Mittwoch, Dezember 11, 2024

Nach dem Scheitern des Klimagipfels: Initiativen wie der EU-Bürgermeisterkonvent, das Klimabündnis Europa oder der Preis für Klimaschutzgemeinde Österreichs sollen auf lokaler und regionaler Ebene den Klimaschutz von Städten und Gemeinden in die Hand nehmen.

Kopenhagen ist Geschichte. Das Unvermögen der Staaten, sich auf gemeinsame Klimaschutzmaßnahmen zu einigen, hat nun die Regionen auf den Plan gerufen. »Nach dem halbherzigen Ergebnis müssen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften nun selbst auf internationaler Ebene aktiv werden, um die in Kopenhagen getroffene Vereinbarung in die Wirklichkeit umzusetzen«, meinte Luc Van den Brande, Präsident des Ausschusses der Regionen der EU. Der heuer stattfindende Bürgermeisterkonvent der EU werde eine offizielle Vereinbarung mit der US-Bürgermeisterkonferenz unterzeichnen, um im Rahmen »grüner« Partnerschaftsprogramme zwischen Städten der USA und Europas bewährte Praktiken auszutauschen.

Bürgermeisterkonvent
Schon im Vorfeld der Klimakonferenz hatte sich am 9. Februar 2009 auf EU-Ebene in Brüssel der Bürgermeisterkonvent zusammengefunden. 372 Städte unterzeichneten damals das Papier, mit dem sie sich zu einer CO2-Einsparung verpflichteten, die über das EU-Ziel von 20 % bis 2020 hinausgehen soll. »Der Kampf gegen den Klimawandel muss in den Städten ausgetragen und gewonnen werden«, hatte der ehemalige EU-Energiekommissar Andris Piebalgs anlässlich der Unterzeichnung gemeint. Im Dezember unterzeichnete mit der ostdeutschen Stadt Rostock die 1000. Gemeinde den Bürgermeisterkonvent. Die 200.000-Einwohner-Stadt hat sich seit 2006 ein Rahmenkonzept für Klimaschutz zurechtgelegt und so die CO2-Emissionen von jährlich 7,5 Tonnen pro Kopf im Jahr 1990 auf 4,1 Tonnen gesenkt. Der Durchschnitt der EU-Staaten liegt bei neun Tonnen. Zu den wichtigsten Maßnahmen, die Rostock umsetzt, gehört regionale Energieversorgung ohne Einsatz fossiler Brennstoffe, Ausweitung der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung für Fernwärme sowie die Verdoppelung des Straßenbahnnetzes.
Anfang Februar waren es bereits mehr als 1.300 Städte und Gemeinden, die die Vereinbarung unterschrieben haben, da­runter Barcelona, London, Paris, Lyon und München. Wien gehört nicht dazu. Aus Österreich sind lediglich die Gemeinden Lassee, Laxenburg, Munderfing und Wolfurt als Mitglieder verzeichnet.  Wien hat stattdessen Ende des vergangenen Jahres das Klimaschutzprogramm II beschlossen, das den Fernwärmeanteil auf 50 % erhöhen, thermische Gebäudesanierung forcieren, den Anteil an erneuerbarer Energie verdoppeln und den Individualverkehr reduzieren soll. Auf europäischer Ebene ist Wien Mitglied beim Netzwerk »Eurocities«, das 130 Städte in über 30 Ländern umfasst. In sieben Foren sollen die Städte gemeinsam Lösungen zum Klimaschutz suchen.

Klimabündnis Österreich.
Wenig Sinn, an dieser EU-Initiative teilzunehmen, sieht nicht nur Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima, sondern auch Peter Molnar, Geschäftsführer der Organisation Klimabündnis Österreich. »Dieses Projekt ist aus den Startlöchern noch nicht richtig herausgekommen. Bis wir wissen, wie das ausgestaltet wird und wie hoch der Aufwand ist, macht das noch keinen Sinn«, meint Molnar. Erst müssten die Verpflichtungen aus einer Teilnahme, wie etwa eine CO2-Bilanzierung, bekannt sein. Ende 2010 könnte es so weit sein, glaubt Molnar. Das Klimabündnis Europa mit Sitz in Frankfurt, zu dem neben Österreich auch Deutschland und die Schweiz gehören, ist bereits Mitglied dieses Bürgermeisterkonvents, um sich auszutauschen, was die Städte zum Thema Klimaschutz tun. Dieses Bündnis sei von der EU auch bereits als Möglichkeit erkannt worden, Städte und Gemeinden für das Thema Energieeffizienz zu motivieren, so Molnar.
Das Klimabündnis Österreich, zu dem rund 830 und damit jede dritte österreichische Gemeinden gehören, will bis Ende 2012 so viele Städte und Gemeinden als möglich zum kommunalen Klimaschutz aktivieren, so Molnar. Schwerpunkte setzt das Klimabündnis dabei auf die Themen Mobilität, Energieeffizienz und Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen.
Unterstützt wird die Elektromobilität. Allerdings sei es nicht genug, den Verbrennungsmotor einfach durch den Elektromotor zu ersetzen, sondern auch die Form der Mobilität müsse verändert werden, so Molnar. Im Stadtverkehr müsse das Ziel sein, den individualisierten Verkehr – egal, ob Motor oder Elektro – zurückzudrängen, autofreie Zonen zu schaffen, Fußgänger mit Radfahrern gleichzustellen, für flächendeckende Bahninfrastruktur zu sorgen und Ähnliches. Weiteres Muss bei der Elektromobilität: Es müsse sichergestellt sein, dass der Strom für die Fahrzeuge aus erneuerbaren Energien stammt, so Molnar. Das Problem der Speicherkapazität von Batterien werde »in drei bis fünf Jahren« gelöst sein, glaubt der ehemalige Geschäftsführer der Ökostrom AG.

Contracting unter die Räder gekommen
Im Sektor Energieeffizienz versucht das Klimabündnis, die Gemeinden zur thermischen Sanierung öffentlicher Gebäude wie Sportstätten, Schulen, Kindergärten und Bäder zu motivieren, um den Energieverbrauch um bis zu 20 % zu senken. Hauptproblem dabei: das Geld. Klimaschutzmaßnahmen sind aus einem laufenden Budget nur schwer zu finanzieren. Deshalb begrüßt Molnar die vom Klima- und Energiefonds des Bundes ins Leben gerufene Förderung für Modellregionen, die mit bis zu 100.000 Euro zwei Jahre lang unterstützt werden, um Konzepte für Klima und Energie zu entwickeln. Denn alle Gemeinden wie Güssing oder Amstetten, die durch Klimaschutzmaßnahmen von sich reden gemacht haben, hätten ein solches Konzept ausgearbeitet, hat Molnar beobachtet. Für die Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen selbst steht die Umweltförderung Inland zur Verfügung, mit der 30 % der Maßnahmen unterstützt werden, die allerdings spät ausgezahlt würden und lange Wartezeiten bedingten, so Molnar. Zusätzlich kann sich der Klimabündnis-Geschäftsführer die auf fünf Jahre verkürzte steuerliche Absetzbarkeit von kommunalen Investitionen in den Klimaschutz vorstellen. Mit der Finanzkrise unter die Räder gekommen ist Molnar zufolge allerdings ein Finanzierungsmodell, das speziell für den kommunalen Klimaschutz geeignet ist: Das Contracting sei als Form der alleinigen Vorfinanzierung für ein Unternehmen heute kaum machbar. Investitionen ab 100.000 Euro, die für eine Gemeinde nicht leistbar seien, können nur durch die Umweltförderung Inland sowie eine geteilte Finanzierung durch Gemeinde und Investoren bewerkstelligt werden, so Molnar.

Klimaschutzgemeinden
In Österreich zeichnet das Umweltministerium seit zwei Jahren die »Klimaschutzgemeinde« des Jahres aus. Ende November waren es die drei Gemeinden Strem (Burgenland), Virgen (Osttirol) und Gleisdorf (Steiermark), die die vom Ministerium gemeinsam mit dem Gemeindebund und dem Energieversorger Verbund verliehene Auszeichnung erhielten. Strem ist durch Biomasse-Fernwärme in der Lage, seinen Eigenbedarf an Wärme zur Gänze abzudecken. In einer Biogasanlage wird aus regionalem Grünland Biomethan erzeugt und daraus Ökostrom und Nahwärme produziert. Auch im Verkehrssektor setzt Strem auf umweltfreundliche Alternativen: Autofahrer können bald in einer eigens errichteten Tankstelle Biomethan tanken. Im öffentlichen Verkehr wurden die Niederflurbusse auf Biodieselantrieb umgestellt. Virgen setzt auf die Kraft von Sonne und Wasser: eine 41 Quadratmeter große Photovoltaikanlage und drei Kleinwasserkraftwerke liefern Strom für die Bürger. In der Stadt Gleisdorf versorgen Solarkollektoren mit einer Gesamtfläche von 3.300 Quadratmetern, 161 Pelletsheizungen und drei zentrale Biomasseheizwerke die Bürger mit Wärme und Strom. Außerdem wird eine Infrastruktur für Solartankstellen im öffentlichen Raum aufgebaut, rund 300 Elektrofahrzeuge sind in der steirischen Stadt bereits im Einsatz.

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