Freitag, März 29, 2024

2022 war erneut von unerwarteten Ereignissen geprägt. In Unternehmen sind Führungskräfte mehr denn je gefordert, rasch auf Veränderungen zu reagieren und Entscheidungen transparent zu kommunizieren. 

Wie gut die Unternehmenskultur tatsächlich ist, zeigt sich meist erst in der Krise. Lieferengpässe, Preissteigerungen, Remote-Work und hybride Arbeitsmodelle stellen Betriebe seit vielen Monaten auf eine harte Probe. Führungskräfte tragen in dieser Zeit eine besondere Verantwortung. »Krisen verlangen nach klarer Kommunikation und schnellen Entscheidungen – dabei können Geschäftsführer*innen einen wichtigen Beitrag leisten, um ihr Unternehmen während der Krise zu stabilisieren«, erklärt Patrizia Tonin, Vorsitzende der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖSV). »Dafür braucht es Wachsamkeit und Interesse, um zu erkennen, was sich intern und rund um das Unternehmen tut.« Auch das Etablieren einer angemessenen Fehlerkultur hilft dabei, das Team besser durch die Krise zu führen.

Das gestaltet sich umso schwieriger, seit Remote-Work und hybrides Arbeiten infolge der Pandemie inzwischen in vielen Betrieben zur Normalität gehören. Mitarbeiter*innen kommen nur an einzelnen Tagen oder gar nur zu Meetings ins Büro, selten trifft die gesamte Belegschaft zusammen. »Für Führungskräfte bedeutet die räumliche Distanz, dass sie Präsenz zeigen und mit ihren Mitarbeiter*innen angemessen in Kontakt bleiben müssen. Und zwar nicht nur, wenn es um dringliche Anweisungen oder Probleme geht«, sagt Tonin. Ihrer Erfahrung nach bleibt allzu oft die zwischenmenschliche Komponente auf der Strecke. Während ein paar Worte der Anerkennung und Empathie im täglichen persönlichen Umgang leichter fallen, müssen Führungskräfte auf Distanz digital aktiv werden oder zum Telefon greifen.

Patrizia Tonin, ÖSV: »Krisen verlangen nach klarer Kommunikation und schnellen Entscheidungen.« (Bild: Tom Poe Photography)

Das Bedürfnis nach Sicherheit ist jedoch in Krisenzeiten größer – diese Sicherheit glaubhaft zu vermitteln, erfordert Zeit und Sichtbarkeit. Gerade in kritischen Situationen, die Stress oder Angst hervorrufen, wird von Führungskräften erwartet, dass sie souverän auftreten und handeln. Auch wenn sie selbst emotional unter Strom stehen, müssen sie die Balance zwischen Vorsicht und Zuversicht finden. 

Ungelöste Nachfolgefrage

Eines der eklatantesten Probleme – der Personalmangel – wird sich in den kommenden Jahren durch die anstehenden Pensionierungen der geburtenstarken 1960er-Jahrgänge noch verschärfen. Der demografische Bruch am Arbeitsmarkt setzt sich unaufhörlich fort, auch Führungspositionen sind in großer Zahl betroffen. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Menschen über 65 Jahre in Österreich um rund 900.000 steigen, während die Zahl der erwerbsfähigen Personen um rund 320.000 (5,8 %) zurückgehen wird.

Trotzdem haben laut »Deloitte Leadership Survey 2022« viele Betriebe noch keine strategische Nachfolgeplanung in die Wege geleitet. »60 Prozent der befragten Unternehmen sehen sich mit einer stark zunehmenden Zahl an Pensionierungen konfrontiert«, betont Gudrun Heidenreich-Pérez von Deloitte Österreich. »Über drei Viertel geben an, dass bis zu 25 Prozent ihrer Führungskräfte in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand gehen werden.«

Umso überraschender, dass sich die Betriebe noch nicht intensiver mit der Nachbesetzung leitender Funktionen auseinandergesetzt haben. »Nur jedes zweite Unternehmen verfügt über eine strategische Nachfolgeplanung. Das ist ein ernstzunehmendes Versäumnis, denn fehlendes Nachfolgemanagement birgt große Risiken für die gesamte Organisation in sich«, erklärt die Leadership-Expertin. Angesichts knapper Ressourcen wird es zunehmend schwieriger, rechtzeitig Führungskräfte zu finden, die den aktuellen Herausforderungen gewachsen sind.

Frauen in der Minderheit

Das größte Potenzial an möglichen Führungskräften wird bei weitem nicht ausgeschöpft: Frauen. Bezüglich Chancengleichheit besteht in den Spitzenfunktionen der heimischen Wirtschaft noch großer Aufholbedarf. Im Topmanagement sind Frauen nach wie vor in der Minderheit, wie die Arbeiterkammer alljährlich im »Frauen.Management.Report« dokumentiert. In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs waren Anfang 2022 von 609 Geschäftsführungsposten 555 der Funktionen von Männern belegt (91 %).

Noch deutlicher fällt die Unterrepräsentanz von Frauen in den Vorständen der börsennotierten Gesellschaften aus: Nur 18 von 220 Vorstandspositionen sind weiblich besetzt. In jedem fünften ATX-Unternehmen gibt es im Vorstand und im Aufsichtsrat keine einzige Frau. Im »Global Gender Gap Report 2021« des Weltwirtschaftsforums belegt Österreich somit unter 157 Ländern lediglich den 88. Rang. Einen kleinen Lichtblick gibt es dennoch: Die seit 2018 geltende verpflichtende Quotenregelung für die Neubestellung in Aufsichtsräten – 30 Prozent Frauenanteil in börsennotierten Unternehmen sowie Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten – macht sich langsam bemerkbar. Während die Geschäftsführung meist eine reine Männerdomäne bleibt, nehmen in den Aufsichtsräten Frauen mittlerweile 28 Prozent der Plätze ein.

Gudrun Heidenreich-Pérez, Deloitte: »Fehlendes Nachfolgemanagement.« (Bild: Deloitte/feelimage)

»Ohne Quote gibt es keine Veränderung«, bestätigt Deloitte-Partnerin Gundi Wentner. »Mehr Frauen im Aufsichtsrat führen zwar nicht automatisch zu mehr Frauen in den anderen Top-Führungspositionen im Unternehmen. Dennoch können Aufsichtsräte den Rekrutierungsprozess von Vorstandspositionen beeinflussen. Strukturierte Auswahlverfahren, bei denen Frauen ihr Potenzial zeigen können, sind daher unabdinglich.« An den zentralen Hebeln der Macht sitzen nach wie vor fast ausschließlich Männer, obwohl die positiven Auswirkungen von Diversität im Management auf Umsatz und Rentabilität durch zahlreiche Studien belegt ist. 

Als Coach führen

Keine Branche wird vom Personalmangel verschont. Um Fachkräfte zu gewinnen und dauerhaft im Unternehmen zu halten, nehmen Führungskräfte eine wichtige Position ein. Laut »Hernstein Management Report« sind neun von zehn Befragten überzeugt, dass die künftige Rolle von Führungskräften vor allem darin bestehen wird, als »Coach« die Potenziale der Mitarbeitenden zu entfalten. Der Fokus liegt auf Unternehmenskultur und Identität, weniger auf Strategie und Kennzahlen.

Führungskräfte müssen den Beschäftigten eine Perspektive geben, die über die bloße Erledigung von Aufgaben hinausgeht. Arbeit soll Sinn machen – fair bezahlt und für ein Unternehmen, das seine ökologische und soziale Verantwortung ernst nimmt. Das Bedürfnis nach mehr Lebensqualität erstreckt sich auch auf die Arbeitswelt. Die Umstellung auf eine Viertagewoche ist ebenso Ausdruck dieser Entwicklung wie ein höheres Augenmerk auf die Gesundheit der Mitarbeiter*innen.

Tipp: Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Management-Experte Arnold Marty, Partner der Roy C. Hitchman AG: Fünf Schlüsselkompetenzen für den Erfolg


(Titelbild: iStock)

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