Donnerstag, April 25, 2024

Für die Erreichung der Klimaziele ist die Renovierung des Gebäudebestands unerlässlich. Aktuell liegt die Sanierungsrate in Österreich bei rund 1,5 Prozent. Das im Regierungsprogramm angepeilte Ziel von drei Prozent scheint außer Reichweite. Und doch könnte sich bis 2025 eine Anhebung auf zumindest 2,5 Prozent ausgehen, sagt Wohnbauexperte Wolfgang Amann. Dafür ist aber ein Bündel an Maßnahmen nötig.

Alleine in Österreich machen Raumwärme und Warmwasser rund ein Drittel des Endenergieverbrauchs aus. Der Gebäudesektor ist damit unumstritten weltweit und auch in Österreich ein zentraler Hebel zur Erreichung der Klimaziele von Paris. Während im Neubau die Emissionen deutlich reduziert werden konnten, gilt vor allem der Gebäudebestand als echte »Dreckschleuder«.

Rund drei Viertel der Gebäude in Österreich wurden vor 1990 errichtet. Davon gelten etwa 60 Prozent aus energetischer Sicht als sanierungsbedürftig. Auch diese Bundesregierung hat sich deshalb ebenso wie ihre Vorgänger eine Sanierungsrate von drei Prozent ins Regierungsprogramm geschrieben. Mit bislang äußerst bescheidenem Erfolg. »Schaffte man im geförderten Bereich vor zehn Jahren Spitzenwerte von 40.000 umfassend sanierten Wohnungen, waren es 2018 nur noch 13.000 – und sie sind seither nur unwesentlich angestiegen«, erklärt Wolfgang Amann, Geschäftsführer des Instituts für Immobilien Bauen und Wohnen, und Autor einer aktuellen Studie zum österreichischen Sanierungsmarkt. Im gleichen Zeitraum verminderten sich die geförderten Einzelmaßnahmen, wie zum Beispiel Fenster- oder Heizungstausch, von 50.000 auf 20.000. Insgesamt sank die Sanierungsförderung der Länder zwischen dem Höchstwert 2009 und dem Tiefstwert 2018 um mehr als zwei Drittel und legte seither nur geringfügig zu.

Sowohl die geförderten als auch die ungeförderten Sanierungen sind stark rückläufig.

Auch die Zahl ungeförderter Generalsanierungen halbierte sich laut Amann von jährlich 8.000 vor zehn Jahren auf zuletzt nur noch 4.000. Dafür entwickelten sich die Einzelbauteilsanierungen positiv: Wurden Mitte der 2010er-Jahre in rund 60.000 Wohnungen thermisch-energetische Einzelmaßnahmen durchgeführt, waren es zuletzt 110.000. »Geförderte und ungeförderte, umfassende und kumulierte Einzelmaßnahmen summieren sich auf knapp über 1,5 Prozent des Wohnungsbestands. Die Sanierungsrate stagniert damit seit 2015 auf mehr oder weniger demselben niedrigen Niveau«, erklärt Amann.

Während in der bislang erfolgreichsten Phase der Dekarbonisierung des Gebäudesektors in Österreich in den Jahren 2005 bis 2012 dessen Treibhausgasemissionen um ein Drittel reduziert werden konnten, wurde in der gleich langen Periode bis 2019 nur eine leichte Reduktion von sechs Prozent erreicht.

Potenzial aktivieren

Trotz ungünstiger Vorzeichen zeigt sich Amann optimistisch, dass eine Steigerung der Sanierungsrate bis 2025 um einen Prozentpunkt möglich ist. Dafür bräuchte es aber eine ähnliche Dynamik und Performance wie im Zeitraum 2005 bis 2012. Die hohe Anzahl ungeförderter Sanierungen zeigt, dass die Bereitschaft der Bürger*innen sowie das Bewusstsein vorhanden sind. »Dieses Potenzial muss aktiviert werden«, sagt Robert Schmid, Obmann des Fachverbands Steine-Keramik. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist die mit 650 Millionen Euro dotierte Sanierungsoffensive des Bundes. Zudem können in Folge der ökosozialen Steuerreform Ausgaben für thermisch-energetische Sanierungen steuerlich abgesetzt werden.

Für Schmid stellt das aber nur die Basis dar, im nächsten Schritt müssten weitere attraktive Anreize geschaffen werden. »Dazu gehört in erster Linie der Aufbau von Kompetenzzentren, als Anlaufstelle für Sanierungswillige – ein One Stop Shop, wie etwa die Sanierungsberatung ›Hauskunft‹ der Stadt Wien«, so Schmid. Zudem brauche es dringend eine breite Informationsoffensive in Richtung Endkonsument*innen, damit die Fördergelder auch tatsächlich abgeholt werden. Die Gesellschaft müsse von der Notwendigkeit der Gebäudesanierung überzeugt werden – nur dann kann die Sanierungsrate umgehend erhöht werden. Andererseits bedeuten die genannten Maßnahmen allein in der Hochbausanierung eine Steigerung des Produktionsvolumens um 60 Prozent von derzeit rund zehn Milliarden Euro auf rund 16 Milliarden Euro bis 2025. »Das nützt nicht nur dem Klima, da entstehen Arbeitsplätze für Fachkräfte«, so Schmid.

Hürden überwinden

Auch für Wohnbauexperten Wolfgang Amann ist die Finanzierung nur ein Hebel zur Steigerung der Sanierungsrate, er sieht aber zahlreiche andere Barrieren. »Besonders hinderlich ist der anhaltende Boom im Wohnungsneubau. Bei einer hohen Auslastung der Bauwirtschaft im Neubau fehlen die nötigen Kapazitäten für die Sanierung.« Im Geschoßwohnbau stünden darüber hinaus wohnrechtliche Regelungen einer Sanierungsoffensive im Weg, bei Eigenheimen die Komplexität umfassender Sanierungen. Diese Barrieren gelte es zu beseitigen. 

Quelle: Studie »Monitoring-System zu Sanierungsmaßnahmen in Österreich« des IIBW und des Umweltbundesamts vom 19.11.2021.

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