Tuesday, October 28, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

In der letzten Ausgabe des Bau & Immobilien Report haben wir gemeinsam mit ATEUS Rechtsanwälte gezeigt, wie mithilfe eines Dispute Avoidance and Adjudication Board (DAAB) Konflikte bei Bauprojekten gelöst und vermieden werden können (Link). In dieser Ausgabe zeigen wir, wie das DAAB in nationale Verträge übertragen werden kann und wann sich der Einsatz lohnt.

Bild: iStock


Der King’s College Report »2024 Dispute Boards International Survey« zeigt deutlich, dass dispute avoidance inzwischen einen zentralen Stellenwert in der Praxis hat. Rund 86 % der Befragten bewerten die präventive Tätigkeit von Dispute Boards als »sehr« oder »extrem hilfreich«. Besonders wirksam erwiesen sich regelmäßige Projektbesprechungen, die frühzeitige Identifizierung von Konfliktpotenzialen sowie informelle Empfehlungen oder Hearings. Insgesamt bestätigt die Studie, dass Streitvermeidungsmechanismen in Bauprojekten nicht nur theoretisch sinnvoll, sondern auch praktisch erprobt und wirksam sind.

In jedem Bauvertrag, insbesondere bei Großbauprojekten, ist die Vereinbarung eines wirksamen Instruments zur Streitvermeidung und -beilegung daher höchst empfehlenswert, um Projektrisiken zu reduzieren und den Projekterfolg zu sichern. Die Einrichtung eines DAAB kann auch im Rahmen nationaler Bauverträge vertraglich vereinbart werden und eignet sich ganz gut. Durch die kontinuierliche Einbindung des Boards in den Projektablauf können Konflikte frühzeitig erkannt und durch Empfehlungen oder Entscheidungen zeitnah geklärt werden.

Gerade bei komplexen und umfangreichen Bauvorhaben kann ein DAAB daher einen wesentlichen Beitrag leisten, indem es sowohl präventiv Konflikte vermeidet als auch im Streitfall rasch und sachkundig entscheidet. Auch im nationalen Kontext bietet es sich somit an, die Vereinbarung eines DAAB – sei es als ständiges oder ad-hoc Board – in Erwägung zu ziehen, um Projektrisiken zu reduzieren und die Planungs- und Baupraxis effizienter zu gestalten.

Damit ein DAAB im Rahmen nationaler Bauverträge seine volle Wirkung entfalten kann, bedarf es einer klaren vertraglichen Regelung zur Verbindlichkeit seiner Entscheidungen. Zentral ist die Festlegung, dass die vom Board erlassenen Entscheidungen eine vorläufige Bindungswirkung entfalten, selbst wenn eine Partei mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist (»pay now, argue later«). Zugleich muss der weitere Instanzenzug klar geregelt werden: Die Parteien haben zu entscheiden, ob nach einer Notice of Dis­satisfaction der Weg in ein Schiedsverfahren eröffnet werden soll oder ob auch ein Rückgriff auf die ordentlichen Gerichte möglich bleibt – oder im Gegenteil vertraglich ausgeschlossen wird.

Bewertung und Ausblick
Gerade bei Großprojekten können Konflikte den Projekterfolg massiv gefährden – sie führen häufig zu Verzögerungen, Unterbrechungen, Kostensteigerungen, Qualitätseinbußen, zusätzlichen Sicherheitsrisiken und nicht zuletzt zu aufwendigen sowie kostspieligen Gerichtsverfahren. Das DAAB bietet deutliche Vorteile für komplexe Bauvorhaben: Die präventive Funktion sorgt für schnelle und praxisnahe Entscheidungen, verhindert Eskalationen durch seine präventive Funktion und trägt damit wesentlich zum Projekterfolg bei. Durch die regelmäßige Einbindung des Boards in das Projektgeschehen können Konfliktpotenziale frühzeitig erkannt und entschärft werden. Dies fördert nicht nur den Projekterfolg, sondern auch die Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen den Parteien.

Gleichzeitig zeigen sich aber auch Herausforderungen: Ein ständiges Board ist teuer und in der Abwicklung aufwendig. Bei Projekten mit geringerem Volumen kann es daher als überdimensioniert wirken. Hier kann ein ad-hoc Board eine sinnvolle Alternative darstellen, da es nur im Streitfall eingesetzt wird und somit Kosten spart – wenn auch auf Kosten der präventiven Begleitung. Die Entscheidung erfolgt auch rascher als durch Gerichte.

Insgesamt lässt sich festhalten: Das DAAB hat das Potenzial, sich auch im nationalen Bauvertragswesen zu einem modernen Standard der Konfliktlösung zu entwickeln. Entscheidend wird jedoch sein, die Struktur flexibel an Projektgröße und Rechtsrahmen anzupassen, um den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Es kann aber auch als ein Baustein im Rahmen des Managements von MKF und anderer Forderungen gesehen werden.

Für die nationale Vertragspraxis eröffnet sich damit die Chance, ein erprobtes Modell zu übernehmen und an die spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Wichtig ist jedoch, die Einsatzbereiche differenziert zu betrachten: Während bei Großprojekten ein ständiges DAAB sinnvoll erscheint, kann bei kleineren Vorhaben ein ad-hoc Board zweckmäßiger sein.

Fazit
Ein klug ausgestaltetes Streitvermeidungs- und Streitlösungsinstrument ist kein »Luxus«, sondern ein entscheidender Erfolgsfaktor im Bauprojektmanagement. Die Implementierung von DAAB-Mechanismen in nationale Bauverträge, wenn auch zu Verfahren vor ordentlichen (Schieds-)Gerichten vorgeschaltet, kann daher einen wesentlichen Beitrag zu einer effizienteren und konstruktiveren Streitkultur im Bauwesen leisten.

 

Konflikte in Bauprojekten - das Potenzial von DAAB ist auch in Österreich sehr groß. 

Bedeutung von Konfliktmanagement: Effektive Streitvermeidung und -lösung sind zentrale Erfolgsfaktoren jedes Bauvertrags.

FIDIC-Modelle: Der vom Auftraggeber implementierte Engineer kann helfen, Streitfragen amikal zu lösen. Mit DAB (1999) und DAAB (2017) wurden bewährte Instrumente geschaffen. Während DAB reaktiv entscheidet, kombiniert das DAAB Streitbeilegung und Streitvermeidung.

Ad-hoc vs. Ständiges Board: Ad-hoc-Board: nur im Streitfall, kostengünstiger, aber ohne präventive Begleitung.

Ständiges DAAB: ab Projektbeginn im Einsatz, höhere Kosten und mehr Aufwand im Projektmanagement, dafür frühzeitige Konflikterkennung und -lösung.

Rechtliche Einbettung national: DAAB kann vertraglich vereinbart werden; Parteien müssen die Verbindlichkeit der Entscheidungen sowie den Instanzenzug (Schiedsverfahren oder ordentliche Gerichte) vertraglich regeln.

Praxistipp
Der Einsatz eines DAAB ist insbesondere bei Großprojekten empfehlenswert, da es Konflikte schnell und praxisnah löst und häufig den Weg zu kostspieligen Gerichtsverfahren erspart.

 

Die Autor*innen

30_33_recht_ateus3.jpg

Rana Gomari und Dieter Stibi sind Partner bei ATEUS Rechtsanwälte in Wien. Mit ihrer Spezialisierung im Bau- und Bauvertragsrecht, Immobilien- und Vergaberecht bieten sie umfassende Beratung und Vertretung bei Infrastrukturprojekten, Hoch- und Tiefbauprojekten unter Einbindung alternativer Vertragsmodelle zur erfolgreichen Projektrealisierung. Dieter Stibi ist darüber hinaus Insolvenzverwalter und verfügt über besondere Expertise im Insolvenzrecht.
www.ateus.at 

ThemaThema

Früh an Bord

Der Umbau des Ordensklinikum Linz ist eines der aktuell größten Krankenhausprojekte Österreichs. Umgesetzt wird das komplexe Projekt im Rahmen eines partnerschaftlichen Vergabemodells mit Early Contractor Involvement (ECI). Durch die frühzeitige Einbindung der ausführenden Unternehmen in die...

Leben & StilView all