Tuesday, December 02, 2025

Mehrwert für Manager

Ticker

Das Neue kommt immer schneller daher. Der Vorsprung der Vorreiter wächst. Die Nachzügler fallen weiter zurück. Es ist höchste Zeit, im Unternehmen diejenigen zu aktivieren, die helfen, vordere Plätze einzunehmen: Zukunftsversteher und Übermorgengestalter. Sie sind die wichtigsten Menschen in einer Gesellschaft, die den Sprung nach vorn schaffen will.

Bild: iStock

 

In einer der riesigen Kölner Messehallen hat der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar zusammen mit dem Starautor Frank Schätzing, bekannt durch den Sci-Fi-Thriller »Der Schwarm«, ein Experiment durchgeführt. 200 Menschen sind versammelt. In der Hallenmitte befindet sich ein Kreis. Um den Kreis herum sind im Uhrzeigersinn Tafeln mit den Ziffern eins bis zwölf aufgestellt.

Die Probanden werden gebeten, im Kreis herumzuschlendern, nicht miteinander zu kommunizieren, das gesamte Terrain auszunutzen und immer einen Abstand von einer Armlänge zu allen Nachbarn zu halten. 20 von ihnen haben eine geheime Anweisung bekommen, wobei keiner von ihnen wusste, dass auch andere sie erhielten. Nach etwa zwei Minuten sollten sie langsam zur Ziffer zwölf gehen und davor stehen bleiben.

Genauso machten sie das. Immer mehr Menschen zogen ihnen nach. Nach kaum fünf Minuten versammelten sich fast alle vor der zwölf. 20 Individuen, also zehn Prozent, hatten es rein durch ihr Verhalten geschafft, den gesamten Schwarm ohne dirigistisches Zutun an ein gewünschtes Ziel zu bringen.

Damit wurde eine Faustregel bewiesen, die besagt: Sind zehn Prozent der Menschen für eine Sache gewonnen, entsteht Sog. Es sind die Vorreiter und Schrittmacher, die First Mover mit Tatkraft, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen, die Veränderungen initiieren. Ihr Mut macht auch anderen Mut. Sie verbreiten Zuversicht und machen Lust auf lohnenden Fortschritt. So nehmen sie andere mit auf den Weg in die Zukunft.

Die treibende Kraft
Überall gibt es eine Vorhut experimentierfreudiger Weichensteller und tatkräftiger Übermorgengestalter, die den überfälligen Wandel initiieren. Sie sind die treibende Kraft, damit das notwendige Neue entsteht. Sie sind Brückenbauer zwischen gestern, heute und morgen, Konnektoren zwischen drinnen und draußen, Voraustrupp ins Neuland, wagemutige Innovatoren, umsichtige Lotsen.

Unverrückbar stehen sie auf der Seite des Fortschritts. Sie sind aufgeschlossen für das Wohlergehen der Menschen, für digitale Helfershelfer und alles rund um den Schutz des Planeten. Zugleich agieren sie wie ein Frühwarnsystem. Oft sind sie die Ersten, die instinktiv merken, wenn wo was aus dem Ruder läuft. Sie sprühen vor Ideen, wie man das, was in die Jahre gekommen ist, besser machen könnte, sollte und müsste.

Sie reden Klartext, wenn sie Verfahrensweisen aufgespürt haben, die aus der Zeit gefallen sind. Sie sind die, die für konstruktive Unruhe sorgen und das beschauliche »Weiter so« stören.

Ohne Vollkaskoversicherung
Die Grenzen des technologisch Machbaren werden quasi täglich verschoben. In einem derart unvorhersehbaren Umfeld ist es unmöglich, im Voraus zu wissen, was funktionieren wird und was nicht. Die meisten Chancen liegen auf unbekanntem Terrain. Doch dabei kann man sich durchaus verlaufen. Wer sich aber nie verirrt, findet auch keine neuen Wege. Und nur, wer Risiken eingeht, kann Entdeckungen machen.

Im Neuland gibt es keine Vollkaskoversicherung für gute Ideen. Zukunft kann man nicht zählen und messen, sie ist ja noch gar nicht passiert. Märkte, die es noch nicht gibt, können nur hoffnungsvoll voreingeschätzt werden. Ein Albtraum für Manager. Die wollen keine Abenteuer, sondern exakte Zahlen und einen fixen Plan, damit es ja keine Überraschungen gibt. Dabei ist gerade Unerwartetes das Wesen des Neuen.

Wer das Einhalten von Vordefiniertem prämiert, bekommt Leute, die auf Nummer sicher gehen und nach Vorlagen malen – aber niemanden, der auch eigene Bilder kreiert. Nur die radikal innovativen Unternehmen haben im Spiel der Zukunft Erfolg.

Gegenwind ist normal
Dem Neuartigen weht oft eine steife Brise entgegen. Früher landeten viele, die Betagtes infrage stellten, in der Verbannung, am Galgen und auf dem Schafott. Heute werden sie zu Spinnern erklärt, verhöhnt und verspottet, müssen Hass und Häme ertragen. Alles Neue ist gefährlich für die, die vom Bestehenden profitieren. Der Verlust einstiger Wichtigkeit macht den Widerstand der Nutznießer des Alten nahezu zwingend.

Zudem bringt uns gerade in ungewissen, krisenhaften Zeiten ein Automatismus unseres Gehirns ins Dilemma: Wir ziehen uns auf gewohnte Verhaltensmuster und erprobte Routinen zurück. Bedrohung fabriziert den berüchtigten Tunnelblick. Dabei wird der Aufmerksamkeitsfokus verengt, Peripheres gerät außer Sicht. Wir bleiben lieber auf vertrautem Terrain, schalten auf Abwehr und sehen in Neuerungen vor allem Probleme. Doch Übermorgengestalter hält das nicht auf – wenn man sie machen lässt.

Aktiv vorantreiben
Für das Neudenken nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch offen zu sein, das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Darf man bei Ihnen überhaupt spontane kreative Ausbrüche haben? Eine atemberaubende Idee ungefragt präsentieren? Darf man sich in Eigenregie mit zwei, drei Kollegen aus anderen Bereichen mal für ein paar Stunden zusammentun, um über eine fachübergreifende Neuerung nachzudenken – während der Arbeitszeit und ohne beim Vorgesetzten eine offizielle Genehmigung einzuholen?

So stellen sich denen, die die Zukunft erreichen wollen, zunächst folgende Fragen: Wie bereit ist unsere Firma wirklich für Vorwärtsdenker, die unkonventionelle Ideen einbringen wollen? Und wie gehen wir mit ihnen und ihren Vorstößen um? Und: Welche Rahmenbedingungen müssen wir schaffen oder verändern, damit interne Neumacher zügig ins Wirken kommen, um uns fit für die Zukunft zu machen?

Bevor Sie nach Übermorgengestaltern Ausschau halten und sich hinterher lächerlich machen, weil die firmeninterne Realität eine ganz andere ist, dazu hier gleich ein Tipp: Machen Sie zunächst eine anonyme interne Kurzumfrage, um festzustellen, ob Neudenker bei Ihnen tatsächlich willkommen sind und welche erlebten Geschichten es dazu gibt. Sie werden sich womöglich wundern, was Sie so alles zu hören bekommen.

Führungskräfte wissen natürlich, dass sie Innovationen aktiv vorantreiben müssen, um den Fortbestand ihrer Unternehmen zu sichern. Zielkonflikte zwischen Quartalergebnis und Zukunftsfähigkeit verhindern das oft. Denn jede Investition in Innovationen schmälert zunächst den Profit. Das lässt sich lösen. Innovative Erneuerung muss in jede Zielvereinbarung integriert und über Boni in die Vergütung eingebaut werden – vor allem in die des oberen Managements. Denn getan wird, was belohnt wird.

 

Die Rahmenbedingungen, damit das Neue entsteht

In fortschrittlichen Unternehmen wird fortlaufend innoviert – sowie ausreichend Zeit und Geld dafür investiert. Wer erst dann erschreckt losrennt, wenn der Umsatzzenit überschritten ist, ist zu spät dran. Zunächst sinken die Margen, dann die Erträge. Im Abwärtstrend lässt sich der benötigte Vorlauf nicht mehr finanzieren, ausgerechnet für Investitionen fehlt jetzt das nötige Geld. Deshalb hier ein paar entscheidende Regeln:

- Ermutigen Sie jeden im Unternehmen, neue Ideen einzubringen.
- Geben Sie Innovatoren die offizielle Erlaubnis zum Scheitern.
- Richten Sie eine hausinterne interaktive Ideenbank ein.
- Feiern Sie das Erreichen des Gipfels und die Art des Aufstiegs.
- Ruhen Sie sich danach nicht aus, suchen Sie sich höhere Berge.
- Planen Sie ein, dass es nicht gleich beim ersten Mal klappt.
- Halten Sie Spielgeld bereit, budgetieren Sie Misserfolge.
- Implementieren Sie kluge Kennzahlen für Innovationstätigkeit.
- Incentivieren Sie mit Fokus auf Innovationen, nicht aufs Quartal.
-Tragen Sie nicht realisierte und abgewählte Ideen würdig zu Grabe.


Buchtipp
Anne M. Schüller: Zukunft meistern. Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter.
Gabal Verlag 2024
ISBN: 978-3-96739-181-7

Über die Autorin
Anne M. Schüller ist Businesscoach, Keynote-Speaker und mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie in die Hall of Fame der Geman Speakers Association aufgenommen.
www.anneschueller.de

Populär

Österreich muss Amstetten werden

Wie innovative Kundenkommunikation die Energiewirtschaft verändert, zeigen...

IT-Projekte: Einreichen und gewinnen – eAward 2026!

Der Wirtschaftspreis eAward zeichnet Digitalisierungsprojekte aus dem Raum...

Die Besten auf LinkedIn

Mit über zwei Millionen User*innen in Österreich ist LinkedIn die mit Abstand...

Drachenbär im Energiemarkt: Russland und China besiegeln Pakt

Es ist ein geopolitischer Paukenschlag mit weitreichenden Folgen: Russland und...

eAward 2025: Beste Digitalisierungsprojekte aus Wirtschaft und Verwaltung ausgezeichnet

Die Gewinner*innen des Wirtschaftspreises eAward stehen fest. Ausgezeichnet...

Zweigeteilter Markt

Der Büromarkt ist ausgedünnt. Die Leerstände sind niedrig, nachgefragt werden bevorzugt...

Gelebte Bauzukunft

Neue Technologien, moderne Baustoffe und digitale Prozesse prägen das...

Neuer Chef von Accenture Song

Sebastian Schally (44) ist neuer Österreich Chef von Accenture Song, einer...

Neuer Founding Director an der IT:U

Die Interdisciplinary Transformation University (IT:U) holt mit Dr. Daniel Cracau einen...

Das war die Enquete "Chance Bau 2025"

Auch in der 20. Auflage bestätigte die Enquete »Chance Bau« ihren Ruf als...

»Wir sind zu Wachstum verdammt«

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Peter Krammer, CEO...

Wen der Löwe frisst: Sicherheit hat viele Gesichter

Eine neue Plattform unterstützt die Cybersicherheit in industriellen...

Leben & StilView all