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»Das ist nahezu grotesk«
Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister Baugewerbe, über die aktuell größten Probleme seiner Mitgliedsunternehmen, positive Signale und seine Wünsche und Forderungen an die Politik. Außerdem erklärt er, was er von den Maßnahmen der FMA hält und was ihn als Innungsmeister antreibt.
Auf einer Skala von 1 bis 5 nach dem Schulnotensystem. Wie geht es dem österreichischen Baugewerbe?
Robert Jägersberger: Ich würde dem österreichischen Baugewerbe derzeit die Note 3–4 geben, was die wirtschaftliche Situation betrifft. Unsere Leistungsfähigkeit verdient eine wesentlich bessere Bewertung. Die konjunkturelle Lage ist nach wie vor sehr angespannt, aber nicht hoffnungslos. Viele Betriebe kämpfen immer noch mit auf niedrigem Niveau stagnierenden Auftragszahlen und steigenden Kosten. Vereinzelt gibt es stabile Bereiche wie etwa den Infrastrukturbau. Die Branche muss einmal mehr ihre Resilienz und Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Was sind aktuell die größten Probleme Ihrer Mitgliedsunternehmen?
Jägersberger: Unsere Mitgliedsunternehmen stehen vor einer Vielzahl an Herausforderungen: Fehlende Auslastung vor allem beim Wohnbau, ein harter Preiskampf und stark gestiegene Lohn-, Material- und Energiekosten setzen den Bauunternehmen massiv zu. Hinzu kommen Kostennachteile, die österreichische Unternehmen infolge deutlich höherer Lohnnebenkosten zu tragen haben und mit denen im Rennen mit Entsendebetrieben aus dem Ausland kein fairer Wettbewerb möglich ist. Immer komplexere regulatorische Vorgaben und sinnlose Bürokratie machen uns ebenfalls das Leben schwer. Es ist ein Mix aus strukturellen und konjunkturellen Problemen. Viele Betriebe arbeiten am Limit.
Gibt es etwas, das Sie und Ihre Mitgliedsunternehmen aktuell positiv in die Zukunft blicken lässt?
Jägersberger: Der Wohnbau steht weiterhin unter Druck, doch wir spüren eine zarte Belebung am Markt: leicht steigende Wohnbaudarlehen, sinkende Zinsen, das Auslaufen der KIM-Verordnung. Auch 2026 wird der Wohnbau-Bereich maximal eine leichte Besserung verzeichnen. Eine Trendwende, die diesen Namen auch verdient, erhoffen wir frühestens ab 2027. Voraussetzung dafür sind stabile Rahmenbedingungen sowohl in wirtschaftlicher als auch in geopolitischer Hinsicht.
Die KIM-Verordnung ist im Sommer offiziell ausgelaufen. Die FMA empfiehlt den Banken aber weiterhin, sich nicht zu weit von den Vorgaben zu entfernen. Ist dennoch eine gestiegene Nachfrage nach Wohnbaukrediten spürbar?
Jägersberger: Das Auslaufen der KIM-Verordnung mit Ende Juni 2025 war ein überfälliger Schritt. Dass danach die FMA die Leitlinien der KIM-Verordnung bekräftigt und den Banken Kontrollen in Aussicht gestellt hat, ist de facto eine Verlängerung der KIM-Verordnung durch die Hintertür und nahezu grotesk. Aber immerhin haben die gesunkenen Zinsen in den ersten beiden Quartalen 2025 zu einer spürbaren Belebung der Nachfrage nach privaten Wohnbaukrediten geführt. Auch für das dritte Quartal 2025 wird seitens der Notenbank ein erneuter Anstieg der Kreditnachfrage für den privaten Wohnbau erwartet. Allerdings ist das Niveau noch deutlich von den Höchstwerten der vergangenen Jahre entfernt.
Wie hat sich der Stopp der Sanierungsförderung auf den Markt ausgewirkt?
Jägersberger: Der Stopp der Sanierungsförderung kam überraschend und war ein herber Rückschlag für viele Betriebe. Das betrifft vor allem kleinere Unternehmungen, die stark im Sanierungsbereich tätig sind. Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Stopp für viele aus heiterem Himmel erfolgte. Das ist ein schlechtes Signal und Gift für die Investitionsbereitschaft. Bauherren brauchen bei derartigen Investitionen vor allem Planungssicherheit.
Der Bau wird immer digitaler, technologischer. Besteht die Gefahr, dass die Kluft zwischen den großen Bauindustrieunternehmen und den kleinen Baumeisterbetrieben größer und irgendwann zu groß wird?
Jägersberger: Ich würde den Begriff Kluft nicht gebrauchen und schon gar nicht generalisieren. Es gibt viele Baumeisterbetriebe, die in diesem Bereich sehr fortschrittlich arbeiten. Nichtsdestotrotz wurde auch auf unser Betreiben hin vor einigen Jahren die Zukunftsagentur Bau gegründet. Damit steht den Mitgliedsbetrieben ein kompetenter Ansprechpartner in Sachen Bauforschung, Digitalisierung und Innovation zur Verfügung. Die ZAB befasst sich u. a. intensiv mit dem Thema Künstliche Intelligenz und hat erst vor Kurzem in einer Grundlagenstudie die Potenziale des Einsatzes von KI in der Baubranche erhoben. Darüber hinaus hat die ZAB einen Leitfaden zur Anwendung von KI im Baugewerbe veröffentlicht. Dieser Leitfaden richtet sich insbesondere an Klein- und Mittelbetriebe und beantwortet praxisnah Fragen zur Einführung von KI im eigenen Betrieb.
Welche drei Forderungen oder Wünsche haben Sie an die Politik?
Jägersberger: Uns würde es schon sehr helfen, wenn die im Regierungsprogramm enthaltenen Maßnahmen angegangen und zügig umgesetzt werden. Konkret meine ich damit erstens Maßnahmen zur Ankurbelung der Baukonjunktur und zur Sicherung von leistbarem Wohnraum wie z. B. eine Evaluierung des Wohnbaupakets, die Zweckbindung der Wohnbauförderung oder Schaffung neuer Finanzierungsinstrumente für Wohnbauinvestitionen.
Zweitens: Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Deregulierung wie z. B. eine signifikante Reduktion der Berichtspflichten. Drittens: Maßnahmen zur Reduktion von Baukosten wie u. a. eine Reduktion von kostentreibenden Anforderungen oder die Durchforstung der Baustandards im Dialog mit Praktikern. Das Regierungsprogramm enthält für die Baubranche wichtige Absichtserklärungen. Letztendlich wird der Erfolg des Programms von der Finanzierbarkeit und der raschen Umsetzung der geplanten Maßnahmen abhängen. Gerade die Bauwirtschaft mit allen nachgelagerten Bereichen ist der Konjunkturmotor schlechthin und eine wesentliche Stütze der heimischen Volkswirtschaft.
Welche Vision, welches Ziel treibt Sie als Bundesinnungsmeister aktuell am stärksten an?
Jägersberger: Ich werde mich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen, unter welchen unsere Baufirmen zu wirtschaften haben, bewältigbar bleiben. Das ist meine Vision und dazu gehören gleich mehrere Ziele: neben den bereits genannten Maßnahmen – Stärkung der Baukonjunktur, Senkung der Baukosten, Reduktion der überbordenden Bauvorschriften – sind das die Forcierung unserer Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten am Bau, eine Verkürzung der Verjährungsfrist beim Schadensersatz sowie die Nutzung der Potenziale der massiven Bauweise für nachhaltiges Bauen.
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