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Konflike: nicht nur lösen, sondern verhindern
In Zusammenarbeit mit ATEUS Rechtsanwälte zeigt der Bau & Immobilien Report, wie mit Hilfe eines Dispute Adjudication and Avoidance Board (DAAB) Konflikte bei Bauprojekten nicht nur erfolgreich beigelegt, sondern durch eine laufende Projektbegleitung bereits im Vorfeld verhindert werden können.

Großbauvorhaben sind hochkomplex, kostenintensiv und von unzähligen Unwägbarkeiten geprägt. Ob Terminverzögerungen, Kostenüberschreitungen oder Qualitätsmängel – wo erhebliche wirtschaftliche Interessen aufeinandertreffen, sind Konflikte beinahe unvermeidlich. Oft zeigt sich erst im Zuge der Projektabwicklung, welche Tätigkeiten auszuführen sind, und es verwirklichen sich Risiken, die man zuvor nicht bedenken konnte. Der Auftragnehmer kann seinen Preis zudem nur auf Basis von Annahmen kalkulieren, und der tatsächlich notwendige Umfang der Arbeiten zur Erreichung des Projektziels kristallisiert sich erst nach und nach heraus.
Aus Bauprojekten erwachsen dennoch regelmäßig Streitigkeiten, die vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden. Eine besondere Schwierigkeit solcher Bauprozesse liegt darin, die tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt des strittigen Ereignisses nachträglich zuverlässig festzustellen. Hinzu kommen lange Verfahrensdauern und komplexe Gutachterprozesse.
Gerade im Bauwesen drängt sich deshalb der Blick auf das Potenzial alternativer Konfliktlösungsmechanismen auf: Sie ermöglichen nicht nur eine raschere und sachnähere Streitbeilegung, sondern tragen auch dazu bei, Geschäftsbeziehungen und die weitere Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten zu sichern. Das richtige Konfliktmanagement entscheidet daher nicht nur über einzelne Streitigkeiten, sondern maßgeblich über den Erfolg des gesamten Projekts.
Ein international bewährtes Instrument zur Prävention und Beilegung von Konflikten ist das Dispute Adjudication and Avoidance Board (DAAB) – ein ständiges Gremium, das nicht nur Streitigkeiten im Anlassfall beilegt, sondern schon im Vorfeld deren Eskalation verhindern soll. Das DAAB entstammt den FIDIC-Verträgen, die im internationalen Bauvertragswesen bereits breite Anwendung finden.
Konfliktvermeidung und -lösung in FIDIC-Verträgen
Im internationalen Bauwesen haben sich FIDIC-Verträge als allgemein anerkannter Standard etabliert. Dabei handelt es sich um Vertragsmuster der Internationalen Vereinigung Beratender Ingenieure (FIDIC) für Bauprojekte, die eine ausgewogene Verteilung von Risiken und Verantwortlichkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ermöglichen. Die FIDIC-Vertragsmuster enthalten konkrete Vorschläge zum Umgang mit »disputes«. Die FIDIC-Vertragsmuster sehen dabei den »Engineer« als erste Instanz der Konfliktlösung vor. Der »Engineer« hat seine Wurzeln im angelsächsischen Rechtssystem und ist in kontinentaleuropäischen Bauverträgen typischerweise nicht vorgesehen. Der »Engineer« nimmt in den FIDIC-Verträgen eine Doppelrolle ein: Einerseits überwacht er als Vertreter des Auftraggebers die ordnungsgemäße Vertragserfüllung, andererseits entscheidet er in erster Instanz über Ansprüche und Streitigkeiten zwischen den Parteien. Er soll damit eine neutrale Instanz schaffen, die Konflikte frühzeitig klärt und eine Eskalation verhindert. Der Engineer wird in der Regel vom Auftraggeber ausgewählt und bezahlt, muss sich aber bei der Projektabwicklung neutral verhalten.
In zweiter Instanz der Konfliktlösung tritt das DAAB hinzu, das von einer Partei angerufen werden kann und eine Entscheidung des Engineers außer Kraft setzt.
Im Weiteren wird das DAAB genauer betrachtet, da seine Aufnahme in nationale Bauverträge eine überlegenswerte Möglichkeit zur Stärkung der Streitvermeidung und -beilegung bietet.
Das DAB und DAAB in FIDIC-Verträgen
Mit der First Edition aus dem Jahr 1999 führte FIDIC das Dispute Adjudication Board (DAB) ein. Das DAB hat die Aufgabe, Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien zu lösen, wird aber nur ad hoc eingesetzt, wenn ein konkreter Sachverhalt an das DAB herangetragen wird.
In der Second Edition aus dem Jahr 2017 wurde das DAB durch das DAAB ersetzt. Das DAAB ist eine Erweiterung des DAB: Neben der Entscheidung in Streitfällen hat das DAAB auch eine präventive Rolle der Streitvermeidung inne (dispute avoidance). Darin liegt wohl der wesentlichste Unterschied zwischen dem DAB und dem DAAB. Der Vorteil des DAB liegt in geringeren Kosten während der Projektlaufzeit, da das Board nicht dauerhaft bestellt ist.
Demgegenüber fehlt jedoch die kontinuierliche Begleitung, die beim ständigen DAAB den präventiven Charakter ausmacht. Ein ad hoc board bleibt damit stärker auf die reaktive Streitentscheidung beschränkt. Das DAAB hingegen ist ein Standing Board, wird zu Beginn des Projekts bestellt und bleibt während der gesamten Projektdauer im Amt. Ein Dispute Board kann als ständiges Gremium (DAAB) oder ein Ad-hoc-Gremium (DAB) bestellt werden.
Ob ein ständiges DAAB (Second Edition 2017) oder ein Ad-hoc-DAB (First Edition 1999) zum Einsatz kommt, wird im jeweiligen Vertrag festgelegt und hängt wesentlich von den Besonderheiten des Projekts ab. Gerade bei Vorhaben mit geringerem Projektvolumen kann ein dauerhaft eingesetztes Board als überdimensioniert erscheinen, sodass die Parteien häufig auf ein ad hoc DAB zurückgreifen. Ein dauerhaft eingesetztes Board bedeutet nicht nur einen erheblichen Kostenfaktor, sondern bringt auch zusätzlichen Aufwand in der organisatorischen Abwicklung und im Projektmanagement mit sich.
Funktionsweise des DAAB
Ein DAAB wird gleich zu Beginn des Projekts bestellt. Je nach Projektgröße kann es aus einem oder drei unabhängigen Mitgliedern bestehen, die von beiden Parteien gemeinsam nominiert werden. Diese Mitglieder sind fachlich qualifiziert, verfügen in der Regel über technische, juristische und/oder wirtschaftliche Expertise und verpflichten sich zur Neutralität und Unabhängigkeit. Das DAAB ist als ständiges Gremium konzipiert und agiert sowohl präventiv als auch reaktiv. Es begleitet das Projekt über dessen gesamte Laufzeit hinweg, erhält regelmäßig Informationen über den Baufortschritt und tritt in einem vorgegebenen Rhythmus mit den Parteien in Kontakt. Dadurch bleibt es stets mit den aktuellen Umständen vertraut und kann aufkommende Spannungen frühzeitig erkennen.
Die Vorteile eines ständigen Dispute Adjudication and Avoidance Board (DAAB) im Überblick
Schnelligkeit: Entscheidungen erfolgen wesentlich rascher als in Gerichts- oder Schiedsverfahren.
Praxisnähe: Durch die laufende Projektbegleitung verfügt das DAAB über ein tiefes Verständnis des Baugeschehens und Kenntnis der Abläufe.
Effizienz: Entscheidungen erfolgen wesentlich rascher als in Gerichts- oder Schiedsverfahren.
Kooperationsförderung: Die präventive Rolle stärkt die Zusammenarbeit der Parteien und mindert das Risiko einer Eskalation.
Das DAAB kann die Parteien durch Empfehlungen, informelle Hinweise oder Einschätzungen dabei unterstützen, Konflikte gar nicht erst eskalieren zu lassen. Der präventive Ansatz fördert die Zusammenarbeit, schafft Vertrauen und stärkt die Lösungsorientierung während des Projektverlaufs. Kommt es dennoch zu Streitigkeiten, entscheidet das DAAB auf Antrag einer Partei innerhalb von 84 Tagen. Die Entscheidung ist vorläufig bindend und muss von den Parteien sofort umgesetzt werden. Eine endgültige Klärung kann im Rahmen eines nachfolgenden Schiedsverfahrens erfolgen.
Die Arbeitsweise des DAAB bietet mehrere Vorteile: Entscheidungen erfolgen wesentlich rascher als in Gerichts- oder Schiedsverfahren. Zudem verfügt das DAAB durch die laufende Projektbegleitung über ein tiefes Verständnis des Baugeschehens und Kenntnis der Abläufe. Konflikte werden unmittelbar im Projektumfeld gelöst, was Zeit- und Kostenersparnis mit sich bringt. Und nicht zuletzt stärkt die präventive Rolle die Zusammenarbeit der Parteien und mindert das Risiko einer Eskalation.
Herausforderungen
Trotz dieser Vorteile ist das DAAB kein Allheilmittel. Ein ständiges Board verursacht spürbare Kosten und administrativen Aufwand, weshalb es vor allem bei Großprojekten sinnvoll erscheint. Bei kleineren Bauvorhaben kann der Einsatz eines ad hoc Boards zweckmäßiger sein, auch wenn dort die präventive Wirkung fehlt. Zudem hängt die Wirksamkeit des DAAB entscheidend davon ab, ob die Parteien bereit sind, die getroffenen Entscheidungen zu akzeptieren und umzusetzen.
Hintergrund: Konflikte in Bauprojekten
Bedeutung von Konfliktmanagement
- Effektive Streitvermeidung und -lösung sind zentrale Erfolgsfaktoren jedes Bauvertrags.
FIDIC-Modelle
- Der vom Auftraggeber implementierte Engineer kann helfen, Streitfragen amikal zu lösen. Mit DAB (1999) und DAAB (2017) wurden bewährte Instrumente geschaffen. Während DAB reaktiv entscheidet, kombiniert das DAAB Streitbeilegung und Streitvermeidung.
Ad-hoc vs. ständiges Board
- Ad-hoc-Board: nur im Streitfall, kostengünstiger, aber ohne präventive Begleitung.
- Ständiges DAAB: ab Projektbeginn im Einsatz, höhere Kosten und mehr Aufwand im Projektmanagement, dafür frühzeitige Konflikterkennung und -lösung.
Die doppelte Funktion des Dispute Adjudication and Avoidance Board (DAAB)
Dispute Avoidance (Streitvermeidung)
- Das DAAB kann die Parteien durch Empfehlungen, informelle Hinweise oder Einschätzungen dabei unterstützen, Konflikte gar nicht erst eskalieren zu lassen.
- Dieser präventive Ansatz fördert die Zusammenarbeit, schafft Vertrauen und stärkt die Lösungsorientierung während des Projektverlaufs.
Dispute Adjudication (Streitentscheidung)
- Kommt es dennoch zu Streitigkeiten, entscheidet das DAAB auf Antrag einer Partei (Entscheidungsfindung innerhalb von 84 Tagen).
- Seine Entscheidung ist vorläufig bindend und muss von den Parteien sofort umgesetzt werden (Instanzenzug zum Schiedsgericht möglich).
Die Autor*innen
Rana Gomari und Dieter Stibi sind Partner bei ATEUS Rechtsanwälte in Wien. Mit ihrer Spezialisierung im Bau- und Bauvertragsrecht, Immobilien- und Vergaberecht bieten sie umfassende Beratung und Vertretung bei Infrastrukturprojekten, Hoch- und Tiefbauprojekten unter Einbindung alternativer Vertragsmodelle zur erfolgreichen Projektrealisierung. Dieter Stibi ist darüber hinaus Insolvenzverwalter und verfügt über besondere Expertise im Insolvenzrecht.
www.ateus.at
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