Eine Reihe von kreativen Unternehmen verwesen in der feuchten Gruft der New Economy, weil sie ihr Geschäftsmodell auf die Einnahmequelle Online-Werbung aufgebaut haben. Trotz der Fehltritte der Vergangenheit orakeln die Institute fleißig weiter. So schätzt Forrester, dass 2007 mehr als sechs Prozent von Europas Werbeausgaben in den Online-Bereich fließen - 6,4 Milliarden Euro wären das in barer Münze. Derzeit glaubt das Institut, dass 844 Millionen Euro Werbegeld das Etikett Internet tragen. AC Nielsen wiederum ortete nach einer Einnahmen-Schlappe im August des Vorjahres einen stetigen Anstieg und weist für Dezember 2001 ein Volumen von knapp 23 Mio. Euro aus - für den deutschen Markt wohl gemerkt. In den USA sind die Spendings für Online-Anzeigen im letzten Jahr drastisch zurückgegangen. Mit einem Minus von 14,7 Prozent erreichten Yahoo!, AOL Time Warner, Excite & Co etwa 2,9 Milliarden Euro, so der Werbeforscher Competitive Media Reporting.
Daumen mal Pi. Wie viel heimische Websites, Banner und Mails an Werbegeld lukrieren, weiß niemand so genau. Der rotweißrote Online-Werbemarkt sei 2002 etwa 13 Millionen Euro schwer, schätzt etwa Franz Renkin, ehemaliger österreich-Chef des Vermarkters adLINK gegenüber dem Branchenblatt Horizont. Rudolf Stonawski, Geschäftsführer des Konkurrenten ActiveAgent, will sich auf solche Schätzungen erst gar nicht einlassen. »Bevor es keine klare Definition von Online-Werbung gibt, wird es auch keine Zahlen geben.« Und Direktmarketing-Experte Norbert Lustig von Lustig Direkt Marketing meint, dass diese Zahl viel zu hoch gegriffen ist. Focus Marketing Research und ACNielsen liefern idente Auskünfte: »Keine Daten.« Ronald Schwärzler, Neue Medien-Direktor beim ORF, dessen ORF ON Network jüngst der Plattform sms.at in Sachen Visits Platz eins abgeluchst hat, gibt die Online-Einnahmen mit einem Prozent des gesamten ORF-Werbeaufkommens an. »Damit können wir die Kosten decken.« Gerlinde Hinterleitner, Macherin von derStandard.at, gibt den Online-Anteil am Werbevolumen des Standard mit fünf Prozent an.
Zu den Top-Web-Vermarktern in österreich gehören neben AdLink und ActiveAgent noch adworx - der Joint, den ORF und Netway/UTA miteinander rauchen - sowie die ProSieben-Tochter SevenOne Media. adworx setzt dabei vor allem auf Reichweitenstärke über die Portale von ORF, der Telekuriergruppe, derstandard.at sowie T-online.at. SevenOne Media geht den umgekehrten Weg, konzentriert sich auf wenige Portale mit punktgenauer Landung, »weil eine anonyme elektronische Masse künftig keinen Sinn macht«, wie österreich-Chef Markus Breitenecker berichtet. Betreut werden ProSieben.at, sport1.at, p2night.tv, schoolbiz.at, zitate.at, hello2day.at und wals.cc. »Werber wollen vor allem wirklich exakte Nutzungsdaten und integrierte Kommunikationslösungen. Eben darauf zielt unsere Vision vom elektronischen Bildschirm-Mix ab.« Das Ad-Management sei dabei durchaus nicht easy, die Top-Portale aber »hochgerüstet«, sodass ein Neueinsteiger als Vermarkter keine Chance haben würde.
adworx-Chefin Martina Zadina meint, dass es bereits Zielgruppen gebe, die nur mehr über das Internet zu erreichen sind und zählt die Vorteile der Online-Werbung auf: »Deutlich günstigerer Tausenderkontaktpreis, smartere Abrechnung, da nur tatsächlich ausgelieferte Sichtkontakte und nicht bloße Kontakt-Chancen verrechnet werden sowie Unabhängikeit von Anzeigenschluß und Erscheinungsdatum.« Zudem würden Online-Werbeformen länger wahrgenommen werden als Print-Anzeigen.
Top oder Flop. Trotz des fehlenden Zahlenmaterials herrscht über das Ausbleiben des angesagten Hypes Einigkeit. Ein Flop ist Online-Werbung deshalb aber noch lange nicht: »Das Internet liegt bereits Kopf-an-Kopf mit der Kinowerbung«, übt sich AdLINK-Marketing-Chef Federico Karpeles in Optimismus. »Online-Werbung ist die einzige Werbeform, die im vergangenen Jahr Zuwächse gehabt hat. Im Vergleich dazu hat der klassische Werbemarkt Einbußen bis zu 30 Prozent zu verzeichnen«, findet Hinterleitner auch etwas Positives an der derzeitigen Situation, räumt aber ein: »Zufrieden kann man nicht sein, da Online-Werbung noch keinen ganzen Prozentpunkt am Gesamtwerbemarkt einnimmt, obwohl schon mehr als die Hälfte der österreicher online ist. Dies hat sich jedoch noch nicht in den Köpfen der werbetreibenden Wirtschaft festgesetzt.« Der Medienexperte von A.T. Kearney Andrej Vizjak sieht neben zu optimistischen Prognosen zwei weitere Gründe, warum es nicht so wie vorhergesagt geklappt hat: »Es zeigte sich schnell, dass das Interesse der Internet-User an Online-Werbung stark abnahm. Dies führte zum Verfall des Tausender-Kontakt-Preises. Zudem herrschte bei Medienplanern große Unsicherheit vor, wie die neuen Werbeformen zu bewerten und zu nutzen seien.« Für Visjak steckt die Online-Werbung noch in den Kinderschuhen. Um erfolgreicher zu sein, müsse für Endkonsumenten ein Mehrwert - wie etwa Interaktivität - erkennbar sein. Werbetreibende würden sich indes ein besseres Usertracking und höhere Reichweiten wünschen.