Samstag, Juli 27, 2024

Manuel Kripp, E-Voting-Experte: ''Onlinewahl mit großen Vorteilen gerade bei großen Distanzen innerhalb eines Landes und bei Einbindung von im Ausland lebenden Staatsbürgern.''E-Voting-Experte Manuel Kripp im Interview. Im Juli fand die internationale Konferenz »EVOTE2012« in Lochau am Bodensee statt. Das Kompetenzzentrum E-Voting.cc brachte in Zusammenarbeit mit dem Europarat zum wiederholten Male Experten und Anwender zum Thema elektronische Wahlen zusammen. Für Manuel Kripp zeigten der Besucherandrang und die Vielfältigkeit der Beiträge, »dass E-Voting mehr als nur ein Trend ist«. Moderne Demokratien würden mehr und mehr die Vorteile entdecken, die elektronische Wahlformen bringen, so Kripp im Report-Gespräch.

(+) plus: Worin sehen Sie den Vorteil von Onlinewahlen gegenüber dem herkömmlichen Gang zur Wahlurne oder zur Briefwahl? Warum sollten sich demokratische Gesellschaften mit E-Voting überhaupt beschäftigen?

Manuel Kripp: In Zeiten hoher Mobilität und Flexibilität ermög­licht die Onlinewahl die Stimmabgabe unabhängig von Zeit und Ort. Dies erleichtert das Wählen ungemein für zum Beispiel im Ausland lebende oder körperlich eingeschränkte Wähler. Auch aus administrativen Aspekten ist Onlinevoting interessant. Ist ein E-Voting-System einmal implementiert, vereinfacht und verbessert es den Wahlprozess durch höhere Transparenz und Automatisierung in der Verwaltung sowie durch sinkenden Logistikaufwand und Kosten.

Jede Demokratie ist über die Abhaltung von regelmäßigen Wahlen definiert. Die Beteiligung an Wahlen ist ein determinierender Faktor des Erfolgs. Eine Möglichkeit diese Beteiligung hochzuhalten, ist das Angebot verschiedener Wahlkanäle, um die Teilnahme so einfach und so bequem wie möglich zu machen. Auf der Konferenz wurde der Begriff Superdemokratie verwendet. Sie zeichnet sich durch ein Direktheit und eine ausgeprägte Transnationalität aus – und erfordert somit eine digitale Komponente.

(+) plus: In jüngsten Aussagen der regierenden Parteien werden E-Voting zwar gewisse Vorbehalte entgegengebracht, aber doch wieder eine nähere Zukunft eingestanden. Wodurch sehen Sie die Entwicklung von Onlinewahlen bislang in Österreich gebremst?

Kripp: Die positivere Einstellung zu E-Voting in Österreich ist zu begrüßen und die Politik zu einer hoffentlich stärkeren objektiveren Betrachtung des Themas zu beglückwünschen. Die jüngsten Aussagen zeigen eine weitere positive Komponente für Onlineabstimmungen außerhalb von Wahlen, etwa bei Bürgerbefragungen und Bürgerentscheiden. Durch den Einsatz von Onlinetools ist eine verstärkte, schnelle und effiziente Bürgerbeteiligung möglich.

Die Gründe für die schleppende Entwicklung in Österreich sind mehrheitlich politischer und rechtlicher Natur. Technisch waren wir bereits bei der ÖH-Wahl 2009 auf einem Stand, der die Abwicklung von Onlinewahlen erlaubte. Rechtliche Herausforderungen liegen in der nur teilweise vorhandenen Regulierung von Onlinewahlen und E-Voting im Rahmen des Hochschulgesetzes und des Wirtschaftskammergesetzes. Es gibt keine grundlegende Regelung auf nationaler Ebene. Diese übergreifende Regelung ist abhängig vom politischen Willen, der in den letzten Jahren nicht gegeben war. Die Revitalisierung des Themas E-Voting durch die Staatssekretäre Sebastian Kurz und Fritz Ostermayer zeugt davon, dass auf politischer Ebene Bewegung in das Thema kommt und eine erneute Diskussion angestrebt wird.

(+) plus: In welchen Teilen Europas ist E-Voting bereits weit fortgeschritten?

Kripp: Frankreich hat im Juni 2012 den im Ausland lebenden WählerInnen die Möglichkeit gegeben, über das Internet die Abgeordneten für die Nationalversammlung direkt zu wählen. Estland ist seit 2005 der unbestrittene Vorreiter und blickt auf die längste Vergangenheit mit erfolgreichen Onlinewahlen bei politischen Wahlen zurück. Die Schweiz bietet seit einigen Jahren den Bürgern in einigen Kantonen die Möglichkeit, bei kantonalen Referenda ihre Stimme über das Internet abzugeben und hat 2011 zum ersten Mal die Möglichkeit bereitgestellt, dass im Ausland lebende SchweizerInnen bei einem föderalen Referendum in zehn Kantonen ihre Stimme über das Internet abgegeben konnten. Norwegen hat 2011 den bisher größten rechtlich bindenden Piloten für Onlinewahlen bei den Kommunalwahlen in zehn Gemeinden erfolgreich umgesetzt. In Norwegen wird die Onlinewahl als Alternative zur Briefwahl zur vorgezogenen Stimmabgabe gesehen. Diese Vision hat sich bereits 2011 erfüllt, da mehr als 75 % der vorgezogen abgegeben Stimmen online abgegeben wurden. 

Meistgelesene BLOGS

Redaktion
09. April 2024
Die Baubranche befindet sich gerade in einem riesigen Transformationsprozess. Dabei gilt es nicht nur, das Bauen CO2-ärmer und insgesamt nachhaltiger zu gestalten, sondern auch Wege zu finden, wie man...
Firmen | News
27. Mai 2024
Die Zeiten, in denen man eine Bankfiliale besuchen musste, um sich über finanzielle Produkte zu informieren, sind längst vorbei. Heute, in einer Ära, in der praktisch jede Information nur einen Klick ...
Fujitsu
05. April 2024
Die IT-Landschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Früher dominierten zentralisierte Rechenzentren, ein neuer Trend favorisiert nun aber eine verteilte IT-Infrastruktur. Diese erstreckt...
Bernd Affenzeller
02. Juni 2024
Am 9. Juni findet in Österreich die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Überschattet wird der Wahlkampf derzeit von Vorwürfen gegen die grüne Kandidatin Lena Schilling. Trotz der heftigen Turbulenz...
Alfons A. Flatscher
02. Juni 2024
Elon Musk, Tesla-Gründer und Twitter-Eigner, ist immer gut für Sager. Jetzt wurde er gefragt, wer denn im November die Präsidentenwahlen gewinnen werde: Biden oder Trump? Er habe keine Ahnung, antwort...
Marlene Buchinger
21. April 2024
Derzeit gibt es Unmengen an Schulungsangeboten und ESG-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Anstelle das Rad neu zu erfinden, lohnt es sich bestehende Strukturen zu neu zu denken. Herzlich Willkomm...
AWS (Amazon Web Services)
15. April 2024
Ein Kommentar von Alexandra Lucke, AWS ClimateTech Expert Der Ruf nach einer klimabewussteren und nachhaltigeren Welt hält auch im Jahr 2024 an. Organisationen wie die Internationale Energieagentur er...
Firmen | News
31. Mai 2024
Im Mai machte der Roadshow-Truck von Huawei Halt in Wien. Am Wilhelminenberg konnten sich Interessierte über einige der fortschrittlichsten Technologien des globalen Unternehmens informieren.Im Frühli...

Log in or Sign up