Donnerstag, Mai 02, 2024
Siemens: Mit KI und Digitalisierung in die neue Energiewelt
Patricia Neumann (51) ist mit 1. Mai 2023 als Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Österreich angetreten.

Seit 1. Mai dieses Jahres ist Patricia Neumann Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Österreich. Die Klimaziele hält sie für erreichbar, künstliche Intelligenz und Digitalisierung spielen dabei eine große Rolle.


Koordinieren und vernetzen, und das auf allen Ebenen. So lässt sich die Strategie von Siemens Österreich-Chefin Patricia Neumann, mit der sie den Technologiekonzern in den kommenden Jahren führen will, wohl am besten beschreiben. Das beginnt schon beim ersten Themenschwerpunkt, den sie sich gesetzt hat: der Technologie. Hier geht es um Softwarelösungen, Innovation und Automation für die Industrie, Gebäude und die Energienetze. Zum Beispiel: das intelligente Gebäude. Durch eine digitalisierte, optimal koordinierte Energieversorgung kann der Verbrauch deutlich reduziert werden. Immerhin entfallen auf Gebäude etwa 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs, auf die Industrie dagegen nur ein Drittel. „In den Gebäuden liegt also viel Potenzial zur Verbrauchssenkung“, sagt Neumann.

Als zweites Beispiel nennt Neumann die Elektrizitätsnetze. Die Energiewende brauche nicht nur einen Ausbau des Übertragungsnetzes, sondern insbesondere intelligentere Verteilnetze. Auf dieser Ebene könne mit Digitalisierung, innovativer Software und Zusammenarbeit eine Menge gespart werden. Siemens geht davon aus, dass mangels optimaler Automation ein höherer zweistelliger Prozentsatz an freier Kapazität in den Verteilnetzen versteckt sei. Werde diese mit Softwarelösungen gehoben, könne der notwendige Netzausbau in Grenzen gehalten werden.

Energiewendekoordinator als Wunsch

Unter der Voraussetzung der Digitalisierung und des Einsatzes von künstlicher Intelligenz hält Neumann die CO2-Ziele für erreichbar. Allerdings solle neben der technologischen Vernetzung noch eine weitere Ebene beachtet werden: „Die vielen Partikularinteressen müssen zusammengeführt werden“, betont die Siemens-Chefin. Wünschenswert wäre die Schaffung eines Energiewendekoordinators, einer zentralen Stelle, die den Überblick über die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Beteiligten hat und ausgleicht. „Die Technologie für die Energiewende ist da. Jetzt geht es darum, die Bevölkerung zu überzeugen, die Interessen zu koordinieren und an die Umsetzung zu gehen“, erklärt Neumann. Sie appelliert an die Politik, die Genehmigungen zu beschleunigen und die Förderungen dorthin zu lenken, wo Innovation stattfindet.

580 Forscher*innen beschäftigt Siemens Österreich. „Dabei spielt der Forschungsbereich „Integrated Circuits and Electronics“ (ICE) eine zentrale Rolle. Denn die weltweite Steuerung der Siemens-Forschung in diesem Bereich ist seit 1. Jänner 2023 unter der Leitung von Herbert Taucher in der Siemens City in Wien angesiedelt. Die auf Schaltungen und Leiterplatten basierende Elektronik, die im Rahmen von ICE entwickelt wird, hilft allen Branchen, die digitale mit der physischen Welt zu verbinden. ICE schafft einen durchgängigen digitalen Informationsfluss, womit unzusammenhängende Systeme verbunden oder Arbeitsanweisungen auf Papier ersetzt werden.

Partnerschaften über die digitale Plattform

Vorantreiben will Neumann die digitale Vernetzung der Siemens-Angebote mit Kunden und Partnern aus der Industrie. Als Vehikel dafür dient die im Juni 2022 ins Leben gerufene Plattform Siemens Xcelerator. „Das ist wie ein Marktplatz zum Einkaufen“, erklärt sie. Dies ist aber nur ein Aspekt von Siemens Xcelerator. Unternehmen können über diese Plattform auf das gesamte digitale Angebot zugreifen, Einzelprozesse können simuliert und so die Betriebsabläufe effizienter gestaltet werden. Siemens hat zudem Partner in die Plattform hereingeholt: So hat sich der Batteriehersteller ACC (Automotive Cell Company) der Plattform angeschlossen. Siemens soll bevorzugter Partner für die Lieferung von Digitalisierungstechnik werden. Oder: Zusammen mit NTT Communications und NTT Data Corporation arbeitet Siemens an einer Software für CO2-Emissionsmanagement. Diese wird über Siemens Xcelerator zur Verfügung gestellt. Den Industrieunternehmen hilft diese Software bei der Dekarbonisierung.

Ein weiterer Partner ist der schwedische Nutzfahrzeughersteller Volta Trucks. Gemeinsam mit Siemens arbeitet das Unternehmen an einer nachhaltigen Lösung für die Stromversorgung elektrischer Flotten. Kunden können die Lösungen auf der Xcelerator-Plattform einsehen. Aus Österreich hat sich die ZETA GmbH der Plattform angeschlossen. Sie ist auf die Automation, Planung und Digitalisierung von biopharmazeutischen Anlagen spezialisiert. Mehr als 6000 Partner – von Wiederverkäufern über Servicepartnern bis hin zu Lösungsanbietern - haben sich bisher der Plattform angeschlossen. Im Zentrum der Xcelerator-Plattform stehen Angebote an Unternehmen, die Nachhaltigkeit erhöhen und den Weg zur CO2-Neutralität beschleunigen wollen.

Siemens will bis 2030 CO2-neutral werden

Der dritte Punkt von Neumanns Strategie heißt Nachhaltigkeit: bei Siemens selbst und bei den Kunden. Der Konzern hat sich vorgenommen, bis 2030 CO2-neutral zu werden. Einsatz erneuerbarer Energien und Schonung von Ressourcen stehen hier im Mittelpunkt. „KI ist dabei eine wesentliche Stütze“, weist Neumann auf eine der Anwendungen von Künstlicher Intelligenz hin. So entwickelt Siemens mit der Montanuniversität Leoben eine Art Recycling-Roboter. Die Trennung der wiederverwertbaren Materialien mittels digital gesteuerter KI soll dadurch wesentlich verbessert werden. Kreislaufwirtschaft stellt für Siemens eine starke Säule der Transformation in die neue Energie- und Ressourcen-Welt dar.

„Nachhaltige Unternehmensführung, Ausbildung der Mitarbeiter und eine digitale Lernwelt gehören auf diesem Weg dazu“, stellt Neumann fest.

Flexibles Arbeiten

Die Vorstandsvorsitzende überzeugt, mit dieser Strategie gut durch wirtschaftliche Abschwünge zu kommen. „Ich bin optimistisch für 2024“, sagt sie daher auch. Die Inhalte wie etwa digital gesteuerte Gebäudetechnik und Nachhaltigkeit seien auch in schwierigen Zeiten gefragt. Der Personalstand von 3200 Mitarbeiter*innen von Siemens Österreich, das für insgesamt 25 Länder in Zentral- und Osteuropa sowie Zentralasien zuständig ist, soll über die nächsten Jahre gehalten werden. Derzeit seien 200 Stellen in Österreich offen. „Die Besetzung ist eine Herausforderung“, stellt Neumann fest. Die Ausbildung neuer Talente ist ihrer Meinung nach auch eine Aufgabe der Regierung. Siemens selbst hat das Arbeitszeitangebot äußerst flexibel gestaltet. Eine Vielzahl von Modellen sei möglich, so Neumann. Die Frage der Arbeitszeitverkürzung, wie derzeit politisch diskutiert werde, stelle sich daher nicht. „Die Flexibilität ist hoch“, betont sie. Damit sei das Unternehmen gut gerüstet für die Zukunft.

 


Zur Person: Patricia Neumann

Die studierte Handelswissenschaftlerin hat 1995 bei IBM Österreich zu arbeiten begonnen. Sie ist über IBM CEE, dann Deutschland und UK 2010 zu IBM Mailand gekommen, wo sie die Position des Director General Business Enterprise Sales IBM Europa übernahm. 2012 wechselte sie zu IBM Stuttgart wo sie als Vice President Sales, Industry Solutions & Software für die gesamte DACH-Region zuständig war. 2017 ging es zurück nach Wien, wo Neumann Country General Managerin Austria wurde. 2021 übernahm sie als Vizepräsidentin für Software Data, Artificial Intelligence und Automation die Regionen Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Mit Mai 2023 wechselte sie an die Spitze von Siemens Österreich.

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