Donnerstag, Mai 02, 2024

Wie die Nachhaltigkeit in betrieblichen Abläufen gesteigert werden kann, erläutert in einem Kommentar Matthias Rebellius, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO Siemens Smart Infrastructure.

Die die restliche Wirtschaft haben auch Industrieunternehmen ein Jahr hinter sich, das von der Covid-19-Pandemie geprägt war. Manche sind in einer besseren Position als andere, entweder aufgrund ihrer geografischen Lage oder der Branche, in der sie tätig sind. Unabhängig davon, wie sie dieses Jahr überstanden haben: Jetzt gibt es die Chance, den Aufschwung nach der Pandemie »grüner« zu gestalten – insbesondere, weil dieses Jahr der Unsicherheit ein weiteres Problem, das uns alle betrifft, noch offensichtlicher gemacht hat: den Klimawandel.

Damit haben wir einen Wendepunkt erreicht, der deutlich zeigt, dass es beträchtliche und aufeinander abgestimmte Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen braucht. Dies gilt auch für den Industriesektor – und dabei besonders für die energieintensive Prozess- und Produktionsindustrie. Ein entsprechendes Handeln in diesem Bereich ist von entscheidender Bedeutung, da die Industrie ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs ausmacht. Und nicht nur das: Während Sektoren wie Stromerzeugung, Landwirtschaft und Haushalte bereits begonnen haben, ihre Treibhausgasemissionen zu drosseln, hat sich bei der Industrie bisher noch wenig getan, selbst in einem Land wie Deutschland.

Hebel zur Senkung von Emissionen

Bild oben: Matthias Rebellius ist Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO Siemens Smart Infrastructure.

 

Wir haben drei Hebel identifiziert, um die Industrie bei der Emissionsreduzierung und Dekarbonisierung zu unterstützen. Erstens geht es darum, mehr Flexibilität in die Energienutzung zu bringen, etwa durch den Einsatz von Speicherlösungen und virtuellen Kraftwerken. Zweitens müssen wir betriebliche Abläufe digitalisieren, damit Energie wirklich effizient genutzt werden kann. Dies lässt sich durch den Einsatz von IoT-Geräten, Sensoren und Software erreichen. Und drittens benötigen wir eine intelligente Elektrifizierung über alle betrieblichen Prozesse hinweg.

Von diesen drei Hebeln hat der dritte das höchste Dekarbonisierungspotenzial und kann dabei von den ersten beiden beträchtlich profitieren. Bei der Elektrifizierung selbst sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: die Energieversorgung des Industriestandorts, beispielsweise eine mögliche Nutzung CO2-freier erneuerbarer Energie aus Wind-, Solar- und Wasserkraftanlagen, sowie das Energiemanagement vor Ort, etwa in Form eines softwaregesteuerten Bedarfsmanagements.

Die Elektrifizierung hat deshalb einen so großen potenziellen Einfluss auf die Dekarbonisierung, weil dadurch sauberer, regenerativ erzeugter Strom Prozesse antreiben kann, für die zuvor emissionsintensive Technologien wie Dieselgeneratoren genutzt wurden. Das heißt, ein Prozess, der bisher hohe Emissionen verursacht hat, kann, wenn er mit erneuerbarer Energie versorgt wird, absolut emissionsfrei werden.

Was das Energiemanagement vor Ort betrifft, so gibt es zahlreiche Möglichkeiten, denn die Elektrifizierung öffnet die Tür zur Digitalisierung und zu einer intelligenten Elektrifizierung. Dadurch ergeben sich wiederum zahlreiche Chancen nicht nur für die Energieeffizienz, sondern auch für die betriebliche Resilienz und Anlagenoptimierung.

Sensoren, Daten und IoT

Die Elektrifizierung »smart« zu machen, bedeutet Sensoren und Internet-of-Things-Plattformen zu implementieren, die riesige Datenmengen sammeln können. Diese Daten werden dann aggregiert und von Algorithmen und Software analysiert, um Anlagenbetreibern dabei zu helfen, Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung im Energiesystem der Anlage und im Betrieb allgemein zu identifizieren.

Dies führt unter anderem zu einer optimierten Produktion und einem niedrigeren Stromverbrauch. Zugleich lassen sich Situationen frühzeitig erkennen, die die Systemeffizienz beeinträchtigen könnten, wie etwa Maschinenausfälle.

Gehen wir noch einen Schritt weiter: Mit Digitalisierung lässt sich ein digitaler Zwilling für die Energiesysteme eines Werks entwickeln. In Verbindung mit der industriellen Automatisierung können Planer so eine Reihe von Betriebsszenarien virtuell testen, um Systeme und Services optimal zu koordinieren. Das führt zu geringeren Fehlerraten und niedrigeren Planungs-, Bau- und Wartungskosten.

Chancen in der Anwendung

Welche vielfältigen Chancen sich für Industrieunternehmen eröffnen, zeigen zwei Beispiele aus der Praxis. Sinebrychoff, eine 200 Jahre alte finnische Brauerei, baut aktuell zusammen mit einem Investorenkonsortium, an dem auch Siemens beteiligt ist, ein vernetztes Batterie-Energiespeichersystem (BESS). Mit fortschrittlicher Software, die den Betrieb des Energiesystems steuert, wird die Anlage als virtuelles Kraftwerk (VPP) betrieben, das nicht nur den Stromverbrauch der Brauerei optimiert, sondern auch den Energiehandel mit dem Netzbetreiber ermöglicht.

Damit lässt sich sowohl die Energieeffizienz der Brauereianlage verbessern als auch eine neue Einnahmequelle erschließen, da der Netzbetreiber die Reduzierung des Energiebedarfs zu bestimmten Zeiten vergütet – ein Prozess, der durch die VPP-Software und den Batteriespeicher vor Ort ermöglicht wird.
Ein weiteres Beispiel ist Gestamp, ein spanischer Hersteller von Metallkomponenten für die Automobilindustrie. Das Unternehmen ist von zahlreichen energieintensiven Prozessen abhängig, hatte aber nur unzureichenden Einblick in den Energieverbrauch, selbst als es mit steigenden Strompreisen konfrontiert war.

Durch die Installation von Energiezählern und Kommunikationslösungen in Verbindung mit Big-Data-Analysen in 15 Fabriken in sechs Ländern konnte Gestamp Verbesserungspotenziale identifizieren und entsprechende Maßnahmen umsetzen, die den Stromverbrauch um 15 Prozent und die CO2-Emissionen um 14.000 Tonnen jährlich gesenkt haben.

Kleinerer Footprint, größere Wirkung

Ausschlaggebend für die Dekarbonisierung des Industriesektors ist ein effizientes Energiemanagement – und der beste Weg, dies zu erreichen, ist intelligente Elektrifizierung. Anlagenbetreiber profitieren von mehr Flexibilität in der Produktion, einer Optimierung des Lebenszyklus und höherer Leistung. Dadurch rückt die Dekarbonisierung des Industriesektors in greifbare Nähe – durch Ökostrom und umfangreiche Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz.
Durch die intelligente Elektrifizierung von Industrieanlagen können Unternehmen ihren ökologischen Fußabdruck verbessern sowie nationale und regionale Nachhaltigkeitsverpflichtungen wie den Green Deal in Europa unterstützen.

Die Pandemie hat uns dazu gezwungen, innezuhalten und traditionelle betriebliche Abläufe neu zu überdenken. Wenn Industrieunternehmen für die Zeit nach der Pandemie gerüstet sein wollen, müssen sie intelligente Elektrifizierung in ihre Aufschwungs- und Wachstumsstrategien einbeziehen. Das kommt nicht nur ihrer eigenen Bilanz zugute, sondern auch der Zukunft ihrer Kunden und unseres ganzen Planeten.


Industrieller 5G-Router

Mit dem »Scalance MUM856-1« ist seit Juni der erste industrielle 5G-Router von Siemens verfügbar. Das Gerät verbindet lokale Industrieanwendungen mit öffentlichen 5G-, 4G- und 3G-Mobilfunknetzen. Mit dem Router können Anlagen, Maschinen, Steuerelemente und andere industrielle Geräte flexibel und mit hohen Datenraten aus der Ferne überwacht und gewartet werden. Hierfür gibt es in der Industrie einen wachsenden Bedarf. Zudem lässt sich das Gerät in private 5G-Netze einbinden.

Damit ermöglicht der Scalance MUM856-1 Anwendungen wie mobile Roboter in der Fertigung, autonome Fahrzeuge in der Logistik oder Augmented-Reality-Applikationen für Servicetechniker. Durch die robuste Ausführung im IP65-Gehäuse ist der Router auch außerhalb des Schaltschrankes einsetzbar, etwa unter rauen Bedingungen in der Produktion oder in Außenanlagen im Bereich Wasserwirtschaft.

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