Samstag, April 27, 2024

Das Personalmanagement ist eine Branche im Wandel. Manuela Lindlbauer, Geschäftsführerin von Lindlpower Personalmanagement, über verwöhnte Jungakademiker,  das fischen im kandidatenteich und Berufe, die »nicht sexy« sind.

(+) plus: Inwieweit hat sich die Situation am Arbeitsmarkt in den letzten 20 Jahren verändert?

Manuela Lindlbauer: Es gab große Veränderungen – angefangen von den Positionen, die in den Unternehmen angeboten werden, bis zum Verhalten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Früher waren die Rollen klar verteilt: Der Arbeitnehmer hat gemacht, was der Chef angeschafft hat. Die Jobsuchenden sind viel resoluter und fordernder geworden. Durch Social Media und das Internet ist die Transparenz sehr groß. Heute kann man über jedes Unternehmen, über jede Führungskraft nachlesen, eine Bewertung abgeben oder in der Community Meinungen einholen.

(+) plus: Mehr als 400.000 Menschen sind in Österreich auf Jobsuche, gleichzeitig finden viele Unternehmen keine passenden Mitarbeiter. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?

Lindlbauer: Klassische Hilfsarbeiter in der Produktion wurden durch Maschinen ersetzt, andererseits braucht man Spezialisten für Online-Marketing, E-Commerce, Risk Management oder Compliance. Das sind exponierte Bereiche, für die es noch kaum Know-how-Träger gibt. Einige Branchen wie der Pflegebereich sind total unattraktiv: schlechtes Gehalt, schlechte Arbeitszeiten, schlechtes Image in der Gesellschaft und eine wirklich beinharte Arbeit.

Auch Personalverrechnung und Bilanzbuchhaltung sind nicht gerade »sexy« – aber eine gute Bilanzbuchhalterin oder einen guten Personalverrechner braucht man immer.  Natürlich entscheiden sich die Menschen lieber für Berufe mit besseren Rahmenbedingungen. Wer eine Ausbildung beginnt, sollte sich allerdings gut überlegen, welche Branchen und Berufe Zukunft haben. Sekretärin gehört nicht dazu.

(+) plus: Welche Menschen haben es besonders schwer?

Lindlbauer: Schwer vermittelbar sind alle, die schlecht ausgebildet sind. Das Niveau ist aber höher als früher, weil das Bildungs­angebot wesentlich breiter ist. Ich habe allerdings noch nie so viele Menschen erlebt, die von ihrer Persönlichkeit her so unsicher oder unreif sind. Es scheitert oft an den Umgangsformen, an der Motivation oder an der Bereitschaft, sich durchzubeißen. Diese persönlichen Defizite sehe ich weniger bei den Führungskräften, sondern eher bei den Jungakademikern auf dem Weg dorthin. Es ist die erste Generation, die mit Handys, Computerspielen und Ferienclubs groß geworden ist. Die kommen mit enormem Selbstbewusstsein aus den Hochschulen und fordern ein Einstiegsgehalt von 2.600 Euro, eine Weiterbildung, ein Sabbatical und einen Laptop, aber am Mittwoch müssen sie um 17 Uhr zur Yoga-Stunde. Ich hatte vor kurzem eine Bewerberin, die den von der Firma angebotenen Blackberry ablehnte und es vorzog, mit ihrem privaten iPhone zu telefonieren. Das zeigt, wie stark sich Wertigkeiten verschoben haben. Vor 20 Jahren war ein Firmenhandy noch ein echtes Asset.

(+) plus: Sie betonen öfters, Frauen seien ihr »Herzensthema«. Warum ist die Geschlechterparität in Österreich trotz zahlreicher Initiativen seit den 1980er-Jahren noch immer so stark ausgeprägt?

Lindlbauer: Österreich ist in dieser Hinsicht sehr konservativ und traditionell. Ich habe vor zehn Jahren eine Studie zum Thema »Wollen Frauen führen?« in Auftrag gegeben, die wir gerade wiederholen. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, da hat sich nicht viel verändert. Die Motivatoren sind zu gering. Und solange keine qualitativ hochwertige, flächendeckende Kinderbetreuung sichergestellt ist, brauchen wir über das Thema Frauen und Karriere nicht diskutieren. In höheren Positionen kommt man eben nicht jeden Tag um 18 Uhr heim. Ich war anfangs gegen Quoten, glaube aber inzwischen, dass dadurch ein Bewusstsein geschaffen werden kann. Ein Managementboard ohne Frauen schickt sich nicht mehr. Das ist angekommen. Für manche Positionen ist es tatsächlich schwer, Frauen zu finden. Sucht zum Beispiel ein Unternehmen einen Finanzvorstand, sind unter 100 Bewerbern 90 Männer. In den Bereichen Kommunikation, Personal oder Marketing gibt es aber viele sehr gute Frauen.

(+) plus: Wie positionieren Sie sich für die Zukunft?

Lindlbauer: Früher war es selbstverständlich, im Kurier ein Printinserat um 4.000 Euro zu schalten. Wenn ich das heute einem Kunden vorschlage, hält er mich für verrückt. Entscheidend wird sein, wer den Zugang zu den besten Köpfen hat und diese aus dem Datenpool herausfiltern kann. Mit unserer Datenbank sind wir gut aufgestellt. Internationalität spielt natürlich eine große Rolle, es geht viel über persönliche Netzwerke. Gute Bewerber müssen auf ihrem Karriereweg begleitet werden und man braucht einen guten Draht zu den Kunden, denn im Grunde arbeiten wir alle zu ähnlichen Konditionen und werfen unsere Angeln in denselben Teich aus. Den Bewerbern ist das egal, die verschicken ihre Unterlagen kreuz und quer mit einem Mausklick. Wir wollen wieder mehr Verbindlichkeit herstellen.

(+) plus: Werden Personalberater durch Recruiting-Tools überflüssig?

Lindlbauer: Der Wert der Social Skills wird immer höher. Viele Unternehmen wollen einfach Leute mit gesundem Hausverstand, die Feuer haben und nicht nur systematisch ihre Aufgaben abwickeln. Das wird das beste Online-Tool nicht herausfinden. Wir setzen auf den persönlichen Kontakt und können unseren Kunden versichern: Wir haben den Zugang zu den besten Kandidaten und schicken ihnen die Top 3. Viele Unternehmen sind mit der Datenmenge von Online-Portalen rasch überfordert. Im Recruiting glaubt leider jeder, sich auszukennen – wie im Fußball.

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