Sonntag, Mai 12, 2024

Der Business-Software-Hersteller Infor reitet auf der Digitalisierungswelle in die Cloud und prognostiziert: Erfolgreiche Unternehmen werden zu »network companies«. Von Martin Szelgrad aus New York

Die Welt ist im Wandel und Informationstechnologie ist das Futter für Veränderungen. Diese Weisheit heftet sich die IT-Branche seit Jahrzehnten auf die Fahnen. Jetzt sei es aber tatsächlich so weit, heißt es. Die Digitalisierung erschüttert die Grundfesten von nahezu  allen Wirtschaftsbereichen. Dass es mit der Transformation von Geschäftsmodellen bitterer Ernst geworden ist, zeigen nicht nur Shootingstars wie Amazon, Uber und ­Airbnb, welche traditionelle Geschäftsmodelle des Buchhandels, Taxiwesens und der Vermietung auf den Kopf stellen. Nein, es sind auch die IT-Unternehmen selbst, deren Basis beim Trend zu Cloud-Services und mobilen Apps zerbröselt. All diese Hypes greifen von der Nutzung im privaten Bereich auf die Geschäftswelt über. Die Anwender sind schließlich dieselben.

Infor gehört zu den weltweit größten Softwareherstellern, die sich auf Unternehmenskunden spezialisieren – mit Lösungen für Personalmanagement, Kundenservice und Enterprise-Ressource-Management (ERP), dediziert entwickelt für unterschiedliche Industriesparten. Auch Infor, das sich neben Microsoft, Oracle und SAP zu den erfolgreichsten Anbietern in dieser Liga zählt, muss sich selbst neu erfinden, um im mäandernden IT-Markt zu bestehen. »So vieles hat sich in den letzten fünf Jahren verändert. Wir sehen es als einen Quell für Innovationen, viele unterschiedliche Branchen zu adressieren und dafür Produkte anbieten zu können«, fasst Infor-CEO Charles Phillips den Nutzen einer Palette zusammen, die aus hunderten Diensten besteht. »Wir befinden uns in einem ständigen Wettlauf von Innovationen und können die Erfahrungen und Erfolge von Projekten eines Bereichs in andere übertragen«, erklärt Philips dem Publikum der Hausmesse Inforum 2016 Anfang Juli in New York. Philips wechselte 2010 von der Unternehmensführung bei Oracle zu Infor, das in vergangenen Jahren kontinuierlich in Marktanteilen gewachsen ist. Die Amerikaner haben auch in Europa viele Kunden – besonders auch im SAP-Kernland Deutschland.

Veränderungen von Branchen und Unternehmen aufgrund von Technologie hat es schon immer gegeben. »Auch die Glasbläser in Murano im 13. Jhdt. wussten anfangs nicht, dass ihre Produkte die Wissenschaft in Europa verändern würden«, bringt Charles Philips ein frühes Beispiel von Transformation von Geschäftsprozessen und Geschäftsfeldern. Mit dem Erwachen einer neuen Ära der Astronomie und Forschung wurden in Europa geschliffene Linsen nachgefragt. Die venezianischen Experten spezialisierten sich prompt auf den neuen Zweig. Aus Kunst und Gebrauchsgegenständen wurden Linsen für Mikroskope und Teleskope.

Geschäft verbessern
Lieblingsbeispiel der IT-Industrie für veränderte Geschäftsprozesse und Digitalisierung heute ist der Handel. Für eine Branche, die darauf angewiesen ist, die richtigen Produkte zur richtigen Zeit an der passenden Stelle verfügbar zu haben, ist ein Abbild der realen Welt auf einer effizient verarbeitbaren IT-Ebene jeden Cent Investition wert. Für den Überblick über das eigene Geschäft ist die jährliche Inventur nun obsolet geworden. Moderne Software kombiniert Daten aus Planung, Einkauf, Lagerhaltung, Point-of-Sale, Marketing und vielleicht auch noch Kundenservice zu einem transparenten Ganzen. Sogar Wetterdaten, demografische Infos und Social-Media-Trends fließen in die Analysen und Prognosen ein. ERP heißt heute: Man kann mit IT vom Regal aus in die Welt hinaussehen. Und auch hier wieder der Nutzen für andere Bereiche:  Infor adaptierte seine Handelslösung für den Einsatz in Spitälern. Einzelne Betreiber haben damit die Medikamente- und Lagerkosten um 13 % reduzieren können.

Mithilfe von Machine-Learning, Big Data und Cloud-Services werden in den kommenden Jahren mehr und mehr Unternehmensprozesse automatisiert werden. Nachdem Unternehmen wie Infor auf die Applikationsebene fokussieren, können die Kunden jeglichen IT-Untergrund nutzen – sei es eigene EDV, jene von IT-traditionellen Dienstleistern oder die Public Cloud. Amazon Web Services beispielsweise haben bereits 55 Millionen Cloud-Anwender. Infor setzt in einer engen Partnerschaft auf den großen Infrastrukturpartner, der weltweit IT-Infrastruktur betreibt.

Mit neu geformten »Cloud Suites« für unterschiedliche Bereiche hat Infor seine Produkte Stück für Stück auseinandergenommen und cloudfähig neu zusammengesetzt. Die Anwender merken dabei nicht, wo sich die Daten befinden und aus welcher Leitung die gerade genutzte Software gespeist wird. Trotz des signifikanten Wandels der IT, die sich vom Produkt zum Service verwandelt, sollen die Kunden bei der Reise in die Cloud selbst keine großen Anstrengungen unternehmen müssen, betont auch Infor-President Stephan Scholl. Ob ein Programm am Rechner installiert ist oder in der Cloud­variante über das Browserfens­ter bedient wird, soll keinen Unterschied in der Verknüpfung von Software und Maschine machen. Dass dieser Trick funktioniert, kommentiert Scholl so: »Vor fünf Jahren hatten wir 5 % unseres Geschäfts mit Cloud-Lizenzen erzielt. Heute ist dies mehr als der Hälfte.« Mit H&L Digital wurde nun auch eine neue Abteilung für die Bereitstellung von digitalen Komplettlösungen in der Cloud gegründet, auf die man bei Infor viel Hoffnung setzt, weiter Marktanteile zu gewinnen.

Über Unternehmensgrenzen
Mittlerweile ist das Cloud-Geschäft dem Versuchsstadium entwachsen. Auch geschäftskritische Prozesse – etwa in der Produktion in Fabriken der Automotive-Branche – werden auf diese Weise flexibilisiert.  Unternehmen wie Adidas, Nike und viele andere würden eindrucksvoll demonstrieren, sagt Scholl, dass Wertschöpfungsketten vollständig digitalisiert werden. Hersteller und Retailer reduzieren die Verkaufsflächen ihrer Geschäftslokale, dafür können Produkte wie etwa Laufschuhe am Bildschirm konfiguriert und dem Einzelkunden angepasst erworben werden. Die Digitalisierung der Prozessketten betrifft auch die Logistik. Mit den Daten zu Lieferwegen, Verkehrssituationen, Warenströmen, den Standorten von Containern und Paletten und vor allem auch Informationen aus den Maschinen-, Fahrzeug- und Datenpools von Lieferanten und Partnern lassen sich Lieferzeiten optimieren und verkürzen. Besser noch: Alle – Hersteller, Lieferant und Adressat – wissen, wann die Güter tatsächlich ankommen. Das ist Gold wert, um Produktionsabläufe anpassen und notfalls umschichten zu können.

80 % der Daten, mit denen Unternehmen zu tun haben, betreffen in der Regel Dinge außerhalb ihres eigenen Netzwerkes, ihres Unternehmens. »Erfolgreiche Unternehmen werden deshalb in Zukunft zu Netzwerk-Unternehmen«, glaubt Charles Philips an die Vernetzung der Dinge. Wer über die eigenen vier Wände hinaus planen und steuern kann, gewinnt künftig den nötigen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern.


Sager zum Thema

»Wir leben in einer Welt, in der Dinge transparenter und nachvollziehbar werden. Die Basis dafür ist die richtige Technologie für Prozesse und Inventur in Echtzeit.«
Walter Robb, CEO Whole Foods Market, eine Bio-Kette in den USA

»Früher ist es in unserer Branche darum gegangen, die schnellsten, besten und schönsten Produkte anzubieten. Heute wollen unsere Kunden vor allem eines: Service.«
Geoff Hurst, Chief Design Officer, Triumph Motorcycles

»Die größte Herausforderung in der Wirtschaft heute ist der Riesenunterschied zwischen der Erwartung von digitalen Konsumenten gegenüber den begrenzten Möglichkeiten analog funktionierender Unternehmen.«
Duncan Angove, President Infor

»Jeder einzelne Sensor ist eine ›Business Opportunity‹.«
Duncan Angove
zum zum Thema Internet of Things

»Wir haben Millionen Anwender, die unsere Business Software aus der Cloud nutzen.«
Stephen Scholl, President Infor



Kundenstory Rosenbauer

Mit der Rosenbauer International AG hat sich erst kürzlich der Hersteller von Feuerwehrtechnik im Brand- und Katastrophenschutz für Infor entschieden. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich wird Infor LN, Infor BI, Infor ION, Infor Ming.le sowie Infor Warehouse Mobility einführen. Nach der Implementierung in Leonding ist bis zum Jahr 2020 der Rollout zu 19 internationalen Standorten geplant. Diese befinden sich in Deutschland und der Schweiz, aber auch in Slowenien, Spanien, England, Frankreich, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika und in den Vereinigten Staaten.


Foto: Rosenbauer

Vor 150 Jahren gegründet, ist Rosenbauer heute in mehr als 100 Ländern aktiv. Das Unternehmen entwickelt und produziert nicht nur Fahrzeuge, Löschtechnik und Ausrüstung, sondern auch Telematiklösungen für Berufs-, Betriebs-, Werk- und freiwillige Feuerwehren sowie Anlagen für den vorbeugenden Brandschutz. Mit der ERP-Lösung Infor LN kann Rosenbauer seine Prozesse vom Vertrieb über Produktion hin zu Auslieferung und After-Sales-Service abbilden und steuern. Der Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen und Löschsystemen wird so ab 2020 in der Lage sein, Aufträge aus aller Welt in seine Produktionen in den USA, Deutschland, Spanien, Österreich sowie Asien einzusteuern – alles unter Berücksichtigung der länderspezifischen Normen.

Das Service- und Vertriebsnetzwerk von Rosenbauer erstreckt sich sogar noch weiter in die Welt. Die Entscheidung für Infor LN fiel auch deswegen, weil sich damit die für das Geschäft eines Spezialfahrzeugherstellers wichtigen After-Sales-Dienstleistungen verwalten lassen. Die vorher genutzte ERP-Lösung geriet hier an ihre Grenzen. Um ein absolut integriertes System zu gewährleisten, implementiert Rosenbauer auch die Business-Intelligence-Lösung von Infor, um Leistungskennzahlen aus allen Unternehmensbereichen analysieren und weltweit konsolidieren zu können.

Weil neben der globalen Standardisierung von Prozessen auch eine moderne Nutzeroberfläche und transparente Kommunikation ohne Medienbrüche wichtig war, hat sich Rosenbauer auch für die Social-Collaboration-Lösung Infor Ming.le entschieden. Die Applikation, die sich an den Kommunikationskonzepten von Social-Media-Kanälen wie Twitter oder Facebook anlehnt, ist direkt in die ERP- und BI-Oberfläche eingewoben. Sie ermöglicht so eine lückenlose Dokumentation geschäftlicher Korrespondenz im Entwicklungs- und Herstellungsprozess. Und Infor ION, die Middleware der nächsten Generation, soll für einen reibungslosen Datenaustausch der verschiedenen Lösungen untereinander sorgen.

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