Samstag, April 27, 2024

Im Zuge ihrer Digitalisierungsstrategie nehmen viele Unternehmen zunehmend Cloud-Services in Anspruch. Wo die Daten gespeichert sind, wer sie verwaltet und welche Technologie dahinter steht, wird dabei zum Entscheidungskriterium. Europäische Bestrebungen für eine »souveräne Cloud« sollen Datenschutz und Rechtssicherheit gewährleisten. 

Dienste von Cloud-Anbietern werden für die Verarbeitung und Speicherung großer Datenmengen genutzt. Daten in einer Public Cloud können auf mehrere Rechenzentren verteilt sein und unterliegen grundsätzlich den Vorschriften des jeweiligen Landes, in dem die Daten gespeichert sind.

Viele Unternehmen, die diese Services zur Umsetzung ihrer Digitalisierungsprojekte in Anspruch nehmen, sind um die Sicherheit ihrer Daten und der ihrer Kund*innen besorgt – insbesondere in Zusammenhang mit der DSGVO und anderen Regulatorien. Vor allem in der Finanzindustrie, im öffentlichen Sektor und im Gesundheitsbereich sind Schutzmechanismen dringend erforderlich. Doch auch in anderen Branchen zeichnet sich bereits ab: Ohne Cloud werden Wertschöpfungs- und Lieferketten nicht mehr funktionieren. Doch Datenschutz und Cloud müssen kein Widerspruch sein. 

Vollständige Kontrolle

Unter einer »Sovereign Cloud« versteht man eine Cloud-Computing-Lösung, die ein bestimmtes Land oder eine Organisation vollständig selbst hostet und verwaltet. Solche »souveränen« Clouds gewinnen zunehmend an Bedeutung, vor allem wenn es um den Schutz sensibler oder personenbezogener Daten geht. Der Betreiber der Cloud besitzt die vollständige Kontrolle über die gesamte Infrastruktur, einschließlich der Daten, der Anwendungen, der Plattformen und der Dienste.

Die Bestrebungen der europäischen Gaia-X-Initiative zur Schaffung gemeinsamer Rahmenbedingungen prägten den Begriff, unter dem die Aspekte Datensouveränität, operative Souveränität und Softwaresouveränität subsumiert werden. Während Datensouveränität darauf abzielt, wem die Daten gehören und wie damit umgegangen wird, betrifft die operative Souveränität die technische Seite der Cloud – welche Infrastruktur, welche Hersteller, welche Technologien ihr zugrunde liegen. Die Softwaresouveränität beschäftigt sich mit der Art der Software und welche Dienstleister sie implementieren und weiterentwickeln.

Kein unberechtigter Zugriff

Eine Voraussetzung für Datensouveränität ist volle Transparenz. Sie stellt sicher, dass Anwendungen auch im Krisenfall und unabhängig vom Hersteller weiterbetrieben werden können. »Souveräne Cloud-Dienste sind für Kunden aller Branchen inklusive der öffentlichen Verwaltung relevant. Sie stärken Resilienz und digitale Souveränität und erhalten unseren Kund*innen ihre Handlungsfähigkeit«, verweist Timo Levi, Tribe Lead Technology & Innovation bei T-Systems International, auf einen weiteren Vorteil: »Nebenbei sorgen Sie auch für geringere Kosten.«

Offene Plattformen, wie die souveränen Cloud-Services von T-Systems und Google, sind in der Lage »containerisierte sowie virtualisierte Workloads auszuführen, die sich konsistent über unterschiedliche Cloud-Landschaften hinweg verwalten und damit auch jederzeit auf andere Plattformen verschieben lassen«, erklärt Alexander Bruckner, Public Cloud Sales Expert bei T-Systems. Die Services basieren auf Open Source Software und kommunizieren auf Basis offener Schnittstellen miteinander. Dadurch wird die Abhängigkeit von einem Hersteller verhindert. Das Verschlüsselungsmanagement von T-Systems garantiert zudem, dass kein unberechtigter Zugriff auf die Kundendaten möglich ist – und zwar weder aus Europa noch aus den USA.

Einschränkungen müssen bei der Nutzung nicht in Kauf genommen werden. »Ein Umdenken ist im Einzelfall notwendig und manch liebgewonnene Praxis muss kritisch hinterfragt werden, gegebenenfalls müssen neue Skills aufgebaut werden und Partnerschaften überdacht werden«, sagt Innovationsexperte Levi. »So ist der Einsatz von Open Source Software ein wesentlicher Beitrag für Souveränität und kann im Unternehmen eine Vielzahl an Vorteilen bringen.«

(Titelbild: iStock)


»Resilienz hat an Bedeutung gewonnen«

Digitale Souveränität sei nicht erst seit Corona ein brisantes Thema, meint Timo Levi, Tribe Lead Technology & Innovation der T-Systems International GmbH. In Europa werde nur offener darüber diskutiert.

Timo Levi, T-Systems International. (Bild: T-Systems International GmbH)

Hat das Thema Datensouveränität durch aktuelle geopolitische Entwicklungen zusätzlich an Bedeutung gewonnen?

Timo Levi: Digitale Souveränität beinhaltet Datensouveränität, betriebliche Souveränität und technologische Souveränität. Man will damit unabhängiger von Abhängigkeiten werden und sich gegen nachteilige Entwicklungen vorbereiten, seien es einseitige Veränderungen in der Produktpolitik von Herstellern oder der fehlende Zugriff auf Technologien, wie es bei Lieferkettenproblematiken oder geopolitischen Herausforderungen entstehen kann. Dies zeigen uns der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und der drohende Konflikt zwischen China und Taiwan sehr deutlich.

Wir nehmen dazu mehr Bemühungen bei unseren Kund*innen wahr, sich gegen diese Herausforderungen zu stellen. Ob es der Ersatz eines russischen Virenscanners oder die Absicherung gegen Cyberangriffe aus russischer Hand ist – Resilienz hat an Bedeutung gewonnen. 

Ergeben sich durch die strengeren Schutzmaßnahmen möglicherweise Wettbewerbsnachteile für den Wirtschaftsstandort Europa?

Levi: Digitale Souveränität sollte nicht als die Einführung strenger Schutzmaßnahmen verstanden werden, sondern als vorausschauende Betrachtung der Gesamtrisiken und ihrer Mitigation. Ein aufgeräumter und gesunder Garten widersteht auch jedem Sturm nahezu unbeschadet. Oder anders formuliert: Die Wettbewerbsnachteile bei Nichtbeachtung von digitaler Souveränität oder Resilienz sind mit Sicherheit schwerwiegender. 

Inwieweit ist ein eigener Weg Europas im Cloud-Markt auch wirtschaftlich sinnvoll?

Levi: Es ist nicht richtig, dass Europa mit digitaler Souveränität seinen eigenen Weg geht. Viele der großen Volkswirtschaften haben sich seit vielen Jahren auf die Reise zu mehr Resilienz und digitaler Souveränität gemacht.

Die große Abhängigkeit von verteilten, globalen Lieferketten ist nicht erst seit Corona ein Problem geworden. Denken Sie an die Piraterie in Asien, an die Sperrung bedeutender Schiffswege, an die vielfältigen politischen Bemühungen der US-Amerikaner, Technologien wieder zurück ins Land zu holen oder an den stark zunehmenden Einsatz von Open Source in asiatischen Ländern. Europa geht insofern keinen eigenen Weg, sondern spricht aufgrund der engen föderalen Vernetzung der Partnerländer offener darüber. 

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