmotor Strukturreformen statt öffentlicher Investitionen. Wie könnte dies in der Praxis aussehen?
Karas: Großes Reformpotenzial sehe ich im Abbau bürokratischer Hürden, die vor allem für KMU in Europa problematisch sind. Maßnahmen auf EU-Ebene können jedoch nur erfolgreich sein, wenn auch auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene Vereinfachungsmaßnahmen ergriffen werden. Daneben müssen aber verstärkt Bildungs- und Forschungsinitiativen gesetzt werden, die in Verbindung mit dem oben genannten Bürokratieabbau für Unternehmen auch die Beschäftigungssituation nachhaltig verbessern. Als ein Schritt zur Bekämpfung der inakzeptabel hohen Jugendarbeitslosigkeit sollte das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung als Vorlage dienen.

Fast 60 % Prozent der Unternehmensführer wünschen sich in den nächsten Jahren einen starken Fokus auf die Reindustrialisierung der EU, nur 30 Prozent auf Dienstleistungen. Wie ist das zu erreichen?
Karas: Um der Abwanderung von Industriebetrieben entgegenzuwirken und den Industriestandort Europa für neue Branchen und Unternehmen attraktiv zu machen,  braucht es konkurrenzfähige Rahmenbedingungen. In globale Wertschöpfungsketten sind aber neben der Produktion auch Dienstleistungen, Datenmanagement usw. integriert, sodass ich diese Aspekte nicht losgelöst von Industriezielen betrachten möchte. Industriepolitik muss Energie-, Ressourcen-, Beschäftigungs-, Industrie- und Klimazielen gleichermaßen begegnen und wirksam in den Prozess des Europäischen Semesters und in die nationalen Reformprogramme eingebunden werden. Unser Fokus sollte auf Schlüsseltechnologien gerichtet sein, mit denen wir unser größtes Asset, das Wissenskapital gut ausgebildeter ArbeitnehmerInnen und ForscherInnen, nutzen können. 

Knapp drei Viertel wünschen sich »Wettbewerbsfähigkeit« als Leitmotiv für die nächste EU-Regierung, nur knapp 15 % »Soziale Sicherheit«. Entspricht das auch Ihren Wertvorstellungen und wie soll die Umsetzung aussehen?
Karas: Die soziale Frage ist eine der zentralen Zukunftsfragen. Sie darf nicht gegen standortpolitische, industriepolitische, wirtschafts- und wettbewerbspolitische Fragen ausgespielt werden. Die Globalisierung ist Realität, sie hat Chancen und Risiken. Soziale Sicherheit schaffen wir nur mit einer nachhaltigen Politikgestaltung in allen Lebensbereichen.

61 % wünschen sich in der Steuerpolitik mehr Gesetzgebungskompetenz bei der EU. Welche Schritte soll das Parlament hier setzen?
Karas: Die Realisierung der politischen Union wurde bei der Euroeinführung verabsäumt, weshalb wir zahlreiche »Baustellen« leider erst – Stichwort Schuldenkrise – reaktiv angehen können. Der Euro ist die einzige Währung der Welt, der keine einheitliche Budget-, Steuer- und Wirtschaftspolitik zugrunde liegt. Wir haben daran schrittweise gearbeitet – etwa mit der verstärkten Budgetkoordinierung oder der Verwirklichung der Bankenunion. Eine Verschiebung der Gesetzgebungskompetenzen und damit eine notwendige Reform in all diesen Bereichen kann nur durche eine Vertragsreform erfolgen. Auch deshalb setze ich mich für einen Konvent ein.

56,5 % sehen die EU hinsichtlich ihrer Gesetzgebungskompetenz (EU-Rettungsschirm, Finanzmarktregulierung ...) für den globalen Standortwettbewerb nicht gerüstet. Wo soll das Parlament den Hebel ansetzen?
Karas: Zum einen muss die Demokratisierung der Europäischen Union noch weitergehen. Ich will, dass in Zukunft keine europäische Entscheidung mehr am Europäischen Parlament vorbei getroffen werden kann. Deshalb fordere ich einen europäischen Konvent zur Reform der EU, der in Wien seinen Auftakt haben soll. Zum anderen fordere ich mehr Zusammenarbeit in den wirklich wichtigen Fragen, wie Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik, und weniger Detailregelungen. 

 

Meistgelesene BLOGS

Firmen | News
01. März 2024
Unter dem Motto „Mission Zukunft - Transformation der Wirtschafts- und Energiesysteme" veranstalten die Deutsche Handelskammer in Österreich in Kooperation mit Fraunhofer Austria Research das Deutsch-...
Nicole Mayer
26. Jänner 2024
Der Bewerb um die höchste staatliche Auszeichnung für Unternehmensqualität in Österreich ist eröffnet. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) sucht Quality Austria wieder...
Alfons A. Flatscher
02. Jänner 2024
... das Alte geht. Die Welt ist im Wandel. Wir wandeln uns mit. Der REPORT ist im Wandel und erscheint in neuem Kleid: Mit neuem Layout, auf besserem Papier und mit einer Weiterentwicklung des inhaltl...
Firmen | News
25. März 2024
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel und Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen weltweit erkennen zunehmend die Bedeutung von KI für ihre Produktivität und W...
Katharina Bisset
07. Februar 2024
Ab 14. Februar 2024 müssen alle Pflichten des Digital Services Act von betroffenen Unternehmen umgesetzt werden – aber was bedeutet dies konkret? Der Umfang der Pflichten hängt davon ab, welche Dienst...
Alfons A. Flatscher
26. Jänner 2024
Ganz oben auf der Agenda unserer Leser*innen steht: Neues schaffen! Wir haben gefragt, 150 Leser*innen haben uns qualifizierte Antworten geliefert. (Zum Artikel: Chancen überall, nicht erst ab 2025) D...
Firmen | News
14. März 2024
Bereits zum dritten Mal verleiht die auf Informationssicherheit spezialisierte Zertifizierungsinstanz CIS - Certification & Information Security Services GmbH die begehrte Personenauszeichnung „CI...
Mario Buchinger
22. Jänner 2024
In der Consulting- und Coaching-Branche gibt es sicher einige Leute, die kompetent Organisationen unterstützen können. Aber viele der Coaches und Consultants nützen meist nur sich selbst. Worauf Unter...

Log in or Sign up