Samstag, Juli 27, 2024



Es ist gängiger Alltag, der uns alle betrifft und den jeder kennt: Ein Arbeitsverhältnis passt ein- oder beidseitig nicht mehr. Ziel sollte jedoch immer sein, im Guten auseinanderzugehen. Daher empfiehlt es sich, Exit-Gespräche zu führen und ein Win-Win für beide Seiten herauszuholen. Doch ist vereinbart nicht gleich vereinbart!

In der Praxis werden Ansprüche zwar oftmals »miterledigt«, aber nicht gesetzeskonform abgehandelt, wodurch es zur (Teil-)Unwirksamkeit dieser Vereinbarung kommen kann. Doch wie kann das verhindert werden und worauf kommt es in Exit-Gesprächen wirklich an? Grundsätzlich kann jeder auf seine Rechte verzichten, solange das konkrete Recht seinem Zweck nach nicht unverzichtbar ist, es auch nicht durch das Gesetz ausgeschlossen wird und die Rechte anderer nicht berührt werden.

Im Arbeitsrecht gelten aufgrund des Schutzgedankens Arbeitnehmenden gegenüber strengere Regeln, weshalb es hier einer genauen Betrachtung und Differenzierung zwischen unabdingbaren und abdingbaren Ansprüchen bedarf. Einer Verzichtsbeschränkung unterliegt als unabdingbarer und damit unverzichtbarer Anspruch unter anderem das zustehende Entgelt. Allerdings gehören auch weitere arbeitsrechtliche Ansprüche, wie die Ausstellung eines Dienstzeugnisses oder die Einhaltung von Kündigungsfristen, dazu. 

Verzichtserklärungen

Bei Verzichterklärungen während aufrechtem Arbeitsverhältnis wird ein besonders strenger Maßstab angelegt. In der Rechtsprechung hat sich dabei die »Drucktheorie« durchgesetzt. Danach ist der Verzicht auf unabdingbare Ansprüche während aufrechtem Arbeitsverhältnis unwirksam, weil angenommen wird, dass dieser Verzicht nicht aus freien Stücken, sondern unter wirtschaftlichem Druck abgegeben wird. Allerdings ist eine Tendenz der Rechtsprechung ersichtlich, dieser Vermutung eine Widerlegbarkeit zuzusprechen. Dagegen gibt es in der Lehre Stimmen der Kritik, welche meinen, dass damit arbeitsrechtliche Schutzgedanken untergraben werden und Rechtsunsicherheit entstehen würde.

Auch beim Verzicht bei bzw. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird auf die Drucktheorie abgestellt, da zumeist Arbeitnehmer*innen in der wirtschaftlich schwächeren Position sind. Dabei kommt es darauf an, ob und für welche Dauer sich Arbeitnehmer*innen in einer typischen Abhängigkeit zu Arbeitgeber*innen befinden. Der Oberste Gerichtshof hat im Falle einer einvernehmlichen Auflösung zu einem bestimmten Zeitpunkt einen rechtswirksamen Verzicht bejaht, wenn trotz Entgeltfortzahlung keine weiteren Arbeitsleistungen mehr erbracht wurden und die Parteien zugleich eine umfassende Vereinbarung getroffen haben, bei der alle noch offenen gegenseitigen Ansprüche geregelt wurden.

Mögliche Alternative

Im Rahmen der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses wird oftmals ein Vergleich angestrebt, der sämtliche wechselseitigen Ansprüche bereinigen soll und folgenden großen Vorteil bietet: Mitumfasste Verzichte von Arbeitnehmer*innen auf strittige oder zweifelhafte Ansprüche, die sonst als »isolierte« Verzichtserklärungen unwirksam wären, könnten dadurch rechtswirksam werden. Für die Frage der Wirksamkeit eines solchen Vergleichs gilt es eine Günstigkeitsprüfung durchzuführen.

Dabei kommt es nicht auf einen Vergleich der vertraglichen mit der rechtlichen Regelung an, sondern darauf, ob eine allfällige Einbuße an einer Stelle aufgrund des »Verzichts« eines Anspruchs durch Vorteile an einer anderen Stelle aufgewogen wird. Wird beispielsweise eine Entlassung auf Wunsch der Arbeitnehmenden in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt, so können wechselseitige Ansprüche durch beidseitiges Nachgeben neu geregelt werden.

Verzichtet so der oder die Arbeitnehmer*in auf das Überstundenentgelt und bekommt stattdessen eine Abgangsentschädigung, so ist der im Vergleich mitumfasste Verzicht rechtswirksam, sofern die Abgangsentschädigung einen so großen Vorteil bietet, dass sie den entstandenen Nachteil zumindest aufwiegt. Auch die Voraussetzung der Strittigkeit ist erfüllt, denn im Falle der zuerst angedachten Entlassung, würde das Arbeitsverhältnis mit einer gewissen Ungewissheit enden, da allenfalls die Entlassung gerichtlich angefochten werden könnte und in diesem Sinn strittige bzw. zweifelhafte Ansprüche/Rechte gegeben sind.

Die Autoren: Nicolaus Mels-Colloredo ist Partner bei PHH Rechtsanwälte und Experte für Arbeitsrecht. Aleksandra Lazic ist juristische Mitarbeiterin bei PHH Rechtsanwälte.

Meistgelesene BLOGS

Redaktion
09. April 2024
Die Baubranche befindet sich gerade in einem riesigen Transformationsprozess. Dabei gilt es nicht nur, das Bauen CO2-ärmer und insgesamt nachhaltiger zu gestalten, sondern auch Wege zu finden, wie man...
Firmen | News
27. Mai 2024
Die Zeiten, in denen man eine Bankfiliale besuchen musste, um sich über finanzielle Produkte zu informieren, sind längst vorbei. Heute, in einer Ära, in der praktisch jede Information nur einen Klick ...
Fujitsu
05. April 2024
Die IT-Landschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Früher dominierten zentralisierte Rechenzentren, ein neuer Trend favorisiert nun aber eine verteilte IT-Infrastruktur. Diese erstreckt...
Bernd Affenzeller
02. Juni 2024
Am 9. Juni findet in Österreich die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Überschattet wird der Wahlkampf derzeit von Vorwürfen gegen die grüne Kandidatin Lena Schilling. Trotz der heftigen Turbulenz...
Alfons A. Flatscher
02. Juni 2024
Elon Musk, Tesla-Gründer und Twitter-Eigner, ist immer gut für Sager. Jetzt wurde er gefragt, wer denn im November die Präsidentenwahlen gewinnen werde: Biden oder Trump? Er habe keine Ahnung, antwort...
Marlene Buchinger
21. April 2024
Derzeit gibt es Unmengen an Schulungsangeboten und ESG-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Anstelle das Rad neu zu erfinden, lohnt es sich bestehende Strukturen zu neu zu denken. Herzlich Willkomm...
AWS (Amazon Web Services)
15. April 2024
Ein Kommentar von Alexandra Lucke, AWS ClimateTech Expert Der Ruf nach einer klimabewussteren und nachhaltigeren Welt hält auch im Jahr 2024 an. Organisationen wie die Internationale Energieagentur er...
Firmen | News
31. Mai 2024
Im Mai machte der Roadshow-Truck von Huawei Halt in Wien. Am Wilhelminenberg konnten sich Interessierte über einige der fortschrittlichsten Technologien des globalen Unternehmens informieren.Im Frühli...

Log in or Sign up